Wo klemmt’s?

Studie von Energieforschung Stadt Zürich

Damit die Schweiz künftig weniger Energie verbraucht, ist es entscheidend, die energetische Sanierung von Gebäuden voranzutreiben. Doch gerade bei privaten Eigentümern, denen fast 90% des Bestands ­gehören, sind die Rahmenbedingungen dafür eher ungünstig.

Date de publication
09-07-2014
Revision
18-10-2015

Anders als bei Neubauten, bei denen dank entsprechender Gesetze und Standards der Energieverbrauch bereits weitgehend minimiert wird, liegt bei Gebäudeerneuerungen noch grosses Potenzial brach. Welche Faktoren sind es, die Sanierungsrate und -tiefe limitieren? Und welche Anreize bestehen für Sanierungen? Diesen Fragen ging ein Forschungsprojekt des Center for Corporate Responsibility and Sustainability der Universität Zürich (CCRS) im Rahmen von Energieforschung Stadt Zürich nach.1 Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf Privatpersonen als wichtige Eigentümergruppe.

Eine Liegenschaft energetisch zu sanieren ist mit einem komplexen Entscheidungsprozess verbunden. Die dafür nötigen Informationen zu beschaffen und auszuwerten kann für die Eigentümer sehr zeitaufwendig und mühsam sein und dadurch eine umfassende Erneuerung behindern. Angesichts der ständigen technischen Weiterentwicklung sind Bauherrschaften beispielsweise bei technischen und baufachlichen Fragen auf Experten angewiesen. Im Vorfeld einer Sanierung stellen sich aber auch rechtliche Fragen, z. B. welche Mietpreis­erhöhung danach möglich ist. Umfangreiche Sanie­rungen sind ausserdem teuer, daher sind Kenntnisse über die Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten wichtig – angesichts des «Förderdschungels» auf Ebene von Bund, Kantonen und Gemeinde keine leichte Aufgabe.

Mangelnde Rentabilität

Energie kostet hingegen vergleichsweise wenig. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt haben sich die Endverbraucherausgaben für Energie in den vergangenen Jahren sogar moderat verringert bzw. sind auf einem konstant niedrigen Niveau verblieben. Entsprechend ist die finanzielle Ersparnis durch energetische Sanierungen relativ gering und die Amortisationsdauer der Investitionen hoch. Zudem kommen bei vermieteten Objekten die Kostenreduktionen den Mietern und nicht den Eigentümern zugute. Rentabel wird die Investition vor allem indirekt, etwa durch einen Gewinn an zusätzlicher Fläche, höheren Komfort und höhere Mietpreise. 

Wirksame Subventionen

Für energetische Massnahmen stehen unterschiedliche Fördermöglichkeiten zur Verfügung, durch die sich die Investitionen und damit die Amortisationsdauer für die Eigentümer reduzieren. Einerseits gibt es auf Ebene des Bundes, der Kantone und der Gemeinden Förderprogramme für energetische Sanierungen. Zum anderen belohnen Banken das Erreichen energetischer Standards zum Beispiel mit niedrigeren Hypothekarzinsen. 

Obwohl der Anteil solcher Fördergelder an den Gesamtkosten vergleichsweise gering ist, zeigen Stu­dien, dass die Sanierungstätigkeit privater Eigentümer mit steigenden Subventionen der öffentlichen Hand zunimmt.2 Auch Beratungsangebote wie das Energie-Coaching wirken positiv, weil sie bei den Informations­problemen ansetzen und bei Planung und Umsetzung unterstützen.

Die mit Fördergeldern angestrebte Erhöhung der Erneuerungstätigkeit wird jedoch teilweise durch die vom Mietrecht geschützten Interessen der Mieter gebremst: Wird den Mietern im Vorfeld der Sanierung gekündigt, kann die Anfechtung der Kündigung zu Verzögerungen und Mehrkosten führen. Sind mit der ­Erneuerung Mietzinserhöhungen für die bestehenden Mieter verbunden, können sie sich dagegen zur Wehr setzen. Seit 1. Juli  2014 kann der Vermieter zudem bei bestehenden Mietverträgen die Sanierungskosten nur noch abzüglich der Fördergelder auf die Mieter überwälzen. Damit profitiert auch der Mieter von den Subventionen.

