Mit Mo­bi­lität zu den ­Im­mo­bi­lien – und ­wie­der weg

Für den Immobilienmarkt ist die Mobilität von hoher Relevanz. Bei der Entwicklung von nachhaltigen Siedlungs­arealen ist ein durchdachtes ­Mobilitätskonzept entscheidend.

Date de publication
21-05-2021

Die Mobilität lässt Personen oder Güter Raumdistanzen überwinden und verbindet Bodennutzungen räumlich mit Nutzergruppen. Für den Immobilienmarkt ist die Mobilität von hoher Relevanz, denn Standortfaktoren wie Erreichbarkeit, Verkehrs­erschliessung oder Infrastruktur sind treibende Kräfte: Erst durch den Zugang zu verschiedenen Mobilitätsformen erhalten Immobilien ihre Nutzbarkeit und dadurch ihren Wert.

Die Mobilität und die Standortfaktoren waren bereits in der Vergangenheit wichtig. Deren Bedeutung wird weiter wachsen, wobei sich die technischen, regulatorischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Anforderungen gleichzeitig verändern. In ­einer solchen Situation wird es für Immo­bilieneigentümerinnen und -eigentümer immer anspruchsvoller, sich auf die «richtige» Erreichbarkeit festzulegen.

Es werden diejenigen Immobilien an Wert zulegen, die möglichst viele Arten der Mobilität begünstigen, also nicht nur zu Fuss, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto einfach erreichbar, sondern auch durch den öffentlichen Verkehr gut erschlossen sind und sich möglichst nah an einem Car- oder Bikesharing-Standort befinden.

Innovative und flexible Mobilitätslösungen, wie E-Bikes und E-Trottinettes sowie Cargo-E-Bikes für eine urbane Logistik, werden sich zu­nehmend durchsetzen und den bisherigen Anbietern im motorisierten Individual­verkehr re­spek­tive öffentlichen Verkehr Marktanteile streitig machen.

Regionale Unterschiede

In den letzten Jahren hat die Schweiz stark in den öffentlichen Verkehr investiert. Von 1998 bis 2015 flossen allein über den FinöV-Fonds für Eisenbahngrossprojekte knapp 30 Mrd Franken in die Schieneninfrastruktur. In den nächsten Jahren sind weitere Investitionen geplant.

Staatliche Investitionen in den öffentlichen Verkehr beeinflussen auch den Immobilienmarkt. Verschiedene Studien belegen, dass die verkehrstechnische Erschliessung für regionale Unterschiede bei den Bauland- und Immobilienpreisen mitverantwortlich ist: Je kürzer die Wegzeiten in ein Zentrum sind, desto höher werden die ­Preise und Mieten von Immobilien.

Zur Ermittlung der Preiseffekte einer guten Verkehrsinfrastruktur eignet sich das Mikrolagenmodell von WüestPartner. Mittels eines hedonischen Modells lässt sich berechnen, dass bei identischen Qualitäten eine sehr gute Anbindung an den öffent­lichen Verkehr den Wert einer Eigentumswohnung um 6 % im Vergleich zu einer durchschnittlichen Erreichbarkeit erhöht.

Im Mietwohnungssegment ist die Miete verfügbarer Wohnungen fast 8 % höher, wenn das Objekt nicht nur durchschnittlich, sondern sehr gut an den öffentlichen Verkehr angebunden ist. In diese Be­wer­tung fliessen die Distanz zur nächsten ­Haltestelle und die Fahrplanfrequenz ein, was der ÖV-Güteklasse entspricht. Die ­Methodik ist normiert und stammt vom Bundesamt für Raumentwicklung.

Induzierte Mobilität

Bei der Entwicklung von Siedlungsarealen und Neubauquartieren ist ein durchdachtes Mobilitätskonzept also entscheidend. Neben dem Auto und dem öffentlichen Verkehr umfasst es die Elektromobilität per Auto und Velo sowie den Langsamverkehr zu Fuss und per Velo. Dabei spielt die Mobilitätsfreiheit eine wichtige Rolle.

Das Zertifikat «2000-Watt-Areal» zeichnet Siedlungsgebiete in der ganzen Schweiz aus, die sich für den Klimaschutz einsetzen und einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen vorweisen. Das Zertifikat bewertet die Gesamtentwicklung einer Überbauung von der Erstellung bis zum Betrieb. Es berücksichtigt auch die induzierte Mobilität.

Ein Blick in den Kriterienkatalog zur 2000-Watt-Arealzertifizierung zeigt, dass sich diese Kriterien stark an räumlichen Qualitäten und einer Einbindung in öffentliche Fussgänger- und Velowegnetze orientieren. Die Mobilitätskonzepte von 2000-­­­Watt-­Arealen im Betrieb beschränken sich zumeist auf eine reduzierte Anzahl an Auto­parkplätzen, ein zusätzliches Leihwagenangebot und einzelne Elektroladestationen. Einzelne Areale sind vollständig autofrei respektive «autoarm». Weitere Areale setzen zusätzliche Mittel für die Nachhaltigkeit ein wie ein kostenloses Abonnement für das S-Bahnnetz oder Mietangebote für E-Bikes, Lastenvelos oder Veloanhänger.

Zusätzliches Carsharing

Im Mittel verfügen die zertifizierten 2000-Watt-Areale pro Wohnung über 0.3 Mieterparkplätze und rund 3 Veloabstellplätze. Dabei zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede. Während einige Areale keine oder nur einzelne Autoparkplätze für Mietende zur Verfügung stellen, weisen andere bis 1.05 Mieterparkplätze pro Wohnung auf. In den meisten Arealen werden zusätzliche Mietautos angeboten, die auch öffentlich zugänglich sind. In Gehdistanz – ausserhalb der Areale – stehen weitere Carsharing-­Fahrzeuge parat.

Der wichtigste Faktor für eine nach­haltige Mobilität ist deshalb die Stand­ortwahl: Das Gros der zertifizierten 2000-Watt-Areale befindet sich in unmittel­barer Nähe zu einer S-Bahnstation oder ­innerstädtischer Lage – in der ÖV-Güte­klasse «A». Nur dort lassen sich die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft umsetzen, denn nur dort stellt der öffentliche Verkehr eine valide Alternative zum motorisierten Individualverkehr dar. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr hat somit nicht nur einen Einfluss auf das Mietzinsniveau, sondern auch auf die nachhaltige Entwicklung des Siedlungsraums.

Mit Unterstützung von energieschweiz und Wüest Partner sind bei espazium – Der Verlag für Baukultur folgende Sonderhefte erschienen:

Nr. 1/2018 «Immobilien und Energie: Strategien im Gebäudebestand – Kompass für institutionelle Investoren»

Nr. 2/2019 «Immobilien und Energie: Strategien der Vernetzung»


Nr. 3/2020 «Immobilien und Energie: Strategien der Transformation»


Nr. 4/2021 «Immobilien und Energie: Mit Elektromobilität auf gemeinsamen Pfaden»

Die Artikel sind im E-Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

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