Ge­schie­be­haus­halt in Fliess­ge­wäs­sern

Mitte Juni 2011 fand eine Fachtagung zum Thema «Geschiebehaushalt in Fliessgewässern» statt, die von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und der Schweizerischen Gesellschaft für Hydrologie und Limnologie (SGHL) organisiert wurde. Sie vermittelte Hintergrundwissen und Strategien zur Umsetzung des Anfang 2011 in Kraft getreten revidierten Gewässerschutzgesetzes.

Publikationsdatum
11-01-2012
Revision
01-09-2015
Dieter Rickenmann
Forschungsanstalt für Wald, Siedlung und Landschaft (WSL), Universität für Bodenkultur, Wien

Das geänderte Gewässerschutzgesetz verpflichtet die Kantone, negative Auswirkungen der Wasserkraftnutzung, wozu auch die Beeinträchtigung des Geschiebehaushalts gehört, zu beseitigen und somit günstige Voraussetzungen für artenreiche Lebensräume zu schaffen. Der Geschiebetransport in Gewässern spielt eine zentrale Rolle bei der Formung und Entwicklung des Gewässerbettes und der Flussmorphologie sowie für Flora und Fauna. Er birgt jedoch auch Risiken: Eine Ablagerung von Geschiebe im Flussbett kann zu einer Auflandung führen und somit eine Gefahr bei Hochwasser darstellen. Ebenso kann bei einer Überschwemmung mitgeführtes Geschiebe zu grossen Schäden führen. Aus diesen Gründen wurden schon im 19. Jahrhundert erste Wildbachverbauungen zum Zweck der Geschiebe-kontrolle realisiert. In einem Tagungsbeitrag wurde am Beispiel der Donau demonstriert, dass je nach Streckenabschnitt ein Geschiebe-überschuss oder -defizit vorhanden ist. Bei einem Defizit besteht die Gefahr einer Sohleintiefung, was zu einem Verlust des Kiesbettes in wenigen Jahrzehnten führen kann. Mögliche Folgen davon sind unter anderem Sohldurchschlag, Absenken des Grundwasserspiegels, Verminderung der Hochwassersicherheit durch Unterspülung von Uferverbauungen und Verlust von Lebensräumen. Vor allem in grossen Gewässern im Schweizer Mittelland ist der natürliche Geschiebetransport durch Uferverbauungen, Kraftwerke, Geschiebesammler und Kiesentnahmen stark beeinträchtigt, was zu einem Geschiebedefizit führt. In mehreren Tagungsbeiträgen wurden Massnahmen zur Reaktivierung des Geschiebehaushalts erläutert. Es hat sich gezeigt, dass Sanierungsmassnahmen wie Kiesschüttungen auch positive Auswirkungen auf die Vielfalt und Entwicklung von Flora und Fauna haben können. Viele Pflanzen- und Tierarten sind sowohl auf kiesiges Substrat wie auch auf eine Vernetzung der Lebensräume entlang des Gewässers angewiesen, da Barrieren zu einer geringeren genetischen Vermischung führen. Zudem ist eine wechselnde Flussdynamik wichtig, da diese eine Vielfalt an Lebensräumen generiert, was wiederum zu einer grösseren Artenvielfalt führt.

Berechnung und Messung

In mehreren Vorträgen wurden Methoden zur Berechnung und Messung von Geschiebefrachten erläutert. Konventionelle Formeln überschätzen die transportierten Geschiebefrachten bei steileren Gerinnen, weil sie auf Laborversuchen unter vereinfachten Bedingungen basieren. Dabei ist es schwierig, die breite Korngrössenverteilung zu berücksichtigen und zwischen stark und kaum mobilen Sedimenten zu unterscheiden. In der Regel sind genaue Messungen in Gebirgsflüssen und Wildbächen vor allem bei hohen Abflussintensitäten kaum vorhanden. Eine Verbesserung der Berechnungen wird beispielsweise durch Berücksichtigung von zusätzlichen Energieverlusten erreicht, die wegen des hohen Fliesswiderstands in steilen Gerinnen mit geringen Abflusstiefen entstehen. Gemessen werden kann der Geschiebetransport mittels Rückhaltebecken, Tracersteinen, Geschiebefangkörben oder mit indirekten Methoden. Bei der indirekten Geophon-Methodik werden Vibrationen des Sensors an der Bachsohle aufgezeichnet, die durch transportiertes Geschiebe ausgelöst werden). Die Vorteile dieser Methodik liegen in der Robustheit, der geringen Störanfälligkeit und dem kleinen Wartungsaufwand. Es kann kontinuierlich und zeitlich hoch aufgelöst gemessen werden, was Aussagen über die Transportintensität ermöglicht. Allerdings sind eine individuelle Kalibrierung und die Installation an einem befestigten Querschnitt nötig. Schliesslich wurde gezeigt, dass bei der Planung etwa von Schutz- oder Revitalisierungsmassnahmen Kosten und Machbarkeit ­verschiedener Varianten mit numerischen Modellen untersucht werden können. Diese ­dienen als Unterstützung bei Entscheidungen, Optimierungen, Abstimmungen der verschiedenen Interessen und zur Versachlichung der Diskussion.

Literatur
Abstracts und Folien zu den Vorträgen, Tagungsrapport: http://www.wsl.ch/dienstleistungen/veranstaltungen/veranstaltungskalender/geschiebetransport/index DE

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