Neues Foyer zu Berns Mu­seen

Offener Projektwettbewerb für die Umgestaltung des Helvetiaplatzes in Bern

Beim Helvetiaplatz in Bern heisst umgestalten auch aufräumen. Heute ist er eher ein Ort zum Durchqueren denn zum Verweilen. Ein Projektwettbewerb soll dies ändern. Die Jurierung war – eine Premiere für die Stadt Bern – öffentlich zugänglich.

Date de publication
11-07-2019

Was am Helvetiaplatz heute zu erleben ist, entspricht ­einem Tohuwabohu: Unterschiedliche Tram- und Buslinien, Strassenbeläge und Grünflächen sowie das mächtige Welttelegrafdenkmal, ein Kiosk, eine Abfall­sammelstelle und das ehemalige Stationsgebäude der Bern-Worb-Bahn, derzeit ein nichtkommer­zieller Kunstraum und seit 2008 «Grand Palais», treffen hier aufeinander. Darum herum ein Bot­schaftsge­bäude, ein Konzertlokal, das Alpine ­Museum, die Mediothek der Pädagogischen Hochschule Bern, die Kunsthalle und das schlossartige Historische Museum.

Der Anspruch des Projektwettbewerbs ist es, nach den Worten des Amts für Hochbau der Stadt Bern, diesen von Verkehrsanlagen dominierten Platz als «Foyer zum Museumsquartier» stadträumlich, gestalterisch und funktional auf­zuwerten und die Aufenthaltsqualität für Quartierbevölkerung sowie Besucherinnen und Besucher wesentlich zu verbessern. Der ­anonyme, einstufige Projektwettbewerb für Planungsteams im offenen Verfahren wurde im Auftrag des Tiefbauamts der Stadt Bern aus­geschrieben.

Der Wettbewerb solls richten

Die Aufgabe, diesem verkehrsreichen und durch zahlreiche private und öffentliche Anrainer geprägten Platz mit seinem dominanten Monument, das seit 1922 dort steht, ein neues Gesicht zu verpassen, war nicht eben leicht. Gemäss Denkmalpflege solle die ursprüngliche Konzeption des historischen Platzes als Strahlenplatz erneut erlebbar sein. Neue Elemente seien integrativ zu gestalten und mit hohem entwerferischem Anspruch in die Anlage einzufügen. Die angestrebte gestalterische Stringenz solle Identität und Wiedererkennungswert schaffen. Nicht nur bestehende Qualitäten seien zu erhalten, vielmehr seien diese innovativ weiterzuentwickeln. Für das künftige Verkehrsregime ist hier eine Begegnungszone mit Höchsttempo 20 km/h vorgesehen. Die bestehenden Parkplätze sollen aufgehoben werden. «Visitenkarte anstatt Parkplätze» titelte die Tageszeitung «Der Bund» am Tag nach dem Point de Presse und stellte fest, dass dieses Vorhaben den ansässigen Museen durchaus gefällt, dem TCS aber überhaupt nicht.

Eine vielschichtige Aufgabe

Es wurden insgesamt 20 Projekte eingereicht und im März 2019 einer generellen Vorprüfung unter der Leitung von Hochbau Bern unterzogen. Sämtliche Projekte wurden anonym und fristgerecht eingereicht. Alle Projekte ausser Nr. 18 «Strahlenfokus», das sich als Input für die Beurteilung der Pläne versteht und keine eigentliche Projekteingabe ist, wurden zur Jurierung zugelassen. Eine zweite vertiefte Vorprüfung der Projekte der engeren Wahl fand im April in Zusammenarbeit mit den Fachexperten statt. Die unterschiedlichen Lösungsansätze der eingereichten Projekte ermöglichten es dem Preisgericht, die wesentlichen Fragen breit zu diskutieren. Die Aufgabe war vielschichtig, unterschiedliche Interessen waren in Übereinstimmung zu bringen. Gemäss der Jury belegen die bestrangierten Projekte, dass es möglich ist, den unterschiedlichen technischen Anforderungen wie auch den Bedürfnissen für die Nutzung Rechnung zu tragen.

