In­tel­li­gen­te Ge­bäu­de: Fach­an­lass der Em­pa

Intelligent geplante Gebäude verfügen über Regelungstechnik und vernetzte Systeme und sollen dadurch effizient werden. Ein Fachanlass der Empa-Akademie unter dem Obertitel «Intelligente Gebäude heute und morgen» stellte in Bern innovative Lösungen aus Baustoffwissenschaften, Bautechnologie und integrierten, präzisen Automatisierungssystemen für das künftige Bauen vor.

Publikationsdatum
22-10-2013
Revision
01-09-2015

Muss ein Gebäude überhaupt «intelligent» sein? Und wie weit soll man gehen, um den Nutzern selbstständiges Denken und Handeln abzunehmen und durch technische Systeme zu ersetzen   Diese provokante Frage stellte Urs-Peter Menti (HSLU) am Fachanlass «Intelligente Gebäude heute und morgen – Technology Briefing» der Empa in Bern vom 16. Oktober 2013.

Komplexe Systeme bedingen eine umfassende und kluge Planung. Das Ziel sind integrale Gebäude – zu erreichen ist es mit einer ganzheitlichen Betrachtung. Der Energiebedarf ist vor allem durch Heizen, Kühlen und Beleuchtung bestimmt. Das Energiesystem sei letztlich einflussreicher für einen tiefen Energiebedarf als die Gebäudehülle, sagte Menti. Einflüsse seien oft im vermeintlich Kleinen grösser als gedacht. So hat eine Studie gezeigt, dass der Energieverbrauch durch Standby (für den Betrieb bereite, aber nicht genutzte Anlagen) stetig steigt – von 36% im Jahr 1999 bis auf 55% im Jahr 2011.1

Vorausblickend planen

Menti stellte seine Sicht in einem Satz klar: Je intelligenter ein Gebäude geplant ist, desto weniger Intelligenz und Technologie braucht es anschliessend im Betrieb. Und er relativierte, dass es ganz ohne Technologie auch nicht gehe. Gestern noch standen einzelne Komponenten und ihr Wirkungsgrad im Mittelpunkt des Interesses, heute ist es das Gebäude als System, und morgen soll es das Gebäude im System sein. Gemeint sind damit Areal- und Quartierbetrachtungen sowie regionale und überregionale Themen. Grossen Wert legte Menti auch auf den Begriff «Das Klima als Entwurfsfaktor» - eine Gesamtbetrachtung zu Heizen, Kühlen, Beleuchtung, zu Betriebsenergie und grauer Energie.2

Informationen für mehr Sicherheit

Informationssysteme für einzelne Gebäude oder Gebäudegruppen dienen dazu, die Nutzer über die Erreichbarkeit von Räumen oder Anlagen zu informieren, vergleichbar mit einem GPS. Der Transport von Gütern, die Überwachung sensibler Zonen oder rasche Informationen zu Bedürfnissen von Patienten in Spitälern sind weitere Anwendungen, die für mehr Sicherheit und zeitsparende Interaktionen von Personen führen. Die technische Anwendung ist vergleichbar mit WLAN, dem drahtlosen Netzwerk für Computernutzung. Andreas Blatter (PX Group, La Chaux-de-Fonds) und Cyrill Botteron (EPFL-STI-IMT-ESPLAB, Neuenburg) informierten über bereits in Betrieb stehende Anwendungen in Industrie, Produktion und Dienstleistungsbetrieben.

Solche Informationssysteme können auch dazu dienen, in Notsituationen gezielt Informationen zu streuen. Dies passte zu den Ausführungen von Christian Frey von Siemens Building Technologies. Er berichtete über die vielfältigen Möglichkeiten der gezielten und koordinierten Alarmierung in Gebäuden oder öffentlichen Anlagen wie grossen Bahnhöfen, Flughäfen usw. Der bekannte Sirenenalarm und Radioaufrufe sind heute durch SMS, Twitter und Facebook wenn nicht ersetzt, so doch ergänzt. Wesentlich seien gezielte, situationsgerechte Informationen, die Personenströme weg von der Gefahr in sichere Zonen lenken.

Energieproduktion mit Architektur

Die Entwicklung von integrierten Photovoltaiksystemen ist seit den 1980er-Jahren rasch fortgeschritten. Nach den auf Dächern aufgesetzten Solarzellen wurden in die Architektur integrierte Anlagen an Fassaden, Brüstungen und auch Dächern gebaut. Lukas Rohr von der Berner Fachhochschule legte dar, wie der Weg der integrierten Photovoltaikanlagen in die Zukunft aussehen könnte.

Für ein Grossprojekt der Baugenossenschaft Zurlinden in Zürich (1. Etappe das Hochhaus Leimbachstrasse 215) wurden an der BFH Module eingehend auf Leistung, Zerschleissfestigkeit und Sicherheit getestet. 857 Module wurden dort an die bestehende Fassaden montiert und leisten jährlich 41.78 MW/h. Interessant ist es, dass alle vier Fassadenseiten (Nord. Süd, West und Ost) bestückt wurden und auch tatsächlich alle Himmelsrichtungen zur Stromproduktion beitragen. Es handelt sich dabei um die weltweit grösste umlaufende PV-Dünnschicht-Fassade.

Rohr zitierte zudem den Bau der Umwelt Arena Spreitenbach als gutes Beispiel und kritisierte die 2009 eröffnete neue Monte-Rosa-Hütte als eher problematisch wegen der aus architektonischen Gründen unterschiedlich gestalteten Dachflächen, die keine standardisierten Formate zulassen. Sein Rat: Eine Ausstattung mit Standardelementen, die sehr wohl mit zeitgemässer Architektur zu verbinden seien.3

Das Gebäude als Labor

Die Nutzer von Gebäuden seien relativ intelligent, aber wenig zuverlässig. Technische Systeme dagegen seien eher dumm, indes effizient und eben zuverlässig. «Denkende» Technik finde nur dann Akzeptanz, wenn sie tut, was Nutzer wollen oder was sie nicht interessiert. Kurz: Die Nutzer wollen nicht von der Technik dominiert sein, sondern davon profitieren. Diese Thesen stellte Mark Zimmermann (NEST Innovation Manager, Empa) in den Raum.

Mit dem Forschungsprojekt NEST will die Empa Experimente am Bau ermöglichen. Dabei ist einzig das Tragwerk von Dauer, alle Räume und ihre Fassaden hingegen sind austauschbar. In einzelnen Forschungsmodulen lassen sich so künftige Raumkonzepte, entsprechendes Energiemanagement und dazugehörige Materialien testen.

In ein Stahlbetonskelett mit fünf offenen Stockwerken lassen sich Forschungsmodule einschieben, die sich dann im Alltagseinsatz bewähren müssen. Möglich sind sowohl Wohn- als auch Büroräume – einstöckige Konstruktionen ebenso wie zweistöckige Bauten oder ganze Stockwerke in Leichtbauweise. NEST soll künftig der Bauforschung neue Impulse verleihen, und zwar nicht allein mit Messungen und damit gesammelten Daten. Geplant ist, die Raummodule zum Wohnen und Arbeiten zum Beispiel für Studierende zu nutzen und auch deren Erfahrungen zu dokumentieren.

Kontrollierter Energieverbrauch als Schlüssel

Gebäude verbrauchen Energie beim Bau und enthalten sogenannte Graue Energie für Produktion und Transport des verwendeten Materials. Der Energieverbrauch aus der Nutzung schlägt aber auf Dauer mehr zu Buche. Deshalb sind die sogenannten Energy Hubs oder auch Energiedrehscheiben von Interesse – Systeme, die mehrere Energieträger in einem Netz optimieren und dabei Synergien und Redundanzen ausnützen.

Robert Weber (Empa, Abt. Gebäudetechnologien) stellte dieses verhältnismässig neue Konzept vor und machte deutlich, dass die Versorgung zwar gewährleistet ist, die wirklich effiziente Verteilung und Speicherung von Energie jedoch noch ein beträchtliches Potenzial für Entwicklungen aufweist. Nach Möglichkeit sind Bedarfs- und Produktionsspitzen zu eliminieren. Wir verbrauchen mehr und mehr Energie, und dies zu ändern ist im Interesse aller.

Um das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft zu erreichen, dürfte ein kontrollierter Verbrauch an Energie ein Schlüssel sein. Ein Energy Hub, für Ortschaften und Regionen konzipiert, betrifft nicht einzig den Strom, sondern auch chemische und thermische Energie. Intelligente Gebäude sind demnach nicht allein im Interesse der einzelnen Nutzer, sondern vielmehr der Gesellschaft als Ganzer. Das zeigt auch die Energiestrategie 2050 des Bundes. Der Anlass der Empa war eine Auslegeordnung zum Thema, das zum Forschungsschwerpunkt «Sustainable Building Technologies» gehört.

Anmerkungen

  1. Studie 1999 im Bereichsprogramm Elektrizität (Bundesamt für Energie) und Studie 2011 der AHB für das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich.
  2. «Das Klima als Entwurfsfaktor – Architektur und Energie», Hrsg. Tina Unruh, Quart Verlag Luzern
  3. «Photovoltaik – System aus Sonnenlicht für Verbundnetz und Inselanlagen», Heinrich Häberlin, Verlag electro suisse
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