Bo­den­stän­dig mit Zu­kunft

Böden prägen sowohl das Aussehen und die Akustik und damit die Atmosphäre von Räumen. Molliger Teppich verleiht Wohnräumen einen intimen Touch, Parkett passt zu Arbeitsräumen so gut wie zum Wohnen, Steinplatten und Keramik sind an stark frequentierten Orten zweckmässig. So passte der Titel des Symposiums an der Suisse Floor 2015 «Der Boden – zwischen Ästhetik und Funktion» präzise zum Thema.

Publikationsdatum
23-04-2015
Revision
27-12-2018

«Der Asphalt auf dem Vorplatz klingt ganz anders als der geschliffene Betonboden der Messehallen und dieser wiederum anders als beim Begehen der Treppen.» Mit diesem Hinweis auf direkt Erfahrbares führte Köbi Gantenbein, Chefredaktor der Zeitschrift Hochparterre, in den Anlass ein. Der Wandel bei Böden und Bodenbelägen, das Restaurieren antiker Böden, Bauen mit Böden und ungewöhnliches Gestalten waren die vier fachlich anspruchsvollen und auch ansprechenden Themen des gut besuchten Symposiums.

Balance zwischen Masse und Individualität

Der Trend weg vom seriellen Massenprodukt zum individuellen Produkt sei weltweit feststellbar, führte die Designerin und Trendforscherin Sandra Baan aus Holland aus. Sie zeigte sich überzeugt, dass ein ökologisch angepasstes Verhalten zunehmend zu nachhaltig wirksamen Produktionsprozessen und entsprechenden Produkten führe. Dies nicht allein deshalb, weil sich die Menschen das so wünschen, sondern weil uns letztlich gar nichts anderes übrig bleibe.

Für die Böden und ihre Gestaltung sieht sie flexible und modulare Lösungen kommen, authentisch wirkende Materialien die im Wohnbereich «soft und gemütlich» wirken. Baan plädierte für Materialien mit unverwechselbarem Charakter, so wie es Holzböden sein können. Die neuen Kommunikationsformen seien zudem dazu geeignet, die Interaktion zwischen Entwerfern, Produzenten und Kunden zu fördern um individualisierte Produkte zu ermöglichen.

Balance zwischen Historie und heutigen Ansprüchen

Wie alte Materialien in neuem Glanz erscheinen können und worauf es bei Restaurierungen ankommt, erläuterte Fredi Altherr, Denkmalpfleger des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Dabei sind Details entscheidend. Er zeigte Beispiele von Bauerneuerungen in historischen Gebäuden und demonstrierte eindrücklich, wie heutige Ansprüche auch mit traditionellen Materialien zu finden sind.

Altherr sprach von der ehedem gepflegten Kunst des Fügens und plädierte dafür, von tradierten Systemen zu lernen und sie sich zunutze zu machen. Das gelte auch für Oberflächenbehandlungen, denn statt versiegelten Böden sind Öl- und Wachsauftrag ein den historischen Räumen angemessenes Verfahren, und je nach Gebrauch könne auch das Imprägnieren mit Seifenlauge Holzböden dauerhaft schützen.

Technik und Funktion

Architekt Daniel Ladner vom Büro Bearth & Deplazes (Chur/Zürich) demonstrierte an zwei Beispielen, wie architektonische Gestaltung, technische Planung und eine sorgfältige Wahl der Materialien bestimmend sind für ein dauerhaft überzeugendes Resultat. So wurde beim Neubau für den Hauptsitz der Krankenkasse ÖKK in Landquart das grosse Bürohaus mit Böden aus Quarzitplatten belegt, die im Bergell abgebaut und zugeschnitten wurden. Die fast fugenlos verlegten Platten erzeugen eine ruhige und homogene Wirkung.

Im Hallenbad St. Moritz kamen diverse Materialien für die Böden zum Einsatz. Die im Badebereich verwendeten Silberquarzitböden wirken hier kühl und sauber. Die im Ruhebereich mit Nut und Kamm verlegten, gelaugten und weiss geölten, 139 mm breiten massiven Eschenriemen erschienen optisch entsprechend, wirken aber haptisch warm und strahlen wohltuende Ruhe aus.

Erscheinung und Orientierung

Jeanet Hönig verfolgt als Künstlerin eine einmalige und erfolgreiche Idee. Sie malt auf Leinwänden, wirkt zudem als Gestalterin einzigartiger und individueller Böden. Diese Floor-Kunstwerke von oft mehreren hundert Quadratmetern in Hotels, Büros oder Einkaufszentren «malt» sie mit einer Giesskanne. Das Material ist Polyurethan (PU), ein Zweikomponenten-Giessharz. Das einmal gegossene Muster kann nicht korrigiert werden, was höchste Konzentration bei dieser Arbeit verlangt.

Es geht Jeanet Hönig dabei nicht um beliebige Dekoration. Vielmehr hat sie auch die Funktion ihrer Gestaltungen im Auge und setzt diese ein für räumliche Orientierung  oder funktionale Organisation grosser Flächen. Hönig arbeitet seit rund zwanzig Jahren weltweit an derartigen Projekten und sucht stets die Verbindung zwischen der Architektur und den Bedürfnissen der Nutzer.  Der Funktion des Bodens in Bezug zur Raumnutzung soll betont und verstärkt werden und im Rahmen der Architektur an Bedeutung gewinnen. Oft geht sie auf Ideen der Auftraggeber ein um diese zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zu entwickeln.

Balance mit Klang

Die Präsentationen waren sinnreich begleitet von getanzten Klangskulpturen der Musikerin und Tänzerin Ania Losinger auf dem Klangboden «Xala», das einzige Instrument, auf dem man tanzen kann. Diese «Xala», eine Eigenentwicklung, realisiert mit dem Kunsthandwerker Hamper Niederhäuser besteht aus einzelnen, hölzernen Klangkörpern, die von der Tänzerin mit ihren Flamencoschuhen und mit Stöcken zum Klingen gebracht werden.

Köbi Gantenbein konnte die «lieben Bodenfreundinnen und Freunde» wie er das Publikum nannte, versehen mit anregenden Informationen und Eindrücken entlassen. Das Bodensymposium hat die Balance zwischen Kunst, Architektur, Denkmalpflege und Zukunftsvisionen gefunden.

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