Wei­ter­bauen im Wank­dorf: Die ges­ta­pelte Stadt

Der Projektwettbewerb für WankdorfCity 3 in Bern, mit vorgeschaltetem Richtprojekt als Qualitätsmassstab, ist entschieden. Die vier Siegerprojekte werden in einer kollaborativen Werkstatt an der weiteren Projektierung und Ausführung beteiligt sein.

Date de publication
09-03-2022

Im Norden Berns entstanden zwischen Autobahn und Gleisen bis 2020 die beiden ersten Etappen des neuen Quartiers WankdorfCity. Mit der dritten Etappe möchte die Zürcher Baurechtnehmerin Immofonds/Immosol gemeinsam mit der Burgergemeinde Bern als Baurechtgeberin auf dem heutigen Gewerbeareal (34‘000 m2) neue Wege gehen: Die hermetischen Gebäudekomplexe der beiden ersten Etappen (2014–2016; 2017–2020) sollen um einen lebendigen, bunten und vielfältigen Quartierteil ergänzt werden.

Das monofunktionale und ausserhalb der Bürozeiten unbelebte Quartier soll durch WankdorfCity 3 aufgewertet werden und eine neue Identität erhalten: Ein Ort zum Arbeiten, Wohnen und Verweilen soll entstehen. Um dieses Ziel zu erreichen, möchte Immofonds zusammen mit der Stadt Bern einen kollaborativen Prozess gestalten. Die Idee eines Städtebaus, bei dem die einzelnen Disziplinen im Rahmen einer Werkstatt des konkreten Städtebaus trotz ihrer heterogenen Einzelperspektiven nicht nebeneinander, sondern miteinander arbeiten, werde auch die kommenden Phasen der Projektierung und Realisierung bestimmen.

Urbane Koexistenz

Nach einer Phase der städtebaulichen Testplanung (2019–2020), bei der drei Teams Masterpläne entwickelten, folgte das Richtprojekt (2020). Das Planungsteam um Rolf Mühlethaler Architekten aus Bern wurde beauftragt, seinen Ansatz zu konkretisieren. Das Richtprojekt besticht durch seine fundierte theoretische Auseinandersetzung und übt Kritik am aktuellen Städtebau von WankdorfCity 1 und 2.

Die prägendsten Bauten des Gewerbeareals, Shedhalle samt Betonbau und Kranbahn werden erhalten. Diese grossflächigen, das städtebauliche Muster bestimmenden Grundelemente werden im Osten um ein dichtes, gestapeltes Hochhausensemble ergänzt. Für die Verfasser bedeutet Urbanität nicht nur bauliche Dichte und Höhe, sondern eine Vielfalt von Nutzungen und Lebensformen. Im Sinne von Lucius Burckhardt sollen unsichtbare Qualitäten, d.h. Systeme der sozialen Begegnung und Interaktion aktiviert werden. Darüber hinaus solle nicht das fertige Bild eines städtebaulichen oder architektonischen Vokabulars, sondern eine vieldeutige Komplexität im Sinne Robert Venturis Vorbild für die bauliche Umsetzung sein.

Das Konzept der gestapelten Stadt ermöglicht auf unterschiedlicher Höhe Zwischenräume für Austausch und Aneignung. Auskragungen, Baukörperschichtungen und Höhenstaffelungen schaffen ein differenziertes Raumgefüge. Auf Stadtebene entstehen öffentliche Plätze und Gassen; auf dreissig Meter Höhe eine Stadtterrasse, die die unterschiedlich hohen Baukörper verbindet. Über dem durchlässigen Erdgeschoss stapeln sich zu ungefähr gleichen Anteilen Arbeits- und Wohnnutzungen (60 zu 40%). Die Geschosse bis zu einer Höhe von dreissig Metern werden Büroflächen aufnehmen, über diesen entsteht eine durchgrünte Dachlandschaft, zu der sich die Wohnungen orientieren.

Kollaborative Werkstatt

Nach den ersten beiden intensiven Teilphasen wurde der Projektwettbewerb nach SIA142 lanciert. Aus den zwölf teilnehmenden Teams wurden vier Siegerteams bestimmt. Die Teams um Bauart Architekten, Bob Gysin Partner Architekten, E2A Piet Eckert und Wim Eckert Architekten und Meili, Peter & Partner Architekten haben den städtebaulichen Richtplan analysiert, weiterentwickelt und optimiert; sie zeichnen sich jeweils durch eine spezifische inhaltliche Vertiefung aus. Der Lärmproblematik begegnen die Projekte mit innovativen Grundrisstypen, die Loggien, Innenhöfe oder das Durchwohnen thematisieren. Mit Holzhybrid- oder Holzbauweise bzw. Vorfabrikation oder Modulbauweise soll eine Ressourceneffizienz in Erstellung und Betrieb erzielt werden.

Die einzelnen Projekte

Das Projekt «Amélie et Monsieur Hulot» von Bauart Architekten entwirft die Stadtterrasse als fliessenden Aussenraum für das Wohnen mit seinen Gemeinschaftsräumen sowie einer Kita. Während die kleinen Volumina der Reihenhäuser einen menschlichen Massstab integrieren, versprechen die Hochhäuser Wohnformen des Miteinander. Die Stapelung wird durch das Nebeneinander vielfältiger Farben und Materialien gestaltet.

