Pro­jekt­stopp in Weesen

Projekt- und Investorenwettbewerb Café am See in Weesen SG

Der Gemeinderat von Weesen am Walensee stoppt das Projekt «Café am See». Die IG «Kein Koloss» torpedierte erfolgreich das Siegerprojekt von Dietrich Schwarz aus dem Wettbewerb für Architekten und Investoren. Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen.

Publikationsdatum
06-04-2017
Revision
07-04-2017

Die Gemeinde Weesen besitzt nahe dem Dorfkern zwischen Hauptstrasse und Seepromenade zwei unbebaute Grundstücke. Diese sollen mit einer qualitativ hochstehenden Wohnüberbauung mit öffentlichem Gastronomiebetrieb bebaut werden. Dazu führte die Gemeinde im vergangenen Jahr einen Wettbewerb für Architekten und Investoren durch.

Im August 2016 empfahl das Preisgericht einstimmig den Beitrag von Dietrich Schwarz Architekten aus Zürich zur Weiterbearbeitung. Im Jurybericht heisst es dazu: «Gesamthaft kann das Projekt ‹Churfirsten› trotz oder gerade mit seiner markanten Silhouette einen neuen Ort am See für Weesen schaffen. Die Gewerbe- wie auch Wohnungsnutzung ist gekonnt entworfen und nutzt den Standort am See optimal. Für die Gemeinde Weesen kann ­dieser überzeugende Entwurf eine grosse Chance werden, mit einem neuen Anziehungspunkt, der in die Region ausstrahlt.»

Argwohn und Ängste

Lange Zeit schlug dieses Projekt ­keine ­grossen Wellen, auch die Auflagefrist im Sommer verstrich ohne Einsprachen. Doch dann sammelte die Interessengemeinschaft «Kein Koloss» zwischen Oktober und Dezember 2016 1700 Unterschriften gegen das Projekt – rund hundert mehr, als die Gemeinde Einwohner hat. Der Wechsel des Investors sorgte ebenfalls für Unruhe: Die Swiss Property Development Group aus Zürich zog sich nach dem Wettbewerbsgewinn zurück, unter anderem weil sie weitreichende finanzielle Sicherheiten der Gemeinde bei der Vermietung des Restaurants verlangte. Als neue Investorin sprang die Pen­sionskasse der Technischen Ver­bände PTV ein. Dann doppelte die St. Galler Denkmalpflege nach, indem sie das Siegerprojekt öffentlich kritisierte. Konkret bemängelte sie die Einbindung des Neubaus ins Ortsbild1 – Letzteres ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) verzeichnet.

Wie weiter?

Am 23. Februar 2017 gab der Gemeinderat bekannt, das Projekt «Café am See» per sofort zu stoppen (vgl. Interview unten) – dies trotz einer Überarbeitung inklusive Höhenreduktion durch die Architekten. Dietrich Schwarz behält sich juristische Schritte vor. Sollte er Recht bekommen, stünde dem Büro gemäss Ordnung SIA 142 ein Betrag zwischen der Hälfte und dem anderthalbfachen der Preisumme zu – in diesem Fall also zwischen 35 000 und 105 000 Franken, je nachdem, wie die Gemeinde das Projekt weiterverfolgt. Wird der Auftrag an Dritte vergeben oder der Beitrag weiterverwendet, bekommt der Sieger drei Viertel der Gesamtpreissumme. Treffen beide Bedingungen zu, ist es eineinhalbmal die Gesamtpreissumme. Verzichtet der Auftraggeber definitiv auf die Realisierung des Bauvorhabens, beträgt die Entschädigung die Hälfte der Gesamtpreissumme.

So oder so – mit dem Projektstopp in diesem Stadium hat sich die Gemeinde keinen Gefallen getan.

Anmerkung
1 Olivia Tjon-A-Meeuw, «Gemeinderat rechtfertigt Projektstopp mit Denkmalschutz», in: Zürichsee-Zeitung, Ausgabe Obersee, 25. Februar 2017.

