Per­le aus dem Ar­chiv – Zür­cher Quai­brü­cke

Dieser Tage jährt sich die Verschiebung der Zürcher Quaibrücke zum 40. Mal. Das damals und heute noch aufsehenerregende und in diesem Fall in unserem Archiv umfassend dokumentierte Bauverfahren sorgte dafür, dass eine wichtige Verkehrsachse nur für kurze Zeit unterbrochen war.

Publikationsdatum
11-03-2024

Die Quaibrücke brachte für Zürich nicht bloss eine Neuorientierung der Stadt zum See hin, sie war auch ein Vorbote der ersten Eingemeindungsrunde. Als sie im Jahr 1884 eröffnet wurde, waren der heutige Stadtkreis Riesbach und das Quartier Enge nämlich noch eigenständige Anrainergemeinden und spannten für das Brückenvorhaben mit der damaligen Stadt zusammen. Dieses Unternehmen unter der Leitung des ersten Zürcher Stadtingenieurs, Arnold Bürkli, war für jene Zeit aussergewöhnlich. Es sollte noch knapp zehn weitere Jahre dauern, bis Zürich mittels Gemeindefusion zur ersten Schweizer Grossstadt wurde und die zentrale Verwaltung derart hoheitliche Aufgaben übernahm.

Von der ersten zur zweiten Quaibrücke

Die Brücke, über die bereits im Jahr 1899 elektrische Trams fuhren, wurde in Hinblick auf die Landesausstellung 1939 einmal grundlegend saniert und verbreitert. Anschliessend gelang es, das Bauwerk trotz starker frequenz- und gewichtsmässiger Zunahme des Verkehrs mit punktuellen Sanierungsmassnahmen bis Anfang der 1980er-Jahre zu erhalten.

Dennoch erkannte man bereits Anfang der 1970er-Jahre, dass aufgrund des zunehmenden Unterhaltsaufwands und der ungenügenden Kapazitäten für den privaten und öffentlichen Verkehr ein Neubau unvermeidbar war. So führten langjährige technische und politische Abwägungen schliesslich zur Durchführung eines Wettbewerbs unter fünf Zürcher Tiefbauunternehmen, die gemäss Programm zwei Bauverfahren – einmal mit und einmal ohne Hilfsbrücke – offerieren mussten. Neben diesen Amtsvarianten war es den Unternehmen freigestellt, eigene Varianten einzureichen.

Den Zuschlag erhielt schliesslich eine Arbeitsgemeinschaft, die einen neuen Brückenüberbau (Stahl-Beton-Verbundbau) mit Einbau im Verschubverfahren vorschlug. Diese Variante überzeugte mit optimaler Qualität, kurzer Bauzeit sowie minimalen Verkehrsbehinderungen während des Baus und wurde den Stadtzürcher Stimmberechtigten im September 1982 als Baukredit über 23.1 Millionen Franken vorgelegt. Die ersten Bauarbeiten konnten noch im November desselben Jahres beginnen.

Neubau und Verschub in Rekordzeit

Das gewählte Bauverfahren hatte damals noch Seltenheitswert. Der Vorteil der störungsfreien Realisierung der neuen Brücke war allerdings mit aufwendigen Bauhilfsmassnahmen verbunden: Alleine das Verlegen der Verschubbahnen erforderte 40 von einer Schwimmplattform aus gebohrte Pfähle (d=1.22 m, t=25–35 m) und dauerte gesamthaft rund ein Jahr.

Da aber der Bau der neuen Brücke inklusive Belag nur gut ein halbes Jahr in Anspruch nahm und diese Arbeiten parallel zur Errichtung der Verschubbahnen und der Instandsetzung des alten Brückenunterbaus stattfinden konnten, dauerte es von der Volksabstimmung bis zur Verkehrsübergabe der neuen Brücke lediglich eineinhalb Jahre. Der Verkehrsunterbruch während des Verschubs der alten und neuen Brücke (die druckfest miteinander verbundenen Brücken hatten ein Gesamtgewicht von 7800 t) betrug gar nur knapp 57 Stunden – inklusive Montage aller strassenbahntechnischen Anlagen.

Nun feiert die Verschiebung der neuen Quaibrücke das 40. Jubiläum. Einer, der sich noch gut an diesen Tag erinnern kann, ist Heinrich Hofacker. Als Miteigentümer des ehemaligen Ingenieurbüros E. Stucki und H. Hofacker zeichnete er als Prüfingenieur und örtlicher Bauleiter für das spektakuläre Bauvorhaben mitverantwortlich. Rückblickend auf die Märztage vor 40 Jahren meint er: «Die erfolgreiche Bewältigung der Bauaufgabe, bei sehr schwierigem Baugrund eine neue Brücke auf 100-jährige Pfeiler und Fundamente zu verschieben, erfüllt mich noch heute mit Freude und Dankbarkeit und gehört zu den grössten Herausforderungen meines beruflichen Lebens. Es ist mir ein Bedürfnis, dem damals involvierten Projektierungs- und Bauteam auch aus heutiger Sicht nochmals meinen Dank und meine Anerkennung auszudrücken. Möge auch die neue Brücke 100-jährig werden!» Zusammen mit den noch verbliebenen Mitgliedern des Bauteams trifft er sich am 15. März zu einem Mittagessen.

Angesichts der über die vergangenen vier Jahrzehnte einwirkenden und auch zunehmenden Lasten zeigt sich die Brücke heute in verhältnismässig gutem Zustand. Nach der Jahrtausendwende wurde sie im Zuge des «Plan Lumière»-Projekts einmal saniert und verbreitert und im Dezember 2023 genehmigte der Stadtrat eine Aufstockung des Kredits zur Sanierung der Brückenunterbauten. Die Zeichen stehen also gut, dass ein Teil der Bausubstanz bereits in zehn Jahren ein rundes Jubiläum feiern darf.

Weitere Infos

 

Quaibrücke Zürich, Schweizer Ingenieur und Architekt, Band 103 (1985)

 

Verschiebung der Quaibrücke, DRS aktuell, 17.03.1984

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