«Ein er­fol­grei­cher Ve­rein fusst auf ge­gen­sei­ti­gem Ver­trauen»

An der Delegiertenversammlung im April 2022 legt der SIA eine neue Vereinsstrategie vor. Nach den Arbeiten im Vorstand und mit den Berufsgruppen und Sektionen konnten sich die Delegierten im September am Forum einbringen. Carole Pont Bourdin, Peter Dransfeld und Christoph Starck blicken zurück auf das Entstandene und voraus auf die Weiterreise.

Date de publication
02-12-2021

SIA: Frau Pont Bourdin, Sie leiten die Arbeitsgruppe zum Strategieprozess. Peter Dransfeld und Christoph Starck haben erst später das SIA-Präsidium respektive die Geschäftsführung übernommen. Ihre Kollegen mussten also auf den fahrenden Zug aufspringen. Blicken Sie mit uns zurück auf den Beginn dieser Reise.

Carole Pont Bourdin: 2018 entschied sich der Vorstand für eine Neuformulierung der Strategie. Unsere Mitglieder wurden durch schwierige Ereignisse wie beispielsweise den Weko-Entscheid zur Honorarkalkulation verunsichert, und sowohl sie als auch wir wollten einen klaren Plan erarbeiten, wie wir diesen Umständen am besten begegnen. Dank gemeinsamer Zieldefinition für unseren Verein können wir fokussierter agieren und besser reagieren.

Peter Dransfeld: Der SIA hatte bereits in den letzten 185 Jahren eine Strategie, auf deren Basis viel Gutes geleistet wurde. Neu ist die schriftliche Abfassung. Hierbei geht es nicht nur um die Verschriftlichung dessen, was schon lang bekannt war. Im Zentrum steht die Klärung der Frage, was uns fit für die Zukunft macht.

Christoph Starck: Auch für mich war das Aufspringen kein Müssen. Wir brauchen klare und breit abgestützte Leitlinien, damit wir nicht von äusseren Einflüssen dominiert werden – damit wir als SIA vorangehen können. Covid-19 hat uns eine unsanfte Pause beschert. Nun sind wir aber auf Kurs in Richtung Etappenziel Delegiertenversammlung, der die Strategie im kommenden April zur Verabschiedung vorgelegt wird. Danach wird der Vorstand die Arbeiten fortsetzen, die Stra­tegie verfeinern und wo nötig optimieren.

Am SIA-Forum im September wurden zehn Kernherausforderungen sowie die jeweils dazu­gehörenden Handlungsfelder
diskutiert. Im Zentrum stand die Steigerung der Relevanz der SIA-Stimme, des SIA-Regelwerks und der SIA-Mitgliedschaft sowie die aktive Gestaltung der Zukunft. Weshalb gehen Sie so partizipativ vor?

Pont Bourdin: Ziel des Strategieprozesses ist die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, wohin der SIA möchte und wie er dorthin kommt. Diesen Gemeinsinn erreichen wir nur, wenn alle wichtigen Organe vom Vorstand bis hin zu den rund 16 000 Mitgliedern einbezogen werden. Wenn alle Gruppierungen mitreden können, von den regionalen Sektionen bis hin zu den vier Berufsgruppen. In Fokusgruppen wurden Ideen entwickelt, die mit speziellen Anspruchsgruppen wie den Jungen vertieft diskutiert und schliesslich im Vorstand konkretisiert wurden. Das Forum bildete eine Plattform zur Reflexion dieser Zwischenergebnisse.

Dransfeld: Transparenz schafft Sicherheit, und diese fördert letztlich das Vertrauen. Wenngleich Partizipation mit einer gewissen Trägheit verbunden ist, bringt sie Vorteile. Sie fördert Motivation und Engagement und führt zu besseren Ergebnissen.

Vertiefen wir die erste Kernherausforderung: Wie steigern wir die Relevanz der SIA-Stimme?

Pont Bourdin: Das Ziel liegt in einer gestärkten Sichtbarkeit des SIA in der Öffentlichkeit. Wir müssen am Diskurs teilhaben und diesen konstituieren. Zentral ist für mich hierbei nicht nur die Kommunikation gegen aussen, sondern auch gegen innen unter den Gremien.