Weitere Informationen über den Projekt- und Investorenwettbewerb Café am See in Weesen SG finden Sie unter der Rubrik Wettbewerbe.


«Der Gemeinderat hat kalte Füsse bekommen»

Jean-Pierre Wymann ist selbstständiger Architekt in Basel und seit 2005 Mitglied der Wettbewerbskommission des SIA.

Herr Wymann, wer die Geschichte verfolgt hat, gewinnt den Eindruck, der Weesner Gemeinderat hätte seine Argumente – den Absprung des ursprünglichen Investors und die kritische Haltung der kantonalen Denkmalpflege – nur vorgeschoben und in Tat und Wahrheit den Forderungen der Petitionäre nachgegeben. Wie häufig kommt es vor, dass Bewohner sich nach Ablauf der Auflagefrist gegen ein Bauprojekt stellen?
Jean-Pierre Wymann: Zeitgenös­sische Architektur steht immer wieder in der Kritik. Das ist auch richtig so, betrifft sie uns doch alle. Meiner Meinung nach genügen im vorliegenden Fall die vorgebrachten Argumente mit einer unverbindlichen Aussage der kantonalen Denkmalpflege und dem Wechsel des Investors nach dem Wettbewerb nicht, um das Projekt zu beerdigen. Es scheint, dass der Gemeinderat kalte Füsse bekommen und entschieden hat, ohne sich der Konsequenzen dieses Entscheids bewusst zu sein.

Die Denkmalpflege hat ja auch im vorliegenden Fall eine wichtige Rolle gespielt: Der Gemeinderat bezog sich bei seinem Projektabbruch unter anderem auf die Kritik der Behörde.
Ungewöhnlich ist, dass die kantonale Denkmalpflege sich bereits in der Presse dahingehend geäussert hat, dass das Siegerprojekt nicht den Anforderungen entspreche, die an ein Ortsbild von nationaler Bedeutung gestellt werden. Dies, obwohl solche Fragen in der Regel zuerst im Dialog mit dem Architekten geklärt und erst im Rahmen eines Baugesuchs verbindlich beantwortet werden.

Wie könnte es nun weitergehen?
Offenbar überlegt der Gemeinderat, einen anderen Wettbewerbsteilnehmer zu beauftragen oder einen neuen Wettbewerb auszuschreiben. Beide Optionen sind problematisch: Ein dem öffentlichen Beschaffungswesen unterstellter Auftraggeber kann nach dem Wettbewerb nicht einfach einen anderen Wettbewerbsteilnehmer oder einen Dritten beauftragen, der am Wettbewerb nicht beteiligt war.

Wäre eine Neuausschreibung des Wettbewerbs besser?
Nein, denn wird das Verfahren nochmals ausgeschrieben, stellen sich viele Fragen. Einige Lösungsansätze sind bereits bekannt. Wie kann verhindert werden, dass ein Teilnehmer in einem weiteren Verfahren einen fremden Beitrag einfach kopiert und damit das Urheberrecht eines Dritten verletzt? Kann ein Teilnehmer zweimal denselben Beitrag einreichen? Wäre dies ein Verstoss gegen das Gebot der Anonymität und würde deshalb zum Ausschluss von der Beurteilung führen?

Der SIA hat Regeln für erfolgreiche und faire Wettbewerbe ausgearbeitet. Diese werden von Architekturkreisen anerkannt, sind jedoch rechtlich nicht bindend. Wie viel Sinn machen solche Regeln?
Die entsprechende Ordnung des SIA ist wichtig, weil der Architekturwettbewerb im öffentlichen Beschaffungswesen meist ungenügend geregelt ist. Sie schliesst vorhandene Lücken, schafft damit Rechtssicherheit und sorgt für einen fairen Wettbewerb.

Das Interview führte Eva Pfirter.­
Die ausführliche Version erschien am 2. März 2017 in der Zürichsee-Zeitung (Ausgabe Obersee).

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