Ita­lie­ni­sches De­sign jen­seits der Kri­se

Die siebte Ausgabe der Jahresausstellung im Triennale Design Museum TDM in Mailand thematisiert die aktuell beschworene wirtschaftliche Krise im Land und zeigt Beispiele der Selbstbeschränkung und unabhängiger Produktion. Mit 650 Ausstellungsobjekten wird versucht, eine etwas andere Geschichte der Produktgestaltung zu schreiben.

Publikationsdatum
17-06-2014
Revision
25-08-2015

Das Phänomen der Selbstbeschränkung und Genügsamkeit hat während den 1930er- und 1970er-Jahren und um die Jahrtausendwende das italienische Design beeinflusst und geprägt. Stichworte sind der Äthiopienkrieg und die damit verbundenen Wirtschaftssanktionen gegenüber Italien, die Ölkrise und letztlich die heutige Finanzkrise. Für Italien offensichtlich ein Anlass, sich mit der gegebenen Situation zu arrangieren und sie zu thematisieren.

Schlichtheit als Tugend 

Den Auftakt macht eine heterogen zusammengesetzte Installation mit allerlei Fundstücken zum Thema, darunter ein Fahrrad aus Holz und Aluminium (Vianzone,1939), ein Tretmobil aus Bambus und Rattan von Rafaella Crespi (Disco Volante, 1959), Enzo Maris Holztisch zum selber Nachbauen (1974) und der Sessel aus Strohballen, den Alessandro Mendini 1976 entworfen hat.

Beim Hochzeitskleid aus weissen Flicken von Pietra Pistoletto (1996) muss schon zweimal hingucken, wer die Ironie erkennen will – haben doch mittlerweile Modeschöpfer längst den Grunge-Stil populär gemacht. Und neben einer pompös grossen Vase aus Rindenstücken und eingezogenen roten Fäden (2013) von Tarshito, der eigentlich Nicola Strippoli heisst und Architekt ist, stehen ebenfalls aus neuester Zeit stammende, aus Drahtgittern geformte Tiere von Benedetta Mori Ubaldini.

Die Fortsetzung bildet ein weitläufiger Parcours durch die Räume des Museums: Sessel aus einfachen Brettern, Stühle mit Besen als Rücklehnen, aus diversen Fundstücken zusammengekleistertes und genageltes Mobiliar wirken wie ein Sammelsurium von Ideen und Möglichkeiten in der heutigen, mit Design und Pseudodesign zugepflasterten Warenflut.

Auf dem ganzen Weg durch diese Wunderwelt des Abseitigen, leicht Verrückten und doch Anregenden widmen sich kleine, leicht abgetrennte Kammern einzelnen Positionen: Ettore Sottsass, Carlo Mollino, Franco Albini, Enzo Mari, Renato Venegoni und Bruno Munari beispielsweise. Selbst die Ausstellungsgestaltung von Philippe Negro gibt sich mit ihren offen belassenen Seiten und Rückseiten der Trennwände aus Holz ephemer und improvisiert – ein perfektes Provisorium, wie es nur Italiener fertigbringen.

Drei Etappen der Entwicklung aus Krisen

Drei unterschiedliche Positionen nennt der Ausstellungskatalog und bezieht sich damit auf die eingangs erwähnten Krisensituationen: Selbstgenügsamkeit und Eigenständigkeit, Schlichtheit und Mitwirkung, Eigenproduktion und Unabhängigkeit. Bisher war das K-Wort im Möbeldesign tabu. Die Ausstellung durchbricht diese Schranke und liefert eine frohgemute Schau auf rund 50 Jahre Designgeschichte. Die zahlreichen, teils Prototypen gebliebene, teils in Serienproduktion gegangene und teils auch in Vergessenheit geratene Entwürfe in dieser Ausstellung unterscheiden sich durch ihren Formwitz und durch die wie selbstverständlich wirkende Materialisierung markant von den derzeit in Einrichtungs- und Warenhäusern gezeigten luxuriösen Glitzerdingen.

Spätestens die am Schluss gezeigten Ikonen – u.a. eine Lambretta, das Radio Brionvega und die knallrote Olivetti-Schreibmaschine – machen klar, dass es bei gutem Design auch um langlebigen Gebrauch und Formen gehen muss. Silvana Annicchiarico, Verantwortliche für diese für die Ausstellung, betont denn auch, diese Jahresschau stelle ausdrücklich das notwendige Design in den Mittelpunkt, nicht den Überfluss und Luxus.

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