Fehlende Rückstellungen

Zentral für die Entscheidung, ob energetisch saniert wird oder nicht, ist ausserdem, inwieweit die Eigentümer finanziell vorgesorgt haben. Häufig fehlen ausreichende Rückstellungen. Ursache dafür sind im Wesentlichen die bereits angesprochenen Informa­tionslücken bzw. nicht hinreichende Eigenmittel. Hinzu kommt, dass es für private und für Stockwerk-­Eigentümer keine rechtlichen Vorschriften für sanierungsbezogene Rückstellungen gibt. Ausserdem sind die Kosten einer umfassenden Sanierung schwer zu kalkulieren. Es ­können versteckte Kosten auftreten, die zu Beginn der Planung nicht erkannt wurden. 

Umfangreiche Bauvorschriften

So können zum Beispiel zusätzliche Bauauflagen und Verordnungen die Eigentümer zu zusätzlichen Investitionen zwingen und die Gesamtkosten erheblich ansteigen lassen. Dazu gehören die umfangreichen Auflagen der Gebäudeversicherung Kanton Zürich (GVZ): Wer seine Liegenschaft energetisch sanieren will, sieht sich zahlreichen Brandschutzverordnungen gegenüber, die er ohne Sanierungsmassnahmen in der Form nicht erfüllen müsste. Es können Situationen auftreten, in denen die Einhaltung von Brandschutzverordnungen teurer ist als die eigentliche energetische Sanierung. Zum Teil muss bei Gesamtsanierungen auch in den Schallschutz und in die Erdbebenertüchtigtung investiert werden.

Auch umfangreiche Bauvorschriften und Bewilligungsverfahren erschweren Gesamtsanierungen. Nur schon die Baugenehmigung, die für eine umfassende Sanierung erforderlich ist, kann auf die Eigentümer abschreckend wirken. Zudem kann eine bessere Gebäudedämmung dazu führen, dass Baulinien überschritten werden, womit neben rechtlichen Hürden auch zusätzliche Kosten verbunden sein können. Die Eigentümerschaft von historischen Liegenschaften muss auch Denkmalschutzauflagen beachten. Zum Teil lassen sich energetische Sanierungen jedoch nicht mit dem Denkmalschutz vereinbaren.

Viele alte Eigentümer

Bei privaten Eigentümern kann auch das Alter Investitionsentscheidungen erheblich beeinflussen. Ein Grossteil der privaten Eigentümer in der Stadt Zürich ist über 50 Jahre alt. Für diese Gruppe liegt es oft nah, Sanierungsentscheidungen in die Zukunft zu verschieben und lieber ihren Nachkommen zu überlassen. Aufgrund der relativ langen Amortisationsdauer besteht kein Anreiz zu investieren. Ausserdem scheuen viele ältere Personen davor zurück, umfangreiche Baumassnahmen in Kauf zu nehmen. 

Teil- versus Gesamtsanierung

Bei Sanierungen stellt sich grundsätzlich die Frage, ob lediglich einzelne Teile zu erneuern sind oder ob eine Gesamt­sanierung durchgeführt werden soll. Für eine Gesamt­sanierung sprechen die insgesamt oft niedrigeren ­Kosten und Bauzeiten. Durch eine Etappierung der Massnahmen hingegen fällt die Investition in kleineren Tranchen an, was auch steuerliche Vorteile hat. Die unterschiedliche Lebensdauer der Bauteile spricht ebenfalls häufig gegen Gesamtsanierungen. Und nicht zuletzt muss bei kleinere Baumassnahmen in der Regel nicht allen Mietern gekündigt werden.

Anmerkungen

  1. Wiencke, A., Meins, E.: Praxisbeitrag. Energieforschung Stadt Zürich. Bericht Nr. 5, Forschungsprojekt FP-2.2.2, 2012. 
  2. Alberini, A. et al.: Energy Efficiency Investments in the Home: Swiss Homeowners and Expectations about Future Energy Prices, 2011.
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