Na­ch­hal­tige Pla­nung

In der Schweiz stehen die Krankenhäuser mit ihren hohen Betriebskosten unter Konkurrenzdruck. Neue medizinische Erkenntnisse und technische Fortschritte stellen zusätzliche Anforderungen an die Planung. Der Autor dieses Artikels greift die wirkungsvollen Strategien für frühe Planungsphasen im Spitalbau und Grundstückbewirtschaftung auf, die letztlich das nachhaltige Weiterbestehen der besten Spitäler ermöglichen.

Date de publication
18-09-2008
Hans Eggen
dipl. Arch. ETH SIA, Direktor der UIA (United International Architects) Public Health Group

Um ein Krankenhaus nachhaltig zu planen, müssen die bestehende Situation analysiert und die zukünftigen Erfordernisse abgeschätzt werden. Dafür gibt es die funktionelle und die bauliche Analyse. Die funktionelle Analyse beschäftigt sich mit Nutzfläche, Betriebsabläufen und Auslastungen. Sie liefert Antworten auf die Fragen, ob die kritische Zahl an Operationen erreicht wird und ob deren geforderte Qualität sichergestellt ist. Aus den betrieblichen Mängeln, die dabei aufgedeckt werden, ermitteln die Planer das Flächendefizit.

Die bauliche Analyse untersucht den Bauzustand und das Ausbaupotenzial auf dem Grundstück. Ein Krankenhaus kann langfristig nur dann den zeitlich ändernden Anforderungen angepasst werden, wenn ein Kreislauf von Abbruch, Umbau und Neubau möglich ist. Es ist zwar manchmal schmerzhaft, Altbauten abzubrechen, doch würden sie trotz zu kleinem Areal stehen gelassen, wären bei Erweiterungen Fehlinvestitionen vorprogrammiert. Spitäler auf zu kleinen Grundstücken werden darum oft ganz aufgehoben.

Auch neuere Bauten sollten nicht vor zwingendem Abbruch geschont werden, wenn sie unzureichend oder gar falsch konzipiert worden sind. Ein weiteres, wichtiges Planungsinstrument ist der Masterplan. Je nach Szenario zeigt er mögliche Standorte für allfällige zusätzliche Behandlungsflächen, Versorgungsflächen oder den Ersatz von Pflegebereichen. Er legt eine Übersicht für mögliche einzelne strategische Schritte fest und soll möglichst verhindern, dass durch kurzsichtige Überlegungen Erweiterungen oder Erneuerungen blockiert werden. Für viele Spitäler besteht aber kein solcher Masterplan.

Fokus auf architektonische Vorzüge

Krankenhäuser präsentieren sich meist als Konglomerat von Bauten aus verschiedenen Epochen – oft ein unzumutbarer Anblick sowohl innen als auch aussen. Tatsächlich ist es nach Jahrzehnten der «wuchernden» Spitalerweiterungen schwierig, einen Vertrauen erweckenden Gesamteindruck zu vermitteln. Ein Spital sollte bei den Nutzern nicht unbewusst Ängste auslösen. Ein schön angelegter Park oder Spitalgarten als Zugang wirkt beruhigend, einladend – ausserdem kann die langfristige Erweiterbarkeit sichergestellt werden. Die Bedeutung eines Ausblicks ins Grüne aus verschiedenen Spitalbereichen hinaus kann für Patienten, aber auch für das Personal nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Ein gesund machendes Ambiente betrifft alles, was wir mit unseren Sinnen bewusst oder unbewusst erfassen: neben dem Ausblick auch Materialien, Farben, Geräusche, Gerüche und das Licht, sowohl das natürliche als auch das künstliche. Können wir uns in einem Gebäude gut orientieren, vermittelt das ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit. Die bildende Kunst oder Musikvorführungen können den oft labilen Zustand der Patienten positiv beeinflussen – vielfach wirkt sich dies wiederum positiv auf die Besucher und das Personal aus.

Planung für Veränderbarkeit

Im gesamten Lebenszyklus eines Spitalgebäudes verändert sich die Nutzung mehrmals und in verschiedenen Bereichen unterschiedlich. Der Hauptbereich Behandlungstrakt mit der Kerntätigkeit des Krankenhauses hat beispielsweise eine Wachstumstendenz und muss den technischen Fortschritt in der Medizin rasch umsetzen können. Da sich hierzulande niemand mit überholten Methoden behandeln lassen will, muss ein Umbau praktisch jederzeit möglich sein.

Im Pflegebereich, einem weiteren Hauptbereich im Spital, stellt sich die Frage, welche Art der Pflege noch direkt neben der Behandlung vorzusehen ist und was ausgelagert werden kann. Die Versorgung schliesslich wird zum eigenständigen Industriebetrieb, und es stellt sich die Frage, welche Teildienstleistungen anderswo günstiger produziert werden können: Laborproben, Medikamente, Lagerhaltung, Wäsche, ja sogar die Essensversorgung sind Dienstleistungen, deren Lokalisierung es stets zu hinterfragen gilt.