Und der Sieger ist … «coquilles saint-jacques»

Das Projekt «coquilles saint-jacques» vom Team extrā  Landschaftsarchitekten begeisterte die Jury durch ein identitätsstarkes Konzept. Es erfülle zudem die gestellten Vorgaben vorbildlich, steht im Jurybericht. Der Vorschlag will mit einer drei­fachen Baumreihe den Platz künftig wirkungsvoll begrenzen, zudem sind die denkmalpflegerischen Aspekte in die Gesamtkonzeption integriert und aufgewertet. Es ent­stehe so ein urbaner Raum mit grossstädtischem Flair, ohne den «Berner Massstab» zu sprengen.

Der Boden aus Naturstein sei ein entscheidender Faktor für die Ausstrahlung des Platzes, betonte die Jury. Die Bodenpflästerung stärke die Identität der Platzmitte und sei ein gestalterisch robuster, gut befahrbarer Träger für den zu erwartenden Verkehr. Als klar und unaufdringlich wurde die vorgesehene Beleuchtung beurteilt. Einfache Kandelaber unter den Bäumen und eine abgehängte Strassenbeleuchtung über der offenen Platzanlage versprechen eine angemessene Massnahme, die auch die visuelle Sicherheit berücksichtigt.

Als Fazit schrieb die Jury: «Insgesamt weist der Beitrag mit der Wahl der landschaftlichen und architektonischen Mittel ein hohes gestalterisches Niveau auf. Der Platz wird durch seine direkten und einfachen Massnahmen zu einer identitätsstarken Adresse in Bern und vermag auch die gewünschte zukünftige Nutzungsflexibilität zu erfüllen.»

Attraktiver Auftakt zum Museumsquartier

Das Siegerprojekt setzt nach einhelliger Meinung der Jury die Erwartungen der Stadt an die Ge­staltung, die Funktionalität und die Aufenthaltsqualität dieses für Bern wichtigen Platzes auf überzeugende Weise um. Das Projekt wird nun gemäss den Empfehlungen des Preisgerichts weiterbearbeitet. Die Realisierung der Umgestaltung ist ab 2023 vorgesehen und wird rund ein Jahr dauern. Das Siegerprojekt passt sehr gut zu den beabsichtigten Entwicklungen im Umfeld, und der Helvetiaplatz kann mit «coquilles saint- jacques» zukünftig auch die Funktion eines attraktiven Foyers für das Berner Museumsquartier übernehmen.

Weitere Pläne und Bilder finden Sie in der Rubrik Wettbewerbe.

 

Ein Ort mit Anspruch und Geschichte

Die Kirchenfeldbrücke wurde bis Ende des 19. Jahrhunderts «Englische Brücke» genannt. Denn die britische Firma Vanderbyl & Co. erwarb 1879 die rund 80 Hektaren umfassenden Kirchen- und Lindenfelder. Sie liess 1883 die Kirchenfeldbrücke nach den Plänen der Ingenieure Moritz Probst und Jules  Röthlisberger durch die Metallbaufirma Gottlieb Ott & Cie. ausführen. Der Helvetiaplatz war gemäss Kirchenfeldplan von 1881 eine repräsentative Anlage mit sternförmig angeordneten Strassen. 1892 veränderte der Bau des historischen Museums diesen städtebaulichen Entwurf massgeblich, das Radialmuster wich zum Teil einem Orthogonalmuster. 1901 fuhr erstmals die damalige Tramlinie III (Breitenrain-Bugernziel) über die Brücke. Die im ursprünglichen Plan nicht konzipierten Bauten der Kunsthalle (1917) und des Alpinen Museums (1933/34) markieren heute den Zugang zum Kirchenfeldquertier. Der Helvetiaplatz ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz der höchsten Schutzstufe zugeordnet.

Öffentlich zugängliche Jurierung

Anlässlich einem «Point de Presse» am 1. April haben Gemeinderätin Ursula Wyss, Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün sowie der Bereichsleiter Hochbau Stadt Bern Heinrich Sauter als Vorsitzender der Jury über das Verfahren orientiert. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich der Aufwand, der für diese öffentliche Jurierung notwendig ist. Bei der ehemaligen Volksschule Wankdorf (Marcel Mäder + Karl Brüggemann Architekten 1959-1961) an der Morgartenstrasse 2c waren die Eingaben jeweils im Doppel gehängt  einmal für die Jury und abgetrennt für die Besucher. Und die Diskussionen der Jury wurden in die Aula der dortigen Sprachheilschule übertragen. 

Bei Sitzungsbeginn der Jury war allerdings erst eine Handvoll Interessierter auszumachen. Anlässlich der Schlusssitzung vom 30 April und der Verkündung der Gewinner ist das Interesse leicht gestiegen und dem Vernehmen nach hat am 2. Jurytag eine Gruppe Studierender das Geschehen besucht.

Das Projekt Museumsquartier

Ende April haben Burgergemeinde, Stadt und Kanton Bern sodann die Machbarkeitsstudie für ein Museumsquartier im Kirchenfeld vorgestellt. Die Abgrenzungen zwischen den bestehenden Museen sollen einem gemeinsamen Eingang weichen. 250 Millionen Franken soll das Ganze kosten.

Geplant ist ein offener Zugang vom Helvetiaplatz her der unter das Historische Museum führt. Dort dient eine überhohe Säulenhalle als Empfangszone und von dieser unterirdischen Anlage aus sollen die Gärten rund um das Schützenmuseum, das Naturhistorische Museum und die Landesbibliothek zugänglich sein. Entwickelt hat die Studie das Atelier für Städtebau Han Van de Wetering, Zürich gemeinsam mit Bogner Knoll aus Wien. Darauf basierend ist ein Architekturwettbewerb für Herbst/Winter 2020 geplant, als Zeithorizont für die Realisierung wird 2025 bis 2030 angenommen.

 

Weiterbearbeitung

1. Rang / 1. Preis «coquilles saint-jacques»: Team extrā Landschaftsarchitekten, Bern

Weitere Teams

2. Rang / 2. Preis «Unter den Linden»: Team Skala Landschaft Stadt Raum, Zürich
3. Rang / 3. Preis «Colombo»: Team JANS Landschaftsarchitektur & Gestaltung öffent­licher Raum, Zürich
4. Rang / 4. Preis «Vermicelles»: Team Bryum, Basel
5. Rang / 5. Preis «Mein Name Ist Eugen»: Team Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten, Bern
6. Rang / 6. Preis «Kulturparkett»: Team Yewo Landscapes, Wien

FachJury

Heinrich Sauter, Bereichsleiter, Hochbau Stadt Bern (Vorsitz); Mark Werren, Stadtplaner, Stadtplanungsamt Bern; Robin Winogrond, Studio Vulkan, Zürich; Henrike Wehberg-Krafft, WES LandschaftsArchitektur, Hamburg/Berlin; Mateja Vehovar, Vehovar & Jauslin, Zürich; Klaus Zweibrücken, Hochschule für Technik Rapperswil; Peter Baumgartner, ehemaliger stellvertretender Denkmalpfleger Kanton Zürich

SachJury

Ursula Wyss, Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün (TVS); Dieter Bogner, bogner_knoll, Museumsplaner, Wien; Jacqueline Strauss, Direktorin des Museums für Kommunikation; Mathias Kühni, Abteilungsleiter Entwicklung + Erhaltung, Tiefbauamt Stadt Bern; Karl Vogel, Leiter Verkehrsplanung Stadt Bern; René Schmied, Direktor Bernmobil

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