Güns­ti­ge­res Woh­nen, ­mit­ten in Zug

Die Stadt Zug ist ein wachsender Ort, weshalb Grundeigentümer auf Gewerbearealen und in Wohnquartieren in eine Verdichtung investieren wollen. Ein gelungenes Vorhaben zeigt, wie eine Erweiterung auch die Denkmalpflege-Hürde nimmt.

Publikationsdatum
08-12-2023

Die Steueroase Zug ist auch ein begehrter Werkplatz. Markante Fabrikhallen bezeugen die Anfänge des Zentralschweizer Wirtschaftsstandorts bis heute. Doch der Wachstums- und Transformationsdruck steigt: Vorliegende Master- und Testpläne lassen erahnen, dass das Tabula-rasa-Prinzip Teile der Industriegeschichte verdrängen wird.

Das Ringen um den Erhalt von Gebäuden dringt auch in die angrenzenden Wohnquartiere vor. Ein aktueller Brennpunkt ist die Zuger Gartenstadt: Ab Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 1960er-Jahre entstand eine Arbeitersiedlung mit viel Grünraum, preisgünstigem Wohnraum und beachtlicher Dichte. Der Widerstand gegen Ersatzneubauprojekte ist darum vorprogrammiert.

Schlichter Charakter, aber schützenswert

Ein Umbauvorhaben konfliktfrei realisieren konnte allerdings die Heimstätte, eine soziale Wohnbaugesellschaft, die vor 90 Jahren zwei Häuserzeilen erstellte, die inzwischen denkmalpflegerisch geschützt sind. Die Bauten wurden ursprünglich von zwei Architekturbüros unterschiedlich entworfen und eigens benannt: Der Baumbergerhof entstand 1931 und der Florentinihof ein Jahr später. Beide Wohnliegenschaften wurden gut unterhalten: Vor 40 Jahren erhielten die Häuser eine Dämmung und vor 20 Jahren wurden Balkontürme an die Südfassaden gestellt.

Hier gelang eine Kombination aus architektonischem Weiterbauen, baulicher Erneuerung und räumlicher Erweiterung. Die Eingriffe beinhalteten pragmatische Interventionen und punktuelle Restaurierungsarbeiten, mit denen der hochwertige Charakter der schlichten Baukörper gestärkt werden konnte.

Weitere Beiträge zum Thema «Immobilien und Energie» sind im gleichnamigen E-Dossier abrufbar.

2014 liess die Bauträgerin eine Machbarkeitsstudie vom Architekturbüro Rolf Schaffner ausarbeiten, mit dem Zweck, eine Aufwertung des Wohnstandorts mit dem Erhaltungsziel in Einklang zu bringen. 2018 startete die konkrete Bauplanung, die sich weniger um eine Ertüchtigung als um eine Erweiterung der Gebäudehülle sowie um das Wiederherstellen wertvoller Bausubstanz zu kümmern hatte. Dennoch war das Budget für den Umbau beschränkt: 6 Millionen Franken wurden als Investitionssumme reserviert, um das sozialverträgliche Mietpreisniveau beibehalten zu können.

Moderate Zinserhöhung

Die Sanierung sorgt für eine visuelle Vereinheitlichung der gegenüberliegenden Wohnblöcke: Gleich dimensionierte erkerartige Anbauten schaffen an den Längsseiten mehr Platz für jede einzelne Wohnung und erhöhen dank raumhoher Fenster auch die natürliche Belichtung. Eine 3.5-Zimmer-Wohnung ist neu 72 m2 anstatt 60 m2 gross. Und die Fläche der 4.5-Zimmer-Wohnung erweiterte sich von 75 m2 auf 87 m2. Zwar stiegen auch die Mieten, doch ist das Preisniveau mit 1500 respektive 1900 Franken pro Monat weiterhin moderat. Nach der Erneuerung zog über die Hälfte der Mietparteien wieder ein.

