Der Kreis­lauf be­ginnt beim Re­gen­was­ser

Niederschläge sollen nicht einfach ins Abwassersystem eingeleitet werden. Umsichtiger ist die Versickerung vor Ort. Bei frühzeitiger Planung lässt sich das Wasserregime einfach in die Umgebungsgestaltung integrieren.

Publikationsdatum
29-07-2019
Reto Flury
Leiter Siedlungsentwässerung Holinger Bern; im Auftrag des Verbands Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute VSA

Begrünte Kiesflächen und Schotterrasen sind besser als ihr Ruf, vor allem dort, wo sie keine blühenden Vorgärten verdrängen, sondern eine ver­siegelte Fläche ersetzen. Damit Siedlungsareale den natürlichen Wasserkreislauf nicht unnötig unter­brechen, sollte möglichst viel unverschmutztes Regenwasser versickern können. Dies ist dem Ableiten in Abwasserkanäle vorzuziehen, wobei das Gewässerschutzgesetz Letzteres eigentlich auch nicht will.

Zwar können beim Versickern allfällige Schmutzstoffe in den Boden gelangen, aber dessen Filterkapazität schützt das Grundwasser wirksam vor Verunreinigungen. Im Vergleich zur technischen Abwasserreinigung ist das ein wesentlich günstigeres Ver­fahren. Ausserdem wird dadurch die Kanalisation entlastet und einer Überflutung vorgebeugt.

An Standorten für neue Überbauungen oder bei einer Aufwertung des Aussenraums sind deshalb möglichst viele Flächen durchlässig zu halten. Um auf die Dringlichkeit dieses Anliegens hinzuweisen, haben die beiden ­Bau- und Planungsfachorgane KBOB und VSA die gemeinsame Empfehlung «Versickerung und Retention von Niederschlagswasser im Liegenschaftsbereich» herausgegeben (vgl. Kasten). Sie knüpft dort an, wo die Bewilligungsbehörde auf das Einhalten des kommunalen Entwässerungsplans GEP hinweist, und zeigt weitere fachspezifische Abklärungen zu Hydrogeologie, Bodenkunde oder nachbarrechtlichen Aspekten auf.

Bemerkenswert daran ist, wie häufig auch eine gestalterische Perspektive berücksichtigt werden kann. Nicht nur bei grossflächigen Bauvorhaben, sondern auch bei beschränktem Platzan­gebot lassen sich Flächen für ein ungehindertes Versickern von Regenwasser finden und in die Architektur des Aussenraums einbinden. Als akzentuierte Variante für die Versickerung und Retention von Niederschlag steht zum Beispiel ein Biotop oder eine vergleichbare ständige Wasserfläche zur Verfügung.

Daraus ergeben sich Zusatzeffekte: mehr Vielfalt im Aussenraum sowie eine Verbesserung des Mikroklimas, was angesichts drohender Hitzewellen willkommen ist. Als gute Lösung mit Mehrwert empfohlen wird auch die Begrünung von Flachdächern: Dadurch verzögert und verringert sich der Abfluss; gleichzeitig wird mehr Wasser verdunstet. Und nicht zuletzt lassen sich solche Dächer vielfältig und naturnah bepflanzen.

Minimale Gestaltungsmassnahmen sind derweil Parkierungsflächen mit durchlässigem Kunst­steinbelag, Ablaufrinnen oder multifunktionale Mulden. Sie stehen den Anwohnern zum Verweilen oder Spielen offen, dienen aber im Bedarfsfall der Versickerung und einem Wasserrückstau.

Mangelt es allerdings an freien Verkehrs- und Aufenthalts­flächen, helfen oberflächliche Ver­sickerungsanlagen weiter. Solche Anlagen zeichnen sich durch einen Überlauf aus, der bei Starkregen anspringt und direkt an die Terrainoberfläche mündet.

Die Qualität eines Versickerungskonzepts hängt wesentlich davon ab, wie gut seine Planung und die Umsetzung in das Gesamtprojekt integriert werden können. Damit sich Bauherrschaften, Arealentwickler und Landschaftsarchitekten einen frühzeitigen Überblick über die Möglichkeiten und An­forderungen verschaffen können, sind die nun aktualisierten Emp­fehlungen zu beachten. Sie sollen eine gesetzeskonforme und sachgerechte Bewirtschaftung von Niederschlagswasser im Liegenschafts­bereich ermöglichen.

Zusatz zur Richtlinie

Die Empfehlung zur «Versickerung und Retention von Niederschlagswasser im Liegenschaftsbereich» ist Bestandteil der neuen Richtlinie «Abwasser­bewirtschaftung bei Regenwetter» des Verbands Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute VSA. Mitherausgeberin der Empfehlung ist die ­Ko­ordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren KBOB.


Die Empfehlung erläutert, inwiefern weitergehende Abklärungen durch Fachpersonen wie Boden- und Gewässerspezialisten erforderlich sind. Eine Konkretisierung, etwa zur Dimensionierung von Versickerungsanlagen oder zur Vorreinigung des Regenwassers, enthält die ebenfalls aktualisierte VSA-­Richtlinie «Abwasserbewirtschaftung bei Regenwetter».

Verwandte Beiträge