Der Bach ist das Ziel

Schulthess Gartenpreis 2014

Für den vorbildlichen ­Umgang mit dem historischen Erbe der Textilindustrie und für die Gebietsentwicklung um den Aabach erhielt die Stadt Uster den Schulthess Gartenpreis 2014.

Publikationsdatum
23-07-2014
Revision
25-08-2015

Nach dem Wakkerpreis 2001 verlieh der Schweizer Heimatschutz der Stadt Uster in diesem Jahr auch den Schulthess Gartenpreis. Aus­gezeichnet wurden vor allem die qualitätvolle und kontinuierliche Freiraumgestaltung um den Aabach und der Umgang mit der historischen Bau- und Gartensub­stanz. Der Gartenpreis ist eine logische Konsequenz des Wakkerpreises – so die Fachkommission, die für die Verleihung beider Preise zuständig ist: Architektur, Gartengestaltung, Landschaftsarchitektur und denkmalpflegerische Aspekte ergänzen sich in Uster zu hoher nutzerischer Qualität.

Zwei repräsentative Parks 

In Zentrum von Uster, direkt am Bach, befinden sich der Zellwegerpark und der Stadtpark. Neue Bauten und landschaftsgestalterische Eingriffe ergänzen die Umgebung. ­Beide Parks entstanden aus den Weiher­anlagen, die die ehemalige Textil­industrie mit Wasser versorgten. Jahrzehntelang nutzten die Grossspinnereien das Wasser des Bachs. Die Fabrikgärten waren mit Mauern umschlossen und überdauerten die Zeit. Nach der Stilllegung der Produktionsstätten verwilderten sie. 

2005 beschloss die Stadt ­Uster, einen Masterplan mit zehn Kernzonen zu erstellen. Im selben Jahr wurde das Areal der Fabrik Zellweger-Luwa verhältnismässig spät der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies war vor allem vorausschauenden Verhandlungen der Stadt mit den privaten Eigentümern zu verdanken. Aus nachfolgenden Wettbewerben entstanden Wohnhäuser, die eine erhöhte Ausnutzungsziffer aufweisen und am Rand der Anlage ­positioniert sind. So blieben zusammenhängende Freiflächen ­erhalten – insbesondere wirkt der Zellwegerweiher nicht bedrängt.

An seinem Ufer hinter der alten Zufahrtsallee befindet sich eine der beiden Wohnzeilen von Gigon/Guyer Architekten. Gegenüber am Herterweiher wird es enger. Gerade befindet sich hier auch das Wohnhaus von Herzog  & de Meuron im Bau. Im ganzen Park erfolgten punktuelle Eingriffe, die das bestehende Bild weitgehend bewahrten: Neue Flachufer für den Teich, informelle Waldwege sowie der Erhalt der Zufahrtsallee und des alten Baumbestands waren die Hauptmassnahmen. Auch die neuen Bepflanzungen, eine Kombination aus Farn und Kirschbäumen, sind vielversprechend. 

Etwas weiter bachaufwärts wurden 2008–2010 im Stadtpark – eigentlich eher eine verbreiterte Uferpromenade – erste Ideen umgesetzt. Bei den neuen Interventionen galt es, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und dabei die Grundstruktur zu erhalten. Der Ort hat sich zu einem in­tensiv genutzten Alltagsraum entwickelt.
Für die ­Gestaltung beider Parks waren Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten zuständig. Lukas Schwein­gruber bestätigt, was sich bei einem Spaziergang entlang der malerischen Anlage offenbart: «Immer häufiger sitzen wir als Ent­werfer nicht vor dem weissen Blatt, sondern stehen vor einer Collage vielfach überformter Aussenräume voller Spuren der Geschichte.»

Charakterstarker Oberlauf

Die langfristige Vernetzungsstrategie öffentlicher und privater Areale der Stadt reicht jedoch über die ­beiden Parks hinaus. Gegen das Aatal nimmt die Gebietsentwicklung
mit der Umgestaltung einer stillgelegten Spinnereifabrik zur Reihenhaussiedlung «Arche Nova» ihren Anfang. Hier und im weiteren Verlauf ergänzen sich die räumlichen Situationen stimmungsvoll: Neue Wohnbauten mit moderner Umgebungsgestaltung liegen neben historischen Gebäuden mit ihren vor langer Zeit angelegten Vorgärten. 

Auch der Bachlauf wandelt sich. Von der «Arche Nova» her kommend ist er durch üppig bewachsene Ufer gefasst, zwischen denen das Wasser über flache Stufen springt. Wenig später erscheint zwischen hohen Bäumen unerwartet das ­«Uster Bräu» mit dem denkmalgeschützten Sud- und Maschinenhaus. Es macht deutlich, wie unrenovierte Industriebauten die Stimmung verdichten können. 

Chancen genutzt 

Zurück im Stadtpark  wird der Bach städtisch durch Mauern gefasst und durch eine skurril anmutende Fischtreppe geteilt. All diese Situationen bestehen selbstverständlich nebeneinander, fliessen ineinander und ergänzen sich. Das Wasser ist dabei ein Begleiter, der über längere oder kürzere Strecken sichtbar, hörbar oder spürbar ist. Der Weg vom Aatal bis zum Greifensee entfernt sich teilweise vom Bachlauf. Das ist nicht nachteilig, sondern trägt zur Vielfalt der Situationen bei. 

Dass der Aabach und die angrenzenden Bauten zu den bedeutendsten Industrieensembles der Schweiz gehören, ist ein möglicher Einwand gegen die Wahl der Stadt Uster zur Gewinnerin des Preises. Das Gebiet wies mit dem nahen See, den his­torischen Gebäuden mit ihren Aussenanlagen und der Burg schon ­immer hohe räumliche und atmosphärische Qualität auf. 

Man kann sich fragen, ob die Auszeichnung nicht eher einer Gegend hätte ­ver­liehen werden sollen, in der aus ­einem gesichtloseren ­Umfeld posi­tive Veränderungen erfolgten. Dass aber Erhaltung und Entwicklung solcher qualitativ hochwertiger Grundlagen verdienstvoll sind, zeigt der Blick auf andere Gemeinden in der näheren Umgebung: Obwohl sie stellenweise ähn­liche Situationen aufweisen, haben Orte wie Brüttisellen oder Dübendorf ­diese Chancen bedauerlicherweise nicht ergriffen.

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