Ver­dich­tung – le­bens­wert und ren­ta­bel?

Swissbau 2014

Eine hohe Dichte in grossen und auch kleinen Ansiedlungen hat Vorteile: Kurze Wege bedeuten weniger Zeit und Energie für den Individualverkehr, Naturraum wird als solcher bewahrt. Doch es gibt auch Widerstand. Bei der vierten und letzten Focus Arena an der Swissbau 2014 diskutierten Vertreter aus Politik und Baugewerbe die Frage: Verdichtung – lebenswert und rentabel?

Date de publication
24-01-2014
Revision
25-08-2015

Moderator Patrick Rohr stellt zunächst den inneren Kreis der Runde vor, wonach alle ihre ersten Statements zum Thema Verdichtung abgeben. Nationalrat und Bauunternehmer Philipp Müller stellt fest, dass sich die Bevölkerung ambivalent verhält: Zwar wird für Verdichtung abgestimmt, doch wer selbst betroffen ist, leistet Widerstand. 

Hans-Peter Wessels, Regierungsrat Kanton Basel-Stadt, sieht einen weiteren Gegensatz zwischen Land- und Stadtbevölkerung: Während Städter Landschaft als Erholungsraum betrachten, stellt sie für Menschen am Land Wohnraum dar. Daher liesse sich Verdichtung in der Stadt leichter umsetzen.

Auch der SIA-Geschäftsführer Hans-Georg Bächtold plädiert für mehr Stadt in der Stadt und eine Innenentwicklung. Der Städtewanderer Benedikt Loderer meint hingegen, man muss dort verdichten, wo es jetzt dünn ist. Ein eigenes Landgesetz sei nötig. Darüber hinaus handle es sich um ein Luxusproblem: «Wären wir ärmer, hätten wir das Problem nicht.»

Müller kontert, dass viele in die Stadt ziehen wollen, aber keine bezahlbare Wohnung finden. Bächtold greift den Gedanken auf, denn er weiss von Monopoly, dass Zürich ein teures Pflaster ist: «An vielen Orten etwas mehr», ist seine Devise. Statt auf Basel, Genf und Zürich zu fokussieren, müsse bei mittelgrossen Städten angesetzt werden. 

Frage der Qualität

Als Erste des äusseren Kreises bekommt die Stadtsoziologin Brigitte Wehrli-Schindler das Wort: Zürich habe Glück gehabt, dass es in Industriegebieten möglich war zu verdichten, ohne zu verdrängen. Sie sieht auch Potenzial in den umliegenden Agglomerationen. «Verdichtung heisst nicht mehr Gebäude, sondern mehr Urbanität.»

Die entsprechende Infrastruktur mit öffentlichem Verkehr und Einkaufsmöglichkeiten muss ortsspezifisch und nach einem partizipativen Prozess gebaut werden. Der in der Agglomeration Münchenstein lebende Gemeinderat Lukas Lauber denkt dabei auch an die ältere Bevölkerung. Am Weg zur Verdichtung muss die Lebenssituation der Bevölkerung beachtet werden.

Laut Patrick Schnorf, Geschäftsleiter von Wüest & Partner, benötigen die Einwohner der Agglomeration über die Argumente seiner Vorredner hinaus auch Wohnqualiät, Aussichtsqualität und Nähe zum Arbeitsplatz.

Der einzige anwesende Architekt, Bob Gysin, sieht Qualität auch in der architektonischen Umsetzung. Die gebaute Umgebung muss anspruchsvoll und spannend sein, man braucht nicht mehr, sondern besseren Wohnraum.

Hans Rupli, Zentralpräsident Holzbau Schweiz, legt das Augenmerk auf die Architektur, denn das Gebäude muss letztendlich dem Menschen dienen. Damit Verdichtung längerfristig funktionieren kann, müssen flexible Strukturen geschaffen werden, die Umnutzungen ermöglichen und sich neuen Bedürfnissen zum Beispiel älter werdender Bewohner anpassen können. 

Verschiedene Ansatzpunkte 

Die Anwesenden sind sich alle einig, dass verdichtet werden muss. Die Ansatzpunkte sind vielfältig: Die «Kirchturm-Vorstellung von Stadt» gehört abgeschafft, Agglomerationen müssen als Teil der Stadt begriffen werden und die Kernstadt als eines von vielen Quartieren. Der Landflucht aus als unattraktiv betrachteten Kernstädten gehören Massnahmen entgegengesetzt, denn durch Zersiedelung kommt es zu erhöhtem Verkehrsaufkommen in der Stadt, was sie noch unattraktiver macht. Orientierung bieten können die extrem gefragten mittelalterlichen Stadtzentren. Gut zugänglicher grüner Freiraum, Sicherheit, Sauberkeit und die Vermeidung von Verkehrslärm sind anzustreben, damit bedürfnisgerechtes Wohnen in der Dichte die Bevölkerung anspricht. 

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