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Schnittstelle zum Gebäude

Die getrennte Betrachtung des Gesamtsystems aus Gebäude, Geologie und Grundwasser vernachlässigt deren Wechselwirkungen. Ein inter­disziplinäres Team der Gruner-Gruppe widmete sich dieser ­Problematik und ­entwickelte ein Plugin, um die einzelnen Simulationen zu koppeln.

Bei der Auslegung von Erdwärmesonden ist es gängige Praxis, zunächst den Energiebedarf des Gebäudes so gut wie möglich zu prognostizieren. Dabei sind Faktoren wie ­Aus­baustandard, Dämmung, Standort, Anlagentechnik und geplanter Nutzungstyp zu berücksichtigen.

Eine verlässliche Methode zur Prognose ist die Ge­bäudesimulation. Darauf folgend werden entweder über die ­Rechenansätze der SIA-Norm oder über numerische Berechnungstools die Funktion des untertägigen Erd­wärmespeichers überprüft und die Umweltauswirkung quantifiziert. 

Die Herausforderung bei der Planung von Anlagen für grosse Gebäude ist es, die Anzahl der Erd­sonden so weit wie möglich zu reduzieren, ohne dabei die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes zu gefährden. Hierbei vernachlässigen viele Berechnungstools die wichtige, von den lokalen geologischen Bedingungen abhängige Grundwasserströmung. Zudem gehen durch die getrennte Betrachtung des Gesamtsystems Rückkopplungen von Gebäude, Anlagentechnik, Geologie und Grundwasser verloren und bleiben unberücksichtigt. 

Als Generalplaner sind verschiedene Abteilungen in der Gruner-Gruppe mit derartigen Fragestellungen konfrontiert, insbesondere bei komplexen Systemen, z. B. mit Einbindung von Kühltürmen, Grundwasser und anderen Wärmequellen, oder bei Systemoptimierungen mit mehreren Erdwärmesondenfeldern. Um diese Fragen in Zukunft sicher beurteilen zu können, entwickelte ein interdisziplinäres Team im Rahmen eines eigenen Forschungsprojekts eine Software zur Kopplung von Gebäude-, Anlagen-, Erdwärmespeicher- und Grundwasserströmungssimulationen. 

Das aus diesem (noch laufenden) Forschungsprojekt hervorgegangene Plugin «FeEP» baut auf dem Softwarepaket für Grundwasserströmungsmo­delle «Feflow» (DHI-Wasy) auf. Gekoppelt wird «Feflow» mit der Gebäudesimulationssoftware «EnergyPlus» (US-Energieministerium). Beide Programme sind jeweils auf ihrem Gebiet weit verbreitet und international ­anerkannt. 

Aufgrund des konvektiven Wärmetransports ist Grundwasser ein entscheidender Faktor bei der Betrachtung der Effizienz und der Umweltauswirkung von geothermischen Systemen zum Heizen und Kühlen. So transportiert fliessendes Grundwasser gespeicherte Energie aus dem Erdwärmespeicher heraus bzw. führt Wasser mit «ungestörten» Bodentemperaturen nach.

Abhängig von der Gebäudeauslegung ist dies positiv oder negativ. Bei der gekoppelten Modellierung findet während der Berechnungen ein ständiger Austausch von Ergebnissen zu Volumenstrom und Temperatur in den Erdsonden zwischen den Modellen statt, also zwischen Gebäude, Anlagen und Erdwärmespeicher. 

Mit der Sommersonne im Winter heizen 

Im Rahmen einer ausführlichen Simulationsstudie untersuchte das Plugin-Entwicklerteam verschiedene Szenarien für ein Erdwärmesondenfeld eines aktuellen Bauprojekts. Dabei wurde der derzeit in Bauausführung befindliche Grosspeter Tower in Basel betrachtet, dessen Bruttogeschossfläche von 22 000m2 geothermisch geheizt und gekühlt werden wird. Durch diese Betriebsvariante setzen die Errichter den Untergrund im Bereich der Sonden als Energiespeicher ein. So steht die im Sommer in das Feld gepumpte Wärme im Winter zum Heizen zur Verfügung und umgekehrt. 

Ziel der Untersuchungen war es, ein möglichst optimales Felddesign zu ermitteln und die Funktionalität des Gesamtsystems sicherzustellen. Dafür betrachtete das Team zum einen unterschiedlich gross dimensionierte Erdsondenfelder, zum anderen untersuchte es verschiedene Betriebs­varianten des Gebäudes. Neben den gekoppelten Fünf-Jahres-Simulationen wurden auch ungekoppelte Langzeitvarianten (20 Jahre) be­rechnet, um das langfristige Verhalten des Wärme­speichers zu kontrollieren.

Da das Gebäude bereits früh hinsichtlich eines ausge­glichenen Heiz- und Kühl­bedarfs optimiert wurde, zeigten sich hier keine langfristigen Veränderungen der Durchschnittstemperatur im Sondenfeld. Auch die Tiefe der Erdsonden konnte vorgängig durch (ungekoppelte) Simulationsrechnungen mit unterschiedlichen Sondenlängen auf 250 m optimiert werden. 

Um den Strombedarf des Gebäudes so weit wie möglich zu reduzieren, sollte die Anlage möglichst lange im Freecooling-Modus betrieben, also direkt mit dem Erdsondenfeld gekühlt werden werden können. Das reduziert die stromintensiven Stunden der Kälte­maschine. Der Zeitraum, in dem Freecooling möglich ist, wächst mit zunehmender Sondenzahl. Daher ermittelte das Planungsteam in der gekoppelten Simulation durch eine systematische Reduktion der Erdsonden, wie sich die Sondenzahl auf die Gebäude­anlagen und den Strombedarf des Gebäudes auswirkt und wo die Gebrauchstauglichkeitsgrenze des Systems liegt.

Bei unter 30 Sonden belegte die Simulation zu geringe ­Temperaturen im Erdsondenkreislauf und eine zunehmende Temperaturspreizung im Rücklauf des Erdwärmespeichers. Die Simulationsergebnisse zeigten, dass theoretisch bereits ab etwa 30 Sonden ein Betrieb möglich wäre. Mit jeder zusätzlichen Sonde sank der jährliche Strombedarf der Kältemaschine weiter, allerdings stiegen dabei die Investitionskosten. Letztlich wählten die Planer ein Sondenfeld mit mehr als 50 Sonden. Auf zusätzliche Rückkühlungen, z. B. mit Kühl­türmen, konnte so komplett verzichtet werden. Auch Backup-Systeme liessen sich aufgrund der Simulationen gänzlich einsparen. 

Näher am realen Betriebsverhalten 

Vor allem in den Herbstmonaten zeigt sich bei Einsatz der Kopplung ein anderes Betriebsverhalten als bei ungekoppelter Betrachtung. Daraus resultiert ein insgesamt erhöhtes Temperaturniveau im Erdwärmespeicher. Dies ist deutlich in den verschiedenen Vor- und Rücklauftemperaturen des Sondenfelds ersichtlich (vgl. Film). Als Folge ergeben sich wiederum höhere Speichertemperaturen im Gebäude, was einen leicht erhöhten Strombedarf der Kältemaschine bedingt. Gekoppelte Simulationen eignen sich daher besonders für Untersuchungen zum Betriebs­verhalten des Erdsondenfelds und für die Planung ­verschiedener Betriebsszenarien, die Einfluss auf die vorgesehenen Regelalgorithmen nehmen. 

Der Mehrwert der gekoppelten Simulation liegt zum einen im zusätzlichen Informationsgewinn bei­derseits der Schnittstelle. Zum anderen kann das optimale Design des Sondenfelds (Sondenabstand, -länge) in Abhängigkeit von einem speziellen Anlagensystem und vom Untergrund verlässlich ermittelt werden. Der ­Nutzungsgrad saisonaler Wärme- und Kältespeicher lässt sich unter Berücksichtigung von Grundwasserströmen und deren Umweltauswirkungen quantifizieren.

Das Anlagenmodell berücksichtigt dabei, wie sich Erd­wärmesondenfelder (saisonal und langfristig) gegenseitig beeinflussen. Das bessere Verständnis des Gesamtsystems aus Gebäude, Geologie und Grundwasser hilft somit, mit den gegebenen Energieressourcen ­möglichst effizient und sparsam umzugehen. 

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