Fort­schritt durch Schön­heit

Zum 150. Geburtstag von Josef Hoffmann organisierte das Museum für Angewandte Kunst MAK in Wien nicht nur eine Werkschau, sondern veröffentlichte auch einen Katalog, der die letzten Wissenslücken über den österreichischen Architekten und Designer schliesst. In dem Handbuch, das seine sechs Jahrzehnte aktiven Schaffens umspannt, ist sein Lebenswerk durch etliche Abbildungen veranschaulicht sowie durch über vierzig pointierte Essays.

Publikationsdatum
21-02-2023

Als Mitbegründer des Künstlerbunds Secession, der Wiener Werkstätten (WW), des österreichischen und des deutschen Werkbunds sowie als Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule übte Hoffmann vielerorts Einfluss auf die Reformbewegung von der Tradition zur Moderne aus. Dennoch blieb er innerhalb der Wiener Kreise, die von grossen Freidenkern wie Gustav Klimt, Robert Musil oder Arnold Schönberg geprägt waren, eine Randgestalt.

Der unbedingte Glauben an eine Verbesserung der Gesellschaft durch die Verankerung von Schönheit in der alltäglichen Umgebung trieb Josef Hoffmann an. Seine ersten Entwürfe sind noch den Idealen des Jugendstils verpflichtet. Von der Betonung des individuellen Ausdrucks als Basis allen künstlerischen Denkens machte er sich auch später nicht frei, was ihm lange Jahre zum Vorwurf gemacht wurde. Während sich um ihn herum die Tendenz zur Vereinfachung und Massenproduktion ausbreitete, stand er für das handwerklich qualitätvolle, lokal produzierte Objekt. Als Alternative zu den radikaleren Maximen des Bauhauses schuf er mit den Wiener Werkstätten eine Manufaktur, deren Möbel und Objekte durchaus ihre Liebhaber fanden – allerdings zu einem Preis, der für breite Bevölkerungsschichten unbezahlbar war.

Im ständigen Konflikt mit grundsätzlich ähnlich denkenden, aber sozial verantwortungsvoller handelnden Kolleginnen und Kollegen, als deren strengster Vertreter Adolf Loos zu nennen ist, stand er als Direktor der WW immer wieder in der Kritik. Mehr als einmal drohte die Insolvenz, bis die Werkstätten 1931 wirklich schliessen mussten und Josef Hoffmann als gescheitert galt. Einzelne Objekte werden aber auch heute noch produziert. Besonders die geometrisch ornamentalen Entwürfe seiner Glas- und Silberwaren, zu denen sich wunderschöne Zeichnungen im Buch finden, erscheinen auch heute noch aussergewöhnlich stimmig.

Als Architekt fand er parallel immer wieder wohlhabende Auftraggeber, für die er rundum ausgestattete Villen schuf. Das Sanatorium in Purkersdorf bei Wien (1904) erfährt im Buch eine besondere Würdigung, denn es stellt einen Wendepunkt in Hoffmanns Werk dar.  Um für die ideale Genesung der Patienten eine beruhigende Atmosphäre zu schaffen, verzichtete Josef Hoffmann auf eine ornamentreiche Innenausstattung. Stattdessen konzentrierte er sich auf wenige geometrische Formen, die sich mit der Architektur verbanden. Die Innenräume sind schlicht und hell. Hier kam er dem Ideal einer Gestaltung, die die Konstruktion des Hauses abbildet, nah und reihte sich in die Avantgarde des Neuen Bauens ein.

Noch grössere Beachtung fand wenig später der Bau des Palais Stoclet in Brüssel (1905–1911). Diesmal stand aber nicht die formale Reduktion im Fokus, sondern im Gegenteil die künstlerische Durchdringung des Baukörpers, zu der massgeblich ein prachtvoller Friess seines Freunds Gustav Klimt beitrug. Den Aspekten der architektonischen Ausformung und der Ausstattung ist im vorliegenden Buch jeweils ein eigenes Essay gewidmet. Der Bau verhalf Josef Hoffmann zu internationaler Anerkennung. Immer noch vom Willen nach Innovation getrieben, entwickelte er mit der Stahlbaufirma Vogel & Noot 1928 den Prototyp eines Fertigteilhauses, das auf Bauausstellungen gezeigt wurde, aber keine besondere Beachtung fand.

Während des Zweiten Weltkriegs hangelte sich Josef Hoffmann mit Privatraufträgen und einzelnen staatlichen Bauaufgaben durch, die er erhielt, da er auf eine ablehnende politische Stellungnahme verzichtete. Sei es mangels Anerkennung, sei es seinem Alter geschuldet, bekam er anschliessend kaum mehr Bauaufträge und wandte sich dem Kunsthandwerk zu. Einladungen, sich an so bedeutenden Jurys und Veranstaltungen wie der Biennale von Venedig zu beteiligen deuten auf die spätere Rehabilitation als Vertreter der Wiener Moderne hin.

In seiner Komplexität eignet sich das Buch als Nachschlagwerk. Selbst zu bisher wenig beachteten Arbeitsfeldern Josef Hoffmanns wie der Gartengestaltung oder dem Stoffdesign finden sich Dokumente. Von der zeitgenössischen Fotografie geht ein eigener Zauber aus, sie vermittelt einen guten Eindruck der angestrebten Ideale. Die Kapitel sind chronologisch geordnet und mit jeweils einem Essay verbunden, der einen künstlerischen Aspekt oder ein Hauptwerk des entsprechenden Zeitabschnitts untersucht.

Hinweis: Unbedingt zu empfehlen ist auch das Onlinearchiv des MAK in Wien, in dem sich über 11'000 Abbildungen zu Josef Hoffmanns Werk finden.

https://sammlung.mak.at

Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Rainald Franz, Christian Witt-Dörring (Hrsg.): Josef Hoffmann 1870–1956: Fortschritt durch Schönheit. Das Handbuch zum Werk. Birkhäuser Verlag, Basel 2021. 465 Seiten, 480 farbige und 310 sw-Abb., 24 × 31.5 cm, gebunden, ISBN 978-3-0356-2295-9, Fr. 89.–

 

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