Geothermie - Beitrag der Erdwärme zur Schweizer Energiewende
Swissbau 2014
Tiefengeothermie ist eine unerschöpfliche, schadstofffreie Energiequelle. Trotzdem gibt es erst vereinzelte Ansätze für ihre technische Nutzung. Bereits erfolgreich in Betrieb ist eine Anlage in Bayern. Die Schweiz nimmt nach Startschwierigkeiten jetzt Fahrt auf, wie die Diskussion am Swissbau-Fachanlass «Geothermie - Beitrag der Erdwärme zur Schweizer Energiewende» zeigte.
Die oberflächennahe Geothermienutzung mit Bohrtiefen ab 20m bis wenige 100m ist mittlerweile Standard im schweizerischen und süddeutschen Bauwesen: Praktisch kein grösseres Wohn- oder Bürohaus wird mehr ohne Erdwärmenutzung gebaut, dies gilt ebenso für Industrieanlagen.
Ganz anders verhält es sich hingegen bei der Tiefengeothermie, die aus 4000 bis 5000m Tiefe über 100° C heisses Wasser fördert: Obwohl das Potenzial dieser Energiequelle im Verhältnis zum effektiven Bedarf praktisch unerschöpflich ist, sind der Aufwand und die technischen Herausforderungen für ihre Nutzung noch so gross, dass sich die konkreten technischen Anwendungen praktisch an einer Hand abzählen lassen.
Projekte in der Schweiz
Konkret wird das technische Potenzial der tiefengeothermischen Stromproduktion in der Schweiz auf 80.000 TWh veranschlagt, wie Peter Meier, CEO Geo-Energie Suisse AG, in seiner einleitenden Präsentation darlegte. Davon möchte der Bundesrat in einer ersten Phase bis etwa 2020 ganze 4.4 TWh nutzen.
Die Geo-Energie Suisse AG plant Projekte an den geologisch geeigneten und wenig erdbebengefährdeteten Standorten Avenches (VD), Haute-Sorne (JU), Pfaffnau / Triengen (LU) und Etzwilen (TG). Dieses Konzept ist nach den Erdbebenereignissen in St. Gallen und Basel nochmals im Hinblick auf minimales Erschütterungsrisiko und maximale Energiegewinnung überarbeitet und überprüft worden.
Der Realisierung am nächsten ist laut Meier das Projekt in Haute-Sorne (JU), für das bereits die Umweltverträglichkeitsprüfung und das Baugesuch eingereicht worden sind. Nach der behördlichen Prüfung 2014 sollen erste Bohrungen 2016 abgeteuft werden; wenn alles nach Plan abläuft, kann das Kraftwerk als Pilot- und Demontrationsprojekt mit einer elektrischen Leistung von 3 bis 5 MW und einer Fernwärmeleistung von mehr als 10 MW im Jahr 2020 den Betrieb aufnehmen.
Das ist noch Zukunftsmusik. Vorgestellt wurden auch drei bereits gestartete Projekte in unterschiedlichen Nutzungsstadien: ein erfolgreiches Projekt, das seit einigen Jahren in Betrieb ist, ein aktuelles Projekt, das nach einem unvorhergesehenen Marschhalt wieder durchstarten will, und - als warnendes Beispiel - ein als Folge eines Erdbebens endgültig gestopptes Projekt.
Bayrisches Paradebeispiel
Das erfolgreiche Projekt beliefert im bayerischen Unterhaching bereits seit 2007 aktuell 5700 Haushalte mit Fernwärme. «Und es funktioniert doch», darf Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching GmbH & Co KG, die ursprünglich zahlreichen Skeptiker heute Lügen strafen. Damit ist das Potenzial des lokalen bayrischen Untergrunds aber noch nicht ausgeschöpft. Künftig sollen 9000 Haushalte, praktisch die gesamte Gemeinde, mit Fernwärme versorgt werden.
Wenn die Nutzung der Geothermie im grösseren, regionalen Rahmen einmal Fuss gefasst hat, wird sich ihre Effizienz und Verfügbarkeit durch den Verbund mehrerer Anlagen weiter steigern lassen. Das zeigt exemplarisch der seit April 2013 bestehende regionale Verbund mit dem benachbarten, etwas jüngeren Geothermie-Heizwerk Laufzorn, der die Vorreiterrolle der Region rund um München begründet und zukünftig auch das engere Stadtgebiet umfassen wird.
Offener kommunizieren
Eine Pause einlegen musste hingegen das im März 2013 hoffnungsvoll gestartete Projekt der St. Galler Stadtwerke. Wie Projektleiter Michael Sonderegger erläuterte, traten im Juli Wasser und Gas aus dem Bohrloch aus, und in der Folge ereignete sich ein Erdbeben der Stärke 3.5.
Was in Basel das Aus für die Bohrung bedeutet hatte, konnte in St. Gallen das Vertrauen der Bevölkerung in die Geothermie aber nicht nachhaltig erschüttern wohl auch, weil anders als in Basel keine nennenswerten Schäden entstanden sind. Die St. Galler machen jetzt also weiter, unter leicht veränderten Vorzeichen: Zunächst werden im Februar 2014 die Produktivität der erschlossenen Wasser- und Gasvorkommen untersucht, bis der Fokus wieder auf die thermische Energiegewinnung gelegt wird.
Ob Wasser und Gas wirtschaftlich genutzt werden können, sollen weitere Studien bis Mitte 2014 zeigen. Die jüngsten Erfahrungen haben insbesondere auch gezeigt, dass die Weiterführung des St. Galler Projekts der offenen und klaren Kommunikation der Verantwortlichen und der Einbindung der Bevölkerung, auch in Phasen mit Rückschlägen, zu verdanken ist.
Im Nachhinein konnte auch Urs Steiner, Geschäftsleiter der EBL (Genossenschaft Elektra Baselland), mit Blick auf das gestoppte Basler Projekt bestätigen, dass eine offene Kommunikationsstrategie nach dem Erdbeben der Nutzung der Geothermie dienlicher gewesen wäre. So sei aber die Unterstützung in der Öffentlichkeit dahingeschmolzen, sodass in Basel wahrscheinlich kein Geothermieprojekt mehr realisiert werden kann.