Dransfeld: Eine zentrale Massnahme, um die Politik zu erreichen, ist unser Engagement in Allianzen. Ich denke hier beispielsweise an Bauenschweiz, wo ich als SIA-Präsident die Stammgruppe Planung leite und wichtige Partner für unsere Anliegen gewinnen kann.

Starck: In der Fachwelt ist der SIA als kompetenter Ansprechpartner bekannt, unsere Positionen müssen aber vermehrt beispielsweise auch in die Tageszeitungen Eingang finden. Fokussierung, Priorisierung und Geschwindigkeit sind hierfür wichtige Rezepte. Konkret werden wir künftig nicht mehr zu jedem Thema den absoluten Konsens eruieren können. Wir können nicht jede Position in allen Gremien bis ins kleinste Detail ausdiskutieren.

Dransfeld: Es gilt, einen sinnvollen Mittelweg zu finden zwischen raschen Entscheiden der Vereinsführung und dem Einbezug der Basis. Über manches informieren wir, andere Entscheide legen wir allen Gremien bis zur Delegiertenversammlung vor. Der Austausch, wie er beispielsweise am Forum stattfinden kann, bildet eine wichtige Grundlage.

Dank vermehrtem Austausch werden die Entscheidungswege also kürzer?

Starck: Die «Coordination Romande» und die «Koordination Deutschschweiz» sind weitere Beispiele für einen gelungenen Austausch – in diesem Fall auf Sektionsebene. Neu möchten wir auch zwischen den vier Berufsgruppen des SIA mit einem Koordinationsgefäss breitere Brücken schlagen. Ich bin angetan vom ausgeprägten Willen zur Zusammenarbeit und möchte diesen als Geschäftsführer fördern.

Pont Bourdin: Genau damit können wir das Vertrauen stärken und mehr Verständnis schaffen. Ein erfolgreicher Verein fusst auf gegenseitigem Vertrauen – auf Vertrauen in die Gremien, die letztlich entscheiden.

Schauen wir noch zwei weitere Kernherausforderungen an: Die Relevanz der Mitgliedschaft und des Regelwerks soll gesteigert werden. Können Sie die SIA-Strategie in diesen Bereichen konkretisieren?

Starck: Wir müssen das SIA-Label als Qualitätsmerkmal pflegen und beispielsweise den Bereich der Weiterbildungen, den wir mit «SIA inForm» neu aufgestellt haben, noch besser an den Bedürfnissen der Berufsleute ausrichten.

Dransfeld: Als Verein sind wir für unsere Mitglieder da. Dieses Bewusstsein ist wohl nicht zuletzt auch dank dem Strategieprozess in den letzten zwei Jahren wieder gewachsen.

Starck: Das Normenwerk gehört in die DNA unseres Vereins. Die erste offiziell veröffentlichte Norm im Bauwesen, jene zu den Ziegelsteinen, stammt vom SIA. Darauf sind wir stolz. Wir müssen das Regelwerk stets à jour halten. Äussere Entwicklungen, auf inhaltlicher Ebene beispielsweise der Abgleich mit europäischen Normen und auf technischer Ebene die Digitalisierung, müssen laufend berücksichtigt werden.

Herr Dransfeld, inzwischen sind Sie sieben Monate als Präsident unterwegs. Was für einen SIA wünschen Sie sich?

Dransfeld: Einen SIA, der für seine Mitglieder da ist und in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird als schlanker, effizienter und glaubwürdiger Verein im Dienst einer hohen Baukultur.

 

Carole Pont Bourdin gehört dem SIA-Vorstand seit 2018 an. Die Walliserin führt ebenfalls ein Architekturbüro, unterrichtet an der EPF Lausanne und arbeitet in verschiedenen Expertenkommissionen mit. Sie leitet die Arbeitsgruppe zum Strategieprozess, der ihre Vorstandskolleginnen und -kollegen Ariane Widmer Pham, Urs Rieder und Chris Luebkeman angehören.


Peter Dransfeld präsidiert den SIA seit April 2021. Er ist Inhaber eines Architekturbüros in Ermatingen und für die Grüne Partei Kantonsrat des Kantons Thurgau. Bis zu seinem Amtsantritt war er Präsident der SIA-Berufsgruppe Architektur (BGA).


Christoph Starck leitet seit November 2019 die Geschicke des SIA als dessen Geschäftsführer. Er zeichnet von­seiten der Geschäftsstelle verantwortlich für den Strategieprozess.

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