Va­lue app – ein neues Tool zur Auf­wand­ser­mitt­lung

Die Value app ist live – entwickelt von SIA und ETH Zürich, um den Planungsaufwand realistisch zu berechnen. Damit steht Architekturschaffenden ein Werkzeug zur Verfügung, das Aufwand und Honorar nicht mehr an Baukosten koppelt, sondern an objektbezogene Parameter.

Date de publication
25-09-2025

Eines der zentralen Projekte des SIA in den vergangenen Jahren – initiiert durch den Beschluss der Delegiertenversammlung 2020 zur Entwicklung eines WEKO-konformen Tools zur Aufwandsermittlung – ist mit dem Marktstart der Value app erfolgreich realisiert worden. Die Anwendung startet mit den Leistungen für Architektinnen und Architekten gemäss der SIA 102 Ordnung für Leistungen und Honorare der Architektinnen und der Architekten.

Seit 2021 entwickeln die ETH Zürich und der SIA gemeinsam die Value app. In mehreren Testphasen wurde die Applikation in enger Zusammenarbeit mit Architekturbüros und Vertretern von öffentlichen und privaten Bauherrschaften auf Praxistauglichkeit geprüft. Die kartellrechtliche Einschätzung durch das Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO) erfolgte im Januar 2023. Es kam zum Schluss, dass die Applikation keine Wettbewerbsbeschränkungen darstellt. Dieses Urteil war der Startschuss für die Weiterentwicklung zur Betaversion. Die Applikation steht nun für die Disziplin Architektur bereit und kann ab sofort genutzt werden.

Strukturierte Einschätzung des Planungsaufwands

Die Value app ermöglicht eine transparente und strukturierte Einschätzung des Planungsaufwands. Sie macht die wesentlichen Entscheidungsfaktoren sichtbar, die Planende zur Bewertung ihrer intellektuellen Leistung benötigen. Damit schafft sie eine belastbare Grundlage für Vertragsverhandlungen und die Definition angemessener Vergütungen – sowohl für Auftraggebende als auch für Planende.

Im Kern übersetzt die Applikation die Frage, wie viel Zeit für eine bestimmte Planungsleistung erforderlich ist, in eine nachvollziehbare digitale Methodik. Der Fokus der Kalkulationsmethode liegt dabei auf dem tatsächlichen Aufwand – unabhängig von den Baukosten, die bisher oft als zentrale Kalkulationsbasis dienten. Basis für die Kalkulation in der Applikation sind determinierende Grössen – in der Anwendung für Architekturleistungen sind es Quadratmeter – die in Relation zur Nutzung einen Aufwand pro Quadratmeter Geschossfläche generieren. Die Aufwände sind neben der Nutzung auch von der Grösse des Projekts abhängig. Vereinfacht lässt sich sagen, je kleiner das Raumprogramm, umso grösser der Aufwand pro Quadratmeter Geschossfläche. Der Prognose-Intervall repräsentiert eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit.

Neue Anforderungen an die Planenden

Die Anwendung der Value app setzt unternehmerisches Denken der Planenden voraus. Standardisierte Offerten, die in wenigen Minuten kalkuliert werden, gehören der Vergangenheit an. Stattdessen verlangt die Applikation fundierte Entscheidungen zu projektspezifischen und sozioökonomischen Einflussfaktoren. Die individuelle Fachkompetenz der Planenden rückt stärker in den Vordergrund. Auch auf die Auftraggebenden kommt ein Mehraufwand hinzu, die eingereichten Offerten können zukünftig stärker variieren.

Die Komplexität eines Projekts wird in der Applikation hauptsächlich über die gewählte Nutzung bestimmt und nicht mehr über die Baukategorien und einen vorgegebenen Schwierigkeitsgrad. Die hinterlegten Aufwandswerte in Minuten pro Quadratmeter unterscheiden sich je nach Nutzungsart wesentlich. Die Bewertung der Projektkomplexität ersetzt damit nicht den früheren Schwierigkeitsgrad nach Baukategorien, sondern basiert auf einer differenzierteren Gewichtung anhand einer gestalterischen, technischen, räumlichen und organisatorischen Komponente je Nutzungsart. Die entsprechenden Fakto ren lassen sich eher mit einer Kombination aus früherem Anpassungsfaktor und dem Faktor für Sonderleistungen vergleichen.

Überdenken von vertrauten Herangehensweisen

Diese Neuausrichtung der Kalkulationsmethode erfordert einen Paradigmenwechsel: Vertraute Herangehensweisen müssen überdacht und neue Werkzeuge aktiv erlernt und angewendet werden. Jahrzehntelang war die Berechnungsformel auf Basis der aufwandbestimmenden Baukosten ein gemeinsamer Nenner in der Branche. Diese Denkweise wird nun durch eine Methodik ersetzt, die auf individuelle Projektparameter und fachliche Einschätzungen setzt.

Die kartellrechtliche Rüge der WEKO an den SIA führte zu einem Umdenken: In Zukunft werden neben der Value app auch weitere marktbasierte Lösungen Dritter zur Verfügung stehen. Für Planende bedeutet dies, sich verstärkt mit unterschiedlichen Methoden zur Aufwandermittlung auseinanderzusetzen. Dabei darf das Ziel nicht eine möglichst günstige Offerte sein, sondern eine realistische und nachvollziehbare Aufwandschätzung. Nur so können faire und professionelle Verhandlungen geführt werden.

Validierung der Methode: Jetzt und in Zukunft

Bis valide Vergleichsdaten zwischen in der Applikation kalkuliertem und tatsächlich geleistetem Aufwand vorliegen, werden noch Monate bis Jahre vergehen. Um diese Phase aktiv zu gestalten, werden ausgewählte Nutzerinnen und Nutzer von einem unabhängigen Treuhandbüro angefragt, abgeschlossene Projekte retrospektiv in der Value app zu erfassen. Dabei zählen nicht die ursprünglichen Baukosten, sondern die tatsächlich geleisteten Stunden sowie die in der Applikation getroffenen Entscheidungen. Ziel ist ein möglichst repräsentatives Bild der Schweizer Architekturlandschaft. Kriterien für die Auswahl der Büros sind unter anderem Standort, Grösse und Projektart. Ein automatischer Datentransfer ist nicht vorgesehen; die Nutzenden behalten jederzeit die Kontrolle über ihre Daten. Eine Weitergabe erfolgt nur mit expliziter Zustimmung. Langfristig ist geplant, ein integriertes Projektcontrolling innerhalb der Applikation zu er­möglichen – inklusive Vergleich zwischen offerierten und geleisteten Stunden.

Internationales Interesse 

Die von der Professur für Architektur und Bauprozess der ETH Zürich entwickelte Methodik findet nicht nur in der Schweiz Beachtung. Auch in anderen Ländern – beispielsweise in Luxemburg – wird das Verfahren aktuell zur Marktreife gebracht. Die jeweiligen Datensätze und Leistungskataloge sind länderspezifisch aufgebaut. In der Schweiz bleibt der SIA exklusiver Umsetzungspartner.

Die Value app ist voraussichtlich bis zur Delegierten­versammlung 2026 sowie bis zur Integration der weiteren Planungsdisziplinen kostenlos nutzbar. Nach Abschluss der Arbeiten ist ein kostendeckendes Betriebsmodell mit Vergünstigungen für SIA-Mitglieder vorgesehen. Geplant ist zudem die Erweiterung um zusätzliche Funktionen – etwa zur Vertragsbewirtschaftung oder Nachkalkulation. Ebenso wird die Integration von Drittanbietern geprüft, um eine zentrale Plattform für Aufwandermittlung und Projektcontrolling zu schaffen.

Die Value app befindet sich auf der SIA-Plattform Aufwandermittlung www.sia.ch/de/value-app. Die Applikation ist für die Disziplin Architektur für alle Interessierten kostenlos nutzbar. Für die Nutzung ist ein SIA-Konto erforderlich, das unabhängig von einer Mitgliedschaft ebenfalls kostenlos erstellt werden kann. Fragen zum Tool können über die Service-Mailadresse valueapp [at] sia.ch (valueapp[at]sia[dot]ch) gestellt werden. Im Frühling 2026 soll die Erweiterung der Value app für die Disziplin Ingenieurbau, Landschaftsarchitektur und Gebäudetechnik – analog der LHO SIA 103, 105 und 108 – zur Verfügung stehen.

Kostenlose Webinare zur Anwendung der Value app

Zur Anwendung und dem besseren Verständnis der Value app bietet der SIA in Form kostenlose Webinare an. Auf Deutsch finden die ersten beiden am 2. Oktober 2025 und 23. Oktober 2025 von 12–13 Uhr statt, auf Fran­zösisch am 6. November 2025 von 12–13 Uhr. Weitere werden ca. im Monatsrhythmus folgen. Die Webinare werden rechtzeitig im Kursprogramm von SIA inForm ausgeschrieben.

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