Clau­de-Ni­co­las Le­doux: Ar­chi­tek­tur und Uto­pie

Publikationsdatum
22-02-2022

Der grosse Utopist Claude-Nicolas Ledoux ist vor allem für den Bau der Saline Royal in Arc-et-Senans (1773–1779) – gleichzeitig Prachtbau und neu gedachte Fabrik – bekannt, die er als Verantwortlicher für den Bau von Lagerhäusern und Verwaltungsbauten im Ancien Régime schuf. Es folgte eine Vielzahl kolossaler Bauten für Theater, Gerichte und ähnlich staatstragende Institutionen.

Im Gegensatz zu vergleichbar gefeierten Architekten konnte Ledoux nach der Revolution 1789 nicht an sein Werk anschlies­sen: Mit dem Bau von über 60 Zollhäusern als Teil der Mauer um Paris, der «Ferrier généraux», hatte er sich zu weit von den nun vorherrschenden Ideen der Aufklärung entfernt. Die Umgrenzung der Stadt, die ihn als ordnendes System mit Wirkung auf die Verkehrsströme interessierte, galt den Bürgern inhaltlich wie auch baulich als unangemessenes Aufbäumen der bereits wankenden Staatsmacht. Unter der neuen Regierung musste er sein Atelier schlies­sen und wurde sogar verhaftet. Dabei belegen seine Schriften, dass er theoretisch gar nicht so rückwärts gewandt war.

Obwohl sich sein architektonischer Ausdruck auf die Antike bezieht, standen ihm Freidenker wie Diderot oder Rousseau mit seinen Vorstellungen von einer Hinwendung zur Natur nah. Ledoux betrachtete die geometrischen Grundformen der Architektur als Teil dieser ursprünglichen Umgebung. In den letzten 20 Jahren seines Lebens, die er in bitterer Armut zubrachte, legte er ein sechsbändiges Werk an, von dem er aber nur noch den ersten fertigstellen konnte. Zuerst wollte er darin mithilfe von Stichen und Briefwechseln sein Werk verewigen. Nachdem er dafür aber keine Unterstützung fand, setzte er auf eine «Abhandlung über die Wirkung von Kunst und Architektur auf die Sinne», ganz im Geist des zeitgenössischen Interesses an Psychologie und Ästhetik.

Mit Blick in diese Gedankenwelten versucht der Autor eine Neueinordnung von Ledoux als Vorläufer einer Moderne plausibel zu machen. Die vorliegende Publikation geht auf einen Ursprungstext von 1987 zurück, dem seither einige neue Kapitel und Interpretationen hinzugefügt wurden. Es ist durchaus spannend, die Wirkung der monumentalen und utopischen Bauten auf nachfolgende Architekturströmungen und Künstlergruppen wie die der russischen Konstruktivisten oder der Surrealisten zu betrachten. In der Architektur ist  äusserlich die pikto­gramm­artige Verwendung des geometrischen Formenvokabulars von Interesse, wie es in den Machtbauten des Dritten Reichs und später in anderer Bedeutung in der Postmoderne der 1980er-Jahre wieder aufschien. Heute erscheint aber vor allem sein Ideal von der sozialen Stadt, von der Verquickung von Arbeits- und Wohnwelten als bemerkenswert.

Anthony Vidler: Claude-Nicolas Ledoux. Architektur und Utopie im Zeitalter der Französischen Revolution. Birkhäuser Verlag, Basel 2021. 184 Seiten, 48 farbige und 94 SW-Abb., gebunden 22 × 24,5 cm, 2. und erweiterte Ausgabe, ISBN X978-3-0356-2079-5, 52.90 Fr.

 

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