Diese immer wieder neuen Problemstellungen verteilen sich über eine sehr lange Zeitdauer, ohne dass irgendein Ende abzusehen wäre. Die Aufgaben für die Spitalarchitekten werden gerade darum immer anspruchsvoller und vielseitiger, da sie immer mehr Aspekte berücksichtigen müssen und ständig neue Erkenntnisse gewonnen werden. Neuste Technologien in der Medizin erfordern Anpassungen: Vermehrte ambulante Behandlungen führen zum Beispiel zu Kurzaufenthalten und zu einem geringeren Bettenbedarf im Pflegebereich.

Grundsätzlich stellen sich den Planern bei jeder Nutzungsänderung raumplanerische, städtebauliche und architektonische Probleme: Ist das bestehende Krankenhaus prinzipiell am richtigen Standort? – Diese Frage wird leider nie zur richtigen Zeit gestellt. Gibt es dort eine genügend grosse Entwicklungsfläche? – Auch diese kritische Frage verdrängen Planer oft als unbeantwortbar, obwohl sie offensichtlich meist verneint werden muss.

Modularität, Flexibilität und Systemtrennung sind weitere wichtige Planungsgrundsätze, um die langfristig zu erwartenden Veränderungen aufzufangen. Die stete Weiterentwicklung der Behandlungsarten in der Medizin und der differenzierten Angebote im Pflegebereich benötigen ein flexibles Raumkonzept. Mit einem modularen Raumkonzept beispielsweise können Nutzungsveränderungen leichter bewältigt werden. Voraussetzung dafür ist eine Systemtrennung innerhalb der Gebäudestruktur: Installationen müssen leicht zugänglich sein und daher getrennt und unabhängig von konstruktiven Elementen geführt werden. Eine Systemtrennung unterstützt die unkomplizierte und damit kostengünstige Modernisierung der betroffenen – und leider auch wieder rasch veralteten – Einrichtungen.

Weniger ist Mehr

Visionen sind keine Utopien, sondern stützen sich auf nachvollziehbare Überlegungen und basieren auf bekannten Tendenzen: steigendes Durchschnittsalter der Bevölkerung, steigende Lebenserwartung, stagnierendes Wachstum der Schweizer Bevölkerung, Mangel an qualifiziertem Personal, wachsende Mobilität, Wachstum der Städte, Weiterentwicklung von Forschung und Technologie. Diese Liste kann noch beliebig verfeinert und ergänzt werden – die daraus folgende Zukunftsthese bleibt dieselbe: Krankenhäuser werden zusammengelegt und konzentrieren sich an geeigneten Standorten mit dem grössten Flächenpotenzial. Die gegenwärtige Streuweise der Spitäler in der Landschaft ist in der heutigen mobilen Gesellschaft nicht mehr notwendig.

 

Kantonsspital Olten als gutes Beispiel


Der Grundstein für das heutige Kantonsspital Olten wurde bereits 1880 gelegt. Die damalige Nutzungszuordnung für ein ganz kleines Spital auf einem enorm grossen Grundstück sichert noch heute dessen langfristige Erweiterung. Heute ist das Grundstück gerade ausreichend gross, um den geforderten Betrieb aufrechtzuhalten und den Kreislauf von Abbruch, Umbau und Neubau zu gewährleisten.


Das Kantonsspitalareal, ehemals weit ausserhalb des dicht besiedelten Stadtkerns und heute von ihm umschlossen, wurde seit Beginn bis heute in immer kürzeren Intervallen erweitert. Im Gegensatz zu den meisten Spitälern, deren Grundstücksfläche konstant ist, da umliegende Flächen meist bereits verbaut sind oder anderen Grundbesitzern gehören, konnte in Olten das Areal selbst noch in jüngster Zeit durch Zukäufe erweitert und arrondiert werden. Dadurch konnte auch die Grundstücksform, die – wie die Flächengrösse – für die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielt, verbessert werden.


Die erste Ausbauetappe 1995–2000 wurde noch vorsichtig als Umbau und Modernisierung bezeichnet, obschon bereits 132 Millionen Franken investiert wurden. Während der Planung der zweiten Etappe, die derzeit bis 2011 umgesetzt wird, konnte zusätzlich eine langfristig wichtige Entscheidung getroffen werden: Die bestehenden Altbauten aus dem Jahr 1960 müssen nicht mehr umgebaut, sondern können abgerissen und ersetzt werden. Obwohl in den Altbauten genügend Ausbaufläche vorhanden war, haben die heutigen Anforderungen an die Erdbebensicherheit, der geforderte Minergiestandard und der zusätzliche Flächenbedarf zu diesem langfristig positiven Entscheid geführt.


Bis 2011 wird somit am genau gleichen Standort ein fast neues Spital entstanden sein, ohne dass während der Bauzeit der Spitalbetrieb unterbrochen werden musste. Dieses neue Spital wird besser organisiert, besser erschlossen und später auch leichter erweiterbar sein. Zudem wird sich der ganze Komplex einheitlich präsentieren, da sich die für die verschiedenen Gebäude verantwortlichen Architekten geeinigt hatten, eine ähnliche Glasfassade für alle Gebäude zu verwenden.


Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 38/2008 «Effizientes Spital».

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