Ver­schwo­re­ne Ge­mein­schaft

Kolumne

Publikationsdatum
26-06-2014
Revision
10-11-2015

Kurz bevor die neuen Bewohner einziehen, pflegt die Bauherrschaft zu einem Tag der offenen Tür einzuladen. Statt immer nur die Baustelle zu betrachten, dürfen die Zaungäste nun auch einen Blick in das fertige Haus werfen. Die Neugierde ist gross, der Andrang enorm. Mit der Bratwurst in der Hand verkünden die Besucher, was man besser hätte machen können.

Ganz anders die Architektenführungen: Da zeigen die Büros ihren Berufskollegen die Frucht ihrer Arbeit. Die Eingeweihten teilen die Geheimnisse des Bauens untereinander und besprechen Tricks und Kniffe am lebenden Objekt. Kritische Einwände werden wie im Seminar erörtert. 

Die Begehungen beweisen, was man schon als Student geahnt hatte: Das Wissen über die Architektur ist nur ein geliehenes. Generationen von Architekten haben in Fleissarbeit an der Baukultur gefeilt, und ein jeder hat sein Scherflein dazu beigetragen. Die eigene Erkenntnis ist der Zins, der für dieses Wissen anfällt. Sie zu verbreiten ist eine Grundfeste des Berufs – unter anderem bei den Führungen für die Kolleginnen und Kollegen.

Das verbindet. Und so fühlt man sich wohlig als Teil einer verschworenen Gemeinschaft. Ein bisschen wie bei den Freimaurern. Bloss in blauen Schuhüberziehern.

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