Vom Amt­shaus zum In­ge­nieurbüro

Restaurierung und Modernisierung Amtshaus Aarwangen

Seit 1826 ist das klassizistische Gebäude in Aarwangen ein Bürogebäude. Das Ingenieurbüro Fürst Laffranchi führt die Tradition weiter und hat sein Büro in den restaurierten Räumen eingerichtet.

Date de publication
09-06-2016
Revision
09-06-2016

Das klassizistische Gebäude des ehemaligen Amtssitzes in Aarwangen liegt an der Hangkante zur Aare, unweit der neuen Aarebrücke der Aare Seeland mobil (TEC21 47/2015). Bis zur Reform der Berner Kantonsverwaltung im Jahr 2009 diente der 1826 erstellte Bau als Verwaltungssitz, zuletzt als Betreibungs-und Konkursamt.

Nach der Verwaltungsreform wurde die Liegenschaft unter Schutz gestellt und verkauft. Die kantonalen Denkmalpflege war in die Verkaufsverhandlungen nicht direkt mit einbezogen. Für private Bauherrschaften ist in den Verkaufsunterlagen aber eine Schutzformulierung integriert, die bei einer Instandsetzung oder Renovation die enge Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege verlangt. 

Den Zuschlag für den Kauf erhielt das Ingenieurbüro Fürst Laffranchi, das bis zum Umzug im August 2015 im nahe gelegenen Wolfwil SO angesiedelt war. Mit Wertschätzung liessen sich die beiden Bauingenieure Armand Fürst und Massimo Laffranchi auf ihren neuen Besitz ein. Michael Gerber, Leiter der Denkmalpflege des Kantons Bern, betont denn auch, es sei mit ein Verdienst der Bauherrschaft, dass Auffrischung und Neunutzung des Amtshauses glückten: «In ihrer ingenieurspezifischen Arbeit zum Beispiel im Umgang mit dem Saaneviadukt (TEC21 25/2013) oder der Brücke Aarwangen widerspiegelt sich ihre Sensibilität im Umgang mit historischer Bausubstanz. Das verhiess auch für das Amtshaus Gutes.»

Suche nach dem Original

Baukonzept und Baueingabe gingen intensive Analysen der bestehenden Bausubstanz voraus. Der Langen­thaler Architekt Matthias Frei doku­mentierte dafür den aktuellen Zustand inklusive der ursprünglichen Ausstattung und Farbigkeit in einem Raumbuch. Man suchte das Original und wurde mancherorts fündig: Unter verschiedenen jüngeren Oberflächen kamen bauzeitliche Schichten zum Vorschein.

Man stellte auch fest, dass es zwischen der Entstehungszeit des Hauses und der Renovation von 1980 mindestens noch eine ­grös­sere Intervention gegeben hatte. Damals wurden vermutlich die Fisch­gratparkette aus Buchenholz eingebaut, die Täfer mindestens ­einmal gestrichen und sämtliche Aussenfenster – mit Ausnahme von drei Räumen im Erd­geschoss und den beiden Treppenhausfenstern – nach innen versetzt.

Das Raumbuch war schliesslich ein optimales Instrument, um die Umbauabsichten zu präzisieren und das definitive Baukonzept zu erstellen. Mit Plänen und Fotos bestückt und mit den ausformulierten Eingriffen versehen, wurde es als Baugesuch eingereicht.

Historischer Kontext – neuzeitlicher Ausbau

Ziel der Umbauarbeiten war eine Rückführung in den ursprünglichen Zustand, sofern sich dieser eruieren liess – allerdings so in die Gegenwart transformiert, dass eine uneingeschränkte Nutzung als modernes Ingenieurbüro möglich war. Gröbere Umbauarbeiten aus jüngerer Zeit wurden rückgängig gemacht. So liess man im Ober­geschoss die durch übergrosse Öffnungen veränderte Raumstruktur wiederherstellen; Eingriffe in die Tragstruktur waren nicht notwendig und wären von der Denkmal­pflege auch nicht erlaubt gewesen.

Veränderte Täfer wurden repariert, so im Erdgeschoss, wo man bei früheren Renovierungsarbeiten das originale Täfer an den Stössen mit breiteren Profilleisten versehen hatte, um es nicht umfangreicher ausbessern zu müssen. Die raumhohe Täferung konnte nun aber instand gesetzt und in Anlehnung an die Befunde mit Ölfarbe gestrichen werden. Bauzeitliche Böden wurden wiederhergestellt. Wo sie nicht mehr vorhanden oder sehr schadhaft waren, baute ein regional ansässiger Schreinerbetrieb neue Böden nach ursprünglichem Befund ein. 

Diesem Konzept blieben die Planenden auch beim Umgang mit den Fenstern treu. Die wenigen originalen Fenster wurden erhalten und instand gesetzt (keine Isolierverglasung). Die Fenster jüngeren Datums – Replika mit Isolier- und Schallschutzglas – liess man durch neue, den originalen Fenstern detailgetreu nachgebildete Holzfenster ersetzen.

In allen Räumen wurden die ungeeigneten Anstriche der Putzoberflächen entfernt und mit mineralischen Materialien wieder aufgebaut: zuerst geflickt, gespachtelt und geschliffen, danach mit der Bürste dreimal gekalkt. Bei ehemals tapezierten Räumen liess Frei die Wände erneut mit Tapeten ausstatten. Die kräftigen Farben als neuzeitliche Interpretation geben den Räumen eine besonders stimmungsvolle Atmosphäre. 

Wo eindeutige Befunde aus der Bauzeit oder die historische Ausstattung fehlten, gab es Spielraum für eine zeitgenössische Gestaltung. So haben die Nassräume satte Farbtöne und moderne Ausstattungen erhalten, und im Gang sowie in der Küche wurden als Erinnerung an die originalen Kalksteinplatten neue Zementbodenplatten verlegt.

Gepflegte Neunutzung

Die Restaurierung des Gebäudes ist seit Ende 2015 abgeschlossen. An der Gartenanlage wurden die letzten Arbeiten ausgeführt; sie wurde auf Basis verschiedener Befundunter­suchungen wiederhergestellt. Die Aufwendungen für Restaurierung und Modernisierung des Amtshauses waren insgesamt hoch. Planerische Kreativität bezüglich Denkmalpflege und Architektur waren gefragt – letztlich auch von unternehmerischer Seite, denn die Qualität der Interventionen zeigt sich in den ausgeführten Details, die unaufdringlich wirken und kaum als solche erkennbar sind.

Dennoch: Wo denkmalpflegerische Anforderungen auf nutzungsbedingte Aspekte treffen, sind Kompromisse erforderlich. Manchmal halfen reduzierte Aufrüstungspflichten wie bei bauphysikalischen oder energetischen Details wie der Dämmung, nie aber wurde die grundsätzliche Machbarkeit infrage gestellt.

Denkmalpfleger Michael Gerber zweifelte nicht daran, dass das Amtshaus modernisiert werden könne, vielmehr stellte sich die Frage nach dem Wie: Eine komplette Rückführung auf den originalen Bauzustand 1826 sei ohnehin nur ein theoretischer Ansatz. Schliesslich können Kompromisse auch positiv verstanden werden. Wenn die Bauherrschaft Material, Formen, Atmosphäre und Bauzeit wertschätzt, auf die historische Substanz eingeht und sie zu nutzen weiss, lässt sich daraus ein Mehrwert gewinnen. 

Armand Fürst lobt die ansprechende Gestalt, das Innenraumklima und die grosszügigen Räumlichkeiten des Hauses, das bereits ursprünglich als Verwaltungsgebäude geplant war: «Uns gefällt die Einbindung des Hauses in den historischen Kontext des Schlosses Aarwangen und der Garten vor dem Haus. Er dient uns der Entspannung während der Pausen und der Mittagszeit.» Im historischen und geschützten Bauwerk stecke ausserdem eine nicht zu unterschätzende räumliche Flexibilität.

Eine moderate Vergrösserung des Personalbestands ist möglich, in den renovierten Zimmern hat es noch genