Re­vi­dier­te Norm: «Be­wer­tung der Druck­fes­tig­keit von Be­ton»

Revidierte SN EN 13791:2019

Die Nachrechnung von bestehenden Tragwerken aus Beton ist im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und aus ökonomischen Überlegungen ein hochaktuelles Thema. Die Grundlagen zur Ermittlung der Druckfestigkeit von Beton in Bauwerken und Bauwerksteilen sind in der SN EN 13791 geregelt. Diese wurde revidiert und ist in der Schweiz seit Anfang März 2021 in der Version 2019 gültig.

Publikationsdatum
07-11-2023
Christian Herbst
dipl. Bau-Ing. ETH; Gutachter SIA; Experte in CEN TC 104/SC 1; TG 11; Revision EN 13791
Yves Schiegg
dipl. Bau-Ing. ETH/SIA; Leiter AG Beton der Normenkommission SIA 262 «Betonbau»

Die Revision der EN 13791:2007 «Bewertung der Druckfestigkeit von Beton in Bauwerken und Bauwerksteilen» startete im November 2012. Sie konnte im Juni 2019 mit der formellen Abstimmung auf europäischer Ebene erfolgreich abgeschlossen werden. Im Anschluss daran wurden die nationalen Elemente für die Schweiz erstellt. Die SN EN 13791:2019 ist in der Schweiz seit dem 1. März 2021 gültig.

Die Revision beinhaltete die vollständige Überarbeitung der Norm aus dem Jahr 2007. Zur einfacheren Verständlichkeit wurden die methodischen Ansätze, der Anwendungsbereich und zu einem grossen Teil der frühere Aufbau beibehalten. Die Hauptaufmerksamkeit lag auf der Bestimmung der charakteristischen Druckfestigkeit von Bauwerksbeton für die Anwendung in Verbindung mit den Eurocodes EN 1990 «Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung» und EN 1992-1-1 «Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau» und damit selbstverständlich auch mit den beiden Normen SIA 262 Betonbau und SIA 269/2 Erhaltung von Tragwerken – Betonbau.

Weiter sind eine umfassende Anleitung zur Vorgehensweise sowie Anweisungen bezüglich der vorgängigen Festlegung des Untersuchungszwecks und den Prüfverfahren enthalten. Zuletzt erfolgte ein Abgleich mit den Anforderungen aus der SN EN 206:2013+A1:2016 «Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität».

Die SN EN 13791:2019 regelt grundsätzlich zwei Anwendungen:

  1. Die Abschätzung der charakteristischen Betondruckfestigkeit eines bestimmten Prüfbereichs.
  2. Die Bewertung der Druckfestigkeitsklasse von Beton an einem im Bau befindlichen Tragwerk, falls die Ausführungsqualität in Zweifel steht.

Beide Anwendungen haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die statistischen Bewertungsverfahren unterscheiden sich jedoch stark. Der Grund dafür ist, dass bei der Bestimmung der charakteristischen Druckfestigkeit von Beton in einem Bauwerk nach Anwendung a) keine Kenntnisse über den Erwartungswert vorliegen und dieser mit Hilfe von statistischen Verfahren mit der notwendigen Vorsicht zu schätzen ist. Der Erwartungswert wird dabei gemäss der in SN EN 1992-1-1, Ziffer A.2.3. benannten Vorgehensweise ermittelt. Im Fall der Anwendung b) ist der Erwartungswert im Grundsatz bekannt. Das heisst, dass die angewendeten statistischen Verfahren dazu dienen, die Hypothese auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Die in der SN EN 13791:2019 angegebenen Verfahrensweisen in den Kapiteln 8 und 9 folgen somit unterschiedlichen Ansätzen, die im Anwendungsfall zu signifikant verschiedenen Ergebnissen führen können. Daher ist es sehr wichtig, dass die Anwendung vor der Durchführung der Untersuchungen am Bauwerk von den involvierten Parteien klar definiert wird.

Bestimmung der Betondruckfestigkeit für die statische Überprüfungen von Bestandsbauten

Gemäss Kapitel 8 ist für die Abschätzung der charakteristischen Druckfestigkeit von Beton in einem bestehenden Tragwerk eine minimale Anzahl von Messwerten an Bohrkernen erforderlich. Die Bestimmung dieser notwendigen Anzahl ist hauptsächlich vom Durchmesser und dem Grösstkorn abhängig. In der Regel sind mindestens acht Bohrkerne erforderlich.

Die charakteristische Druckfestigkeit des Bauwerksbetons wird aus dem niedrigeren der folgenden Werte abgeschätzt.

fck,is = fc,m(n)is - kns

oder

fck,is = fc,is,Tiefstwert + M

Dabei ist zu beachten, dass

  • für die Standardabweichung ein Mindestwert von s ≥ 0,08*fc,m(n)iseingesetzt wird.
  • der Wert kn auf Basis der effektiven Anzahl Messwerte n ≥ 8 der entnommenen Bohrkerne und so unabhängig vom Bohrkerndurchmesser eingesetzt wird.
  • der Wert M neu bei Tiefstwerten der gemessenen Druckfestigkeiten unter 20 MPa linear von 4 bis 1 reduziert wird.

Neben der Bestimmung der Druckfestigkeit an Bohrkernen besteht die Möglichkeit, die charakteristische Betondruckfestigkeit aus der Kombination von Prüfdaten aus indirekten und damit zerstörungsfreien Prüfungen und einer minimalen Anzahl Bohrkernen zu ermitteln. Dabei wird neu die Bezugskurve mit einer linearen «Best-Fit»-Regression aus den Messwerten der Bohrkerne ermittelt und nicht mehr normativ vorgegeben.

Zusammenfassend ergibt sich mit der Revision der grosse Vorteil, dass neu einzig die charakteristische Druckfestigkeit von Beton in bestehenden Bauwerken oder Bauwerksteilen bestimmt wird. Eine Zuweisung in die Betondruckfestigkeitsklassen nach SN EN 206:2013+A2 entfällt. Mit dem Verzicht auf diese Zuweisung wird einerseits die sicherheitsrelevante Überschätzung und anderseits die ökonomisch noch wichtigere Vermeidung der Unterschätzung der charakteristischen Betondruckfestigkeit als Grundlage für statische Überprüfungen zukünftig vermieden.

Bewertung der Druckfestigkeitsklasse von Beton im Zweifelsfall

Im Kapitel 9 wird das Vorgehen bei Zweifeln hinsichtlich der Erreichung der festgelegten Druckfestigkeitsklasse des Betons von im Bau befindlichen Bauwerken geregelt. Die Gründe sind bekannterweise mannigfaltig. Der Begriff Zweifel umfasst in der SN EN 13791:2019 u.a. folgende Punkte, ist aber nicht ausschliesslich darauf beschränkt:

  • Unzureichende Druckfestigkeit von für die Produktionskontrolle entnommenen Proben, die zu einer Nichtkonformität führt.
  • Unzureichende Druckfestigkeit von für die Identitätsprüfung entnommenen Proben.
  • Probleme bei der Ausführung von Betonarbeiten.

Die Bewertungskriterien für die Beurteilung der Normkonformität von geliefertem und eingebautem Beton sind anwendbar, wenn die in SN EN 206:2013+A2:2021; Anhang B, Ziffer B.3.1 angegebenen Kriterien eingehalten sind. Die revidierte SN EN 13791:2019 ist in den Ziffern 9.2 und 9.3 entsprechend harmonisiert. Damit ist das Ziel der Vermeidung von ungerechtfertigten Rückweisungen von normkonformem Beton erreicht.

Nationale Elemente zur EN 13791

Die nationalen Elemente der Schweiz bestehen aus dem nationalen Vorwort und dem nationalen Anhang. Das nationale Vorwort regelt den Anwendungsbereich, die Genehmigung und Gültigkeit in der Schweiz. Im nationalen Anhang NA sind nationale Begriffe und Regelungen sowie Hinweise zum besseren Verständnis der EN 13791:2019 enthalten. Neben den Anforderungen an den Beurteilungsbericht und weiterführenden Angaben zur Festlegung der Mindestanzahl von Bohrkernen ist das Vorgehen zur Bestimmung des Bemessungswertes für die statische Überprüfung eines bestehenden Bauwerks auf Basis der nach SN EN 13791:2019 ermittelten charakteristischen Betondruckfestigkeiten definiert.

Die für statische Berechnungen nach SIA 262 und SIA 269/2 erforderliche charakteristische Zylinderdruckfestigkeit an Betonprobekörpern fckkann mit der nach SN EN 13791:2019 ermittelten charakteristischen Betondruckfestigkeit an Bohrkernen fck,is wie folgt berechnet werden:

fck= fck,is / 0.85

Der Faktor 0.85 beschreibt dabei das Verhältnis zwischen der Druckfestigkeit von Bohrkernen aus Bauwerken und der Druckfestigkeit von genormten Prüfkörpern.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Einfluss des Verhältnisses Höhe zu Durchmesser der Bohrkerne. In der Schweiz ist die Prüfung von Bohrkernen mit dem Längendurchmesserverhältnis 1:1 üblich. Die so ermittelte charakteristische Druckfestigkeit fck,is entspricht der Würfeldruckfestigkeit von Beton. Die Bemessungswerte der Druckfestigkeit fcdfür statische Berechnungen werden gemäss der SIA 262 jedoch auf Grundlage der charakteristischen Zylinderdruckfestigkeit von Probekörpern bestimmt.

Die an Bohrkernen mit einem Längendurchmesserverhältnis 1:1 gemessene Druckfestigkeit ist dazu mit dem Bohrkernlängenfaktor CLF auf die Druckfestigkeit von einem Bohrkern mit einem Längendurchmesserverhältnis 2:1  umzurechnen:

fc,2:1Bohrkern = fc, 1:1Bohrkern × 0.82


CLF = 0.82 für h/Ø = 1.0

Anwendung mit der Norm SIA 269/2:2011

Bedingt durch die Revision der SN EN 13791:2019 verlieren die Ziffern 3.2.1. ff. in der SIA 269/2:2011 ihren Bezug zur Version aus dem Jahr 2007. Dieser Umstand wird mit der laufenden Revision der SIA 269/2 bereinigt. In der Zwischenzeit sind die Vorgaben im nationalen Anhang NA der SN EN 13791:2019 zu beachten.

Anwendungshilfe CEN TR 17086

Zur EN 13791:2019 hat die europäische Expertengruppe CEN/TC 104 SC1 TG11 einen technischen Bericht erstellt. Dieser publizierte der SIA gleichzeitig mit der SN EN 13791:2019 als SNG CEN/TR 17086:2020 «Weiterführende Anleitung zur Anwendung der EN 13791:2019 und Hintergrund zu den Regelungen».

Der technische Bericht SNG CEN/TR 17086:2020 enthält weiterführende Informationen und dokumentiert den Wissensstand der Expertengruppe für zukünftige Revisionen. Die EN 13791:2019 deckt grundsätzlich keine Ausnahmesituationen ab und der Inhalt beschränkt sich darauf, die häufigsten Anwendungsfälle in Europa übergeordnet zu normieren. Weiter sind im technischen Bericht hilfreiche Berechnungsbeispiele für die in EN 13791:2019 angegebenen Verfahren enthalten.

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