«Um­sicht – Re­gards – Sguardi» 2017: die Ge­win­ner

Der Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein SIA hat am 22. März 2017 zum vierten Mal die Auszeichnung «Umsicht – Regards – Sguardi» für die zukunftsfähige Gestaltung des Lebensraums vergeben. Sechs Projekte erhielten eine Auszeichnung, zwei weitere eine Anerkennung. 

Date de publication
22-03-2017
Revision
23-03-2017

Die Jury zeichnete Werke aus, die von interdisziplinären Planungsteams entwickelt wurden, ökologisch und sozial nachhaltig und ganzheitlich gedacht sind. Gesucht waren also in jeder Hinsicht «umsichtige» Planungen, die in besonderer Weise zur zukunftsfähigen Gestaltung des Lebensraums Schweiz beitragen. Sechs der insgesamt 79 eingereichten Arbeiten wurden ausgezeichnet, zwei erhielten eine Anerkennung.

Perspektiven der Landschaft

Vier der prämierten Arbeiten verbindet das Anliegen, die gewachsene Kulturlandschaft der Schweiz zukunftsorientiert weiterzuentwickeln: So erhielt die Revitalisierung des Flusses Aire bei Genf mit ihrem dezidiert architektonisch-landschaftsgärtnerischen Ansatz eine Auszeichnung. Aus dem Miteinander von Wasserbau, Biologie und Landschaftsgestaltung entstehen eine differenzierte Landschaft und eine bemerkenswerte Synthese aus Natur und Artifiziellem.

Ebenfalls ausgezeichnet hat die Jury die Erneuerung des Wasserkraftwerks Hagneck bei Biel, dessen Dreiklang aus moderner Kraftwerktechnik, sensibler Architektur und landschaftlichen Einbettung gemäss Jury «ein wegweisendes Beispiel für die in den nächsten Jahren in grosser Zahl zu erwartenden Erneuerungen von Kraftwerken» darstellt (vgl. «Ökologisches Glaubensbekenntnis»).

Das vielleicht unkonventionellste Landschaftswerk unter den Preisträgern sind die «Ricomposizioni» in Sceru und Giumello im Malvagliatal. Die zwei Alpweiler auf 2000 m Höhe, im Nordosten des Kantons Tessin sind seit Langem verlassen. Vor einigen Jahren begann Martino Pedrozzi, ein Architekt aus Mendrisio – zunächst allein, später unterstützt von Helfern –, die Steine der umliegenden verfallenen Gebäude innerhalb der noch bestehenden Fragmente zu einem Plateau aufzuschichten, das den ursprünglichen Perimeter des Gebäudes abbildet. Obschon das Projekt keine Aspekte technischer und gesellschaftlicher Innovation aufweist, sah die Jury in dem Land-Art-Projekt eine «Referenz an vergangene alpine Nutzungen und eine räumliche Neuinterpretation der vorgefundenen Artefakte», für die sie eine Anerkennung aussprach.

Der vierte Preisträger liegt im Dorf Valendas im Kanton Graubünden; das dortige, seit Jahren leer stehende alte Schulhaus wurde zum Besucherzentrum des Naturparks Beverin umgebaut. Für das Dorf stellt es zugleich den Schlussstein erfolgreicher Dorferneuerung dar – als Teil einer Initiative, die der Entvölkerung der Berggebiete mit konkreten Projekten entgegentritt, ist die neue Nutzung des Schulhauses zugleich «Zeugin für eine engagierte, zukunftsgläubige Bevölkerung ausserhalb der Ballungszentren», wie es im Urteil der Jury heisst.

Solidarität und Inklusion

Mit der Wohnsiedlung «Zwicky Süd» stellte die Genossenschaft «Kraftwerk1» auf dem 24 Hektar grossen Gelände der ehemaligen Spinnerei Zwicky am Ufer der Glatt in Dübendorf ZH unter Beweis, dass neben der Energieeffizienz und dem partizipativen Planungsansatz noch mehr möglich ist: Inklusion und Solidarität – über Nationen, Lebensformen und soziale Schichten hinweg (vgl. «Wohnen an verzwickter Lage»). Rund 300 Personen aus über zwölf Ländern wohnen derzeit in der Siedlung, darunter auch solche, deren Miete aus einem Solidaritätsfond mitfinanziert wird; aber auch Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen, die hier betreute Wohnformen finden, sowie fünf Flüchtlingsfamilien.

Vom Vorortbahnhof zum regionalen Drehkreuz

Als technisch und logistisch aufwendiges Verkehrsprojekt wurde der Ausbau des Bahnhof Zürich Oerlikon weit über die Grenzen der Limmatstadt hinaus bekannt – vor allem nach der Verschiebung eines 123 Jahre alten, denkmalgeschützten Industriebaus, der der verbreiterten Bahntrasse im Weg stand (vgl. «Gebäudeverschiebung auf 500 Stahlrollen»). Die «Umsicht»-Jury verlieh dem eng mit dem Bau der Zürcher Durchmesserlinie verbundenen Projekt als «herausragende Gesamtlösung» eine Auszeichnung, weil es den beteiligten Planern gelang, trotz einer Vielzahl von Bauherrschaften, dem Bauen unter Betrieb und der mehrfachen Vergrösserung des Projektierungsperimeters eine einheitliche gestalterische Handschrift über alle Bauwerke umzusetzen (vgl. «Oerlikon underobsi»).

Neue Wege effizienter Energienutzung

Ebenfalls einen Preis erhielt das NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in Dübendorf. Am NEST erproben Wissenschaftler die Gebäudetechnologie und die Gebäudehülle der Zukunft. Es ist weniger ein konventionelles Gebäude als eine gebaute Trag- und Versorgungsstruktur mit wechselnden «Inhalten». Neue Technologien können hier realitätsnah im 1:1-Modell und unter Nutzung getestet werden (vgl. «Ein Brutplatz für die Forschung»).

Die zweite Anerkennung schliesslich ging an das Gebäudesystem «BS2 Zeleganz®». Das von Professor Hansjürg Leibundgut an der ETH Zürich in zwölf Jahren interdisziplinärer Forschungsarbeit entwickelte «Zeleganz®»-Systems (Zero Emission Low Ex ganzheitlich) bewirtschaftet die saisonal variierende Solarenergie clever. Es setzt auf kluge Steuerung und effektive Speichermedien statt auf maximale Dämmung und Energieeffizienz. Die Jury erkannte in dem System einen wertvollen Baustein zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes.

TEC21 hat die Projekte in einem Sonderheft zusammengefasst. espazium.ch wird sie in den kommenden Wochen ausführlich vorstellen.

Ausstellung
Die «Umsicht»-Ausstellung ist vom 27. bis 30. März 2017 im Stadtmodellraum der Stadt Zürich, Amtshaus IV, Lindenhofstrasse 19 zu sehen sein, bevor sie in verschiedenen Regionen der Schweiz sowie im benachbarten Ausland gezeigt wird.

 

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