Stol­ze Schaum­schlä­ger

Publikationsdatum
21-09-2017
Revision
21-09-2017

Seit jeher verspürt der Mensch den Drang, seine Behausung zu markieren. Im Nebel der prähistorischen Zeit drückten unsere Vorfahren ihre blutverschmierten Hände an die Wand ihrer Kavernen und hinterliessen Spuren, die uns bis heute faszinieren. Die stolzen Werkmeister des 13. Jahrhunderts verewigten sich in den gotischen Kathedralen mit Steinmetzzeichen; denn sie sahen sich, der Ideenlehre des Thomas von Aquin folgend, als Erschaffer nach dem Vorbild Gottes, des ewigen Schöpfers. Auf Brücken, Brunnen, Stadthäusern und Bauernhöfen aller Epochen prangen, wenn nicht die Initialen ihrer Erbauer, so doch wenigstens das Baujahr, ein grafisches Symbol oder eine Lebensweisheit. Es gibt immer etwas, das man der Nachwelt keinesfalls vorenthalten will.
Dieser Drang ist unwiderstehlich, selbst in der heutigen Hochblüte der anonymen Investorenarchitektur. Nicht einmal die unterbezahlten Akkordarbeiter von obskuren Subunternehmen sind davor gefeit. Nur verwenden sie statt Stein und Blattgold eben das, was heute auf Baustellen herumliegt – zum Beispiel PUR-Montageschaum. Was beweist, dass die Kulturpessimisten doppelt irren: Der Handwerkerstolz ist nicht verschwunden, und es gibt kein Material, das der Mensch nicht veredeln könnte. Über angeblichen Abschaum zu klagen ist verfehlt.

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