Der Entwurf «This is next to that» von E2A Architekten stellt bei räumlicher Nähe eine grosse Vielfalt her und definiert zehn Regeln für die gestapelte Stadt. Das Projekt schafft eine inhaltliche Vertiefung mit Bezug zur sozialen Idee des «Fun Palace», entwickelt vom britischen Architekten Cedric Prize und der Regisseurin Joan Littlewood, ebenfalls aus Grossbritannien. Die Stadtterrasse wird Bezugsraum für vielfältige halböffentliche Nutzungen: Fitnesscenter, Tiny-Houses, Kita, Werkstätten, Räume für Homeoffice, Reihenhäuser und Gästeappartements gliedern sich an diese.

«Segantini» von Meili, Peter & Partner Architekten möchte dem Areal eine kulturelle Anziehungskraft verleihen. Auf Erdgeschossebene wird die Shedhalle als öffentlicher Raum aktiviert, indem sie als Eventhalle mit Foyer, Tribüne, Bühne, Nebenräumen und Restaurant bespielt wird. Auf der Hochebene der Stadtterrasse werden auf unterschiedlichen Niveaus Sequenzen und Aufenthaltsqualitäten für vielfältige Aneignungen geschaffen.

Das Projekt «Collegato» von Bob Gysin Partner Architekten entwickelt durchgrünte Freiräume von der Stadtebene bis zur Stadtterrasse. Der Einzug eines Halbgeschosses plausibilisiert die Idee einer grünen Oase auf dreissig Meter Höhe und entwickelt die Stadtterrasse als grüne Lunge mit intensiver Bepflanzung, sodass ein bodennahes Wohnen entstehen kann. Nach dem Prinzip der Schwammstadt wird das Stadtklima durch gezielte Verdunstung, Versickerung und Retention begünstigt.

Das etwas andere Verfahren

Die Durchführung des etwas anderen Projektwettbewerbs nach SIA142, mit Richtprojekt als Qualitätsmassstab, habe sich gemäss Preisgericht und Veranstalterin mehr als gelohnt. Es habe das Verständnis für das grosse Ganze bei den Teilnehmenden als auch beim Preisgericht gefördert. Die Co-Produktion verschiedener Autoren mag das Vorhaben der Koexistenz auf dem neuen Areal bereichern. Für die weitere Zusammenarbeit wird ein Planungsteam bestehend aus den Gewinnerbüros, Rolf Mühlethaler Architekten und Maurus Schifferli Landschaftsarchitekten gebildet, dem ein Begleitgremium aus externen Fachleuten und Vertretern der Stadt zur Seite stehen wird.

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Weiterbearbeitung

 

«Amélie et Monsiuer Hulot»
Bauart Architekten und Planer, Bern
Wh-p Ingenieure, Basel
Gartenmann Engineering, Bern

 

«This is the next to that»
E2A Piet Eckert und Wim Eckert Architekten, Zürich
Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich
Kopitsis Bauphysik, Wohlen AG
GRP Ingenieur, Rotkreuz
Durabel Planung und Beratung, Zürich
 

«Segantini»
Meili, Peter & Partner Architekten, Zürich
Fakultativ beigezogene Fachrichtungen/Spezialisten:
Makiol Wiederkehr, Beinwil am See
Venon Projects, Zürich
Gartenmann Engineering, Luzern

 

«Collegato»
Bob Gysin Partner Architekten, Zürich
Walt Galmarini, Zürich
Planikum, Zürich
BDS Security Design, Bern

 

Fachjury
Donat Senn, Architekt, Bern (Vorsitz)
Mark Werren, Stadtplaner, Stadt Bern
Rolf Mühlethaler, Architekt, Bern
Mathis Güller, Architekt, Rotterdam
Barbara Holzer, Architektin, Zürich
Andreas Geser, Landschaftsarchitekt, Zürich
Dominik Schetter, Projektleiter Freiraumplanung, StadtplanungsamtBern (Ersatz)
Maurus Schifferli, Landschaftsarchitekt, Bern (Ersatz)

 

Sachjury
Gabriela Theus, Geschäftsführerin, Immofonds Asset Management, Zürich
Alex Jenny, Vizepräsident Verwaltungsrat, Immofonds Asset Management, Zürich
Kim Riese, Leiter Entwicklung, Immofonds Asset Management, Zürich
Ueli Grindat, Domänenverwalter, Burgergemeinde Bern
Barbara Emmenegger, Soziologin, Zürich

 

Weitere Teilnehmer

Aebi & Vincent Architekten, Bern
Armon Semadeni Architekten, Zürich
Boltshauser Architekten , Zürich
Fruehauf, Henry & Viladoms, Lausanne
HHF Architekten, Basel
Hosoya Schaefer Architects, Zürich
:mlzd Architekten, Biel
 SeARCH, Amsterdam (NL)

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