Er­höh­te Kli­ma­las­ten beim 3-fach-Iso­lier­glas

DIN-Norm und WIrklichkeit

Angesichts erhöhter klimatischer Anforderungen gelten Mehrscheiben-Isolierverglasungen als Standardprodukt. Doch eine Studie der HSLU belegt: Die Glasspannungen, die durch den «Isolierglas-Effekt» entstehen, werden bei der Bemessung oft unterschätzt.

Publikationsdatum
11-09-2015
Revision
22-11-2015
Thomas Wüest
Kompetenzzentrum für Fassaden­ und Metallbau der Hochschule Luzern
Andreas Luible
Prof. Dr. sc. techn. EPFL, Horw, Präsident Normenkommission SIA 268

Die Bemessung und Konstruktion von Isolierverglasungen (ISO) erfolgt heute nach deutscher Norm1, die bei 3-fach-ISO mit Vorsicht zu handhaben ist. Dort sind die Klimalasten erfasst, denen die Glasscheiben infolge Temperaturdifferenzen zwischen dem Scheibenzwischenraum (SZR) und der Umgebung ausgesetzt sind. Dieser Effekt ist seit Längerem bekannt und im üblichen Fall einer 2-fach-ISO auch zuverlässig berücksichtigt. Bei der 3-fach-ISO sind die Auswirkungen viel stärker. Um diesen Fall rechnerisch abzuhandeln, wird fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sich beide SZR wie ein einziger zusammenhängender Zwischenraum verhalten.

Doch diese Annahme unterschätzt die tatsächlichen Klimalasten, weil der Einfluss der Mittelscheibe auf den Energiehaushalt des Isolierglases vernachlässigt wird: Nicht nur die Aussenscheibe, sondern auch die durch Sonnenenergie erwärmte Mittelscheibe erhöht die Temperatur der angrenzenden Gase des Scheibenzwischenraums. Auf diese Abweichung zwischen den Richtlinien und dem realen Verhalten wurde in der Fachliteratur bereits mehrfach hingewiesen2, in den Normen wird sie aber bisher nicht quantifiziert. Die HSLU hat nun anhand von eigens entwickelten iterativen Berechnungsmodellen und Parameterstudien diese Abweichungen rechnerisch erfasst. Die grössten Abweichungen treten bei asymmetrischen Glasaufbauten, sommerlichen Klimalasten und Dachverglasungen auf.

Eine unreflektierte Umsetzung der DIN-Norm kann in gewissen Fällen sogar dazu führen, dass die Sicherheitsfaktoren auf Lastseite aufgebraucht werden. Reklamationen bei 3-fach-Isolierverglasungen sind somit nur eine Frage der Zeit. Die Bemessung der Aussenscheiben muss dem tatsächlichen Aufbau und der Einbausituation Rechnung tragen sowie plausible Temperaturwerte berücksichtigen.

Anmerkungen

1 DIN 18008: Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln.
2 Vgl. «Was nicht in der DIN 18008 steht», Glaswelt 05.2015; «Kräfte aus dem Lot», Glaswelt 06.2015; «Was tun bei speziellen Einbaubedingungen?», Glaswelt 07.2015.

 

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