Ins Erd­reich ein­ge­bet­tet

Die Geologie zwang die Planer Penzel Valier, die Tiefgarage nicht in der klassischen Deckelbauweise, sondern in adaptierter Form zu erstellen. Nun schmiegt sich die Garage ­wahrlich in die Erde und überzeugt dabei gestalterisch und trag­werkspezifisch.

Publikationsdatum
09-01-2020

Die qualitätsvolle Freifläche des «Mediengartens» schaffen und ober­irdische Parkplätze unter Terrain verlegen – das ­waren die beiden Hauptgründe, weshalb die Tief­garage im beengten und lang ­gezogenen Raum ­zwischen Bestand und neuem News- und Sport-Gebäude entstand. Indem die Bauingenieure von Penzel Valier den bestehenden Zwischenraum nutzten, werden die umliegende Baufläche und ihr Baugrund für anderweitige ­Nutzungen frei. Ein kluger Ansatz, der den Planenden einen gekonnten Umgang mit der Situation ­ab­­verlangte. Denn unmittelbar nebenan sollte zeitgleich das neue News- und Sport­-Gebäude errichtet werden die Erstellung der Tiefgarage durfte dessen ehrgeiziges Bauprogramm keinesfalls behindern oder gar ver­zögern.

Deckelbauweise und Schlitzwände

Weil die Tiefgarage mit der angehängten Technikzentrale Süd in Deckelbauweise erstellt wurde, konnte die Geländeoberfläche, unter der die Tief­garage entstand, relativ rasch für den Baustellen­betrieb wieder genutzt werden. Unmittelbar nach dem Aushärten des Deckels diente die Oberfläche als Installationsplatz während der Bauphasen; unter dem Deckel, unabhängig vom Geschehen über Terrain, schritt der Aushub voran.

Zunächst erstellte man Schlitzwände rings um den künftigen Grundriss, die als wasserdichter Baugrubenabschluss dienten und später zugleich die Aussenwände der Tiefgarage bildeten. Sie wurden konventionell erstellt, bis 21 m weit abgeteuft und mindestens 3 m in die tragfähige, dichte Moräne eingebunden. An Stellen, wo grosse vertikale Lasten anfallen – primär jene aus dem News- und Sport-Gebäude –, sind die Schlitzwände sogar bis zu 34 m lang, abschnittsweise im T-Querschnitt aus­geführt und auf der Molasse abgestellt. Dadurch erreichen die Wände eine grössere Steifigkeit.

Die Ingenieure berechneten die Schlitzwände für den Bauzustand als Kragarme, die in die vorgängig von oben nach unten gebauten Decken eingespannt wurden. Diese waren aufgrund geometrischer Zwänge auf 80 cm Stärke zu beschränken. Aufgrund der hohen Lasten und wegen der grossen vertikalen Aushub­etappen von bis zu 6,5 m im vierten und fünften ­Untergeschoss der Zentrale Süd war der Bewehrungsgehalt im Schlitzwandquerschnitt hoch und eine 0/16-Körnung in der Betonrezeptur notwendig. Doch konnte man durch die statische Konzeption als Kragarme auf eine temporäre, massive Stützkonstruktion verzichten. Ausserdem erstellte man die Schlitzwände im Perimeterbereich maximal nah am Bestand und verband sie mono­lithisch mit ihm. Differenzielle Setzungen waren infolge der Spannungsänderungen und der entsprechenden Verschiebungen im Baugrund nur beschränkt zu erwarten, da beide Bauwerke bis auf die Moräne bzw. teilweise in den Felsen tiefgegründet sind; der Bestand steht auf Bohrpfählen.

Deckel ohne verlorene Schalung

Auf die Oberkante der Schlitzwände betonierte man den obersten, ebenerdig liegenden Deckel – anders als üblich aber ohne eine verlorene Schalung, sondern direkt auf den setzungsempfindlichen und lehmhaltigen Boden. Dabei modellierte ein Bagger vorab eine geschwungene Oberfläche. Mit der Modellierung mischte man dem anstehenden Erdreich Zement und Kalk bei und liess die Decke als Sandgussdecke aushärten. Inklusive aller Aussparungen war sie für die gesamte Bauphase der Tiefbaustelle steif genug, um als Scheibe zu wirken. Dadurch waren für den Baufortschritt nach unten weniger temporäre Spriessungen oder Verankerungen notwendig.

Die Decken wurden von oben beginnend nach unten in Ortbeton erstellt und dienten zugleich der Abtragung der horizontalen Erd- und Wasserdrücke auf die Schlitzwände. Ausgehoben wurde geschossweise. «Diese Bauweise auf diesem geo­logisch schwierigen, nahezu selbstnivellierenden ­Boden war von Vorteil», meint Martin Valier, Mit­inhaber von Penzel Valier, «weil wir damit die Möglichkeit hatten, mit den Arbeitsetappen zu ‹spielen› und deren Grössen zu optimieren.» So war zum Projektstart mit horizontal 6 m langen Betonier- und Aushubetappen geplant worden, die jeweils innerhalb von 48 Stunden mit den seitlich verlaufenden Schlitzwänden kraftschlüssig verbunden sein sollten. Um diesen zeitlich ehrgeizigen Plan in der eng­räumigen Baustelle umsetzen zu können und dennoch eine bewusst gestaltete Deckenuntersicht zu erhalten, musste man von konventionellen Arbeitsschritten und Materialien abweichen. Pavatex­platten fungierten als Schalung – man konnte sie unter den Arm nehmen, auf die Baustelle tragen, im vorgegebenen und mit dem Laser eingemessenen Raster geschuppt anordnen und direkt auf dem Boden verlegen. Kaum war die Sandgussdecke ausgehärtet, schaufelte der Bagger das Lehm-Silt-Sand-Gemisch darunter heraus und zog die ­Pava­texplatten von der Deckenuntersicht ab. Freigelegt wurde eine ästhetisch bewusst gestaltete Untersicht (Abb. 9), die strukturiert und dennoch lebendig wirkt – entwickelt aus dem auf die Situation ­abgestimmten Bauprozess.

Geerdeter Charakter

Deckenuntersichten und Wandansichten sind roh belassen. Man erkennt die nicht zu kontrollierende Oberflächenstruktur, wie sie beim Verfüllen der Schlitzwände entstanden ist. Selbst Kratzspuren sind zu sehen, die der Bagger beim Aushub hinterlassen hat und die mit dem Beton abgegossen wurden. Sie unterstreichen den Charakter des im Baugrund eingebetteten Baus bzw. des Volumens im wassergesättigten Erdreich. Denn die Tiefgarage ist auch ein Hohlkörper im Grundwasser mit starker Auftriebstendenz. Unter der Bodenplatte ist deshalb ein Sickerteppich mit engmaschigem Drainagenetz eingebaut worden. Die Rohre entwässern den Sohlbereich in das dafür im untersten Geschoss am Ende der Spiralrampe (Abb. 10) gebaute Becken (vgl. Querschnitt S. 12). Es funktioniert zugleich als Havariebecken für Löschwasser im Brandfall. Die Durch- und Unterströmung im Bereich der Moräne sind allerdings so gering, dass die Sohle nahezu trocken bleibt. Um es dennoch zu füllen und für eine dauernde Spülung der Drainageleitungen zu sorgen, wird in den trockeneren Perioden künstlich Wasser eingespeist. Es entsteht nicht nur ein mehrschichtig funktionales Bauwerk, sondern auch ein gestalterisch wertvolles Element.

Die Planenden scheinen beim Bau der Tiefgarage regelrecht mit allen wesentlichen Faktoren der Geotechnik gearbeitet zu haben: Wasser, Gestein, Schichtungen. So zeichnet sich der geschwungen modellierte Deckel der viergeschossigen Tiefgarage unten in der Deckenuntersicht in Form von ru­higen Wogen ab (Abb. 3, S. 28) – als wäre er eine ­Gesteinsschicht. Und oben offenbart er sich als to­po­grafisches Landschaftsbild mit bis zu 0,8 m ­grossen Ver­tiefungen für die hochwüchsige Bepflanzung sowie Erhebungen für die asphaltierten Wege, die zwischen Sichtbetonkleinbauten mäan­drieren (vgl. Abb. 5, S. 9). In­sofern widerspiegelt der ebenerdige Deckel die wichtige Schnittstelle vom Hoch- zum Tiefbau, die entscheidende bauprozessliche Verzahnung des Aushubs der Tief­garage in die Tiefe und der Aufrichtung des News- und Sport-Gebäudes in die Höhe. Die bewusste Gestaltung eines derart statisch essenziellen Bauteils ist denn auch nichts als die konsequente Nutzung des in ihm liegenden Ausdruckspotenzials.

 

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