Dass die Denkmalpflege derart sichtbare Veränderungen erlaubte, mag überraschen. Doch sie anerkannte den schlüssigen Ansatz zum Weiterbauen im Bestand: Die massiven Nordfassaden waren zuvor mit Holzfeldern versehen, an deren Stelle sich nun die Wohnerker befinden. Zur Vereinheitlichung des Siedlungsbilds trägt ebenso bei, dass sich die Balkone an den Südfassaden dank aufgefrischter Geländer den neuen Erkern vis-à-vis gestalterisch anpassen. «Hierbei zeigt sich beispielhaft, wie die denkmalpflegerischen Möglichkeiten optimal ausgeschöpft werden können, wenn Bauherrschaft, Architekt und Behörde einen konstruktiven Dialog pflegen», bestätigt Rolf Schaffner.

Retuschen am Wohnungsgrundriss

Auch im Aussenraum kam eine Aufwertungsidee zum Zug: Neue Velounterstände bilden gemeinsam mit den Hauszeilen eine hofartige Klammer um den grünen Zwischenraum. Die Mitte wirkt nun offener und wird wie bis anhin von einem fast 100 Jahre alten Mammutbaum markiert.

Im Innern der Gebäude verbesserten sich die Wohnqualitäten funktional und ästhetisch. Die kammerartigen Grundrisse wurden erweitert und leicht retuschiert: Eine Schiebetür verbindet neuerdings Küche und Wohnraum, was eine durchgehende Lichtachse freigibt. In den grossen Wohnungen fanden sich Nischen für ein Zusatz-WC. Das Rückführen in die Originalsubstanz konzentrierte sich derweil auf Sprossenfenster, Eingangstüren und vor allem die Treppenhäuser. Mit viel Hand- und Schleifarbeit wurde deren Ausstattung hochwertig restauriert. Dezente farbliche Akzente untermalen den Gebäudeerhalt: Der Braunton der neuen Erker orientiert sich an den Ursprungsfassaden mit ihren partiellen Holzverkleidungen.

Fernwärmeanschluss vorbereitet

Seiner Vervollständigung harrt noch das Energiekonzept. Der Heizwärmebedarf der 90 Jahre alten Wohnhäuser wurde bereits reduziert. Die Dämmwerte der Anbauten liegen bei 0.15 W/m2K, was deutlich unter den Mindestvorgaben für eine Gebäudeerneuerung liegt. Was fehlt, ist der Anschluss an das lokale Fernwärmenetz, um die bestehende Gasheizung ausser Betrieb nehmen zu können. Spätestens nächstes Jahr sollen beide Wohnhäuser wie das gesamte Gartenstadtquartier mit Fernwärme aus dem nahen Zugersee versorgt werden.

Zwei Wohnhäuser, Zug

 

Bauherrschaft
Heimstätte, Zug

 

Architektur
Rolf Schaffner, Zürich

 

Fachplaner
RSP Bauphysik, Luzern

 

Baujahr
1931–1932

 

Erneuerung
2020–2021

 

Schutzstatus
nach Erneuerung geschützt

Mit Unterstützung von energieschweiz und Wüest Partner sind bei espazium – Der Verlag für Baukultur folgende Sonderhefte erschienen:

Nr. 1/2018 «Immobilien und Energie: Strategien im Gebäudebestand – Kompass für institutionelle Investoren»

Nr. 2/2019 «Immobilien und Energie: Strategien der Vernetzung»


Nr. 3/2020 «Immobilien und Energie: Strategien der Transformation»


Nr. 4/2021 «Immobilien und Energie: Mit Elektromobilität auf gemeinsamen Pfaden»

Nr. 5/2022 «Immobilien und Energie: Strategien des Eigengebrauchs»

 

Nr. 6/2023 «Immobilien und Energie: Wertschätzung für das Bestehende»


Die Artikel sind im E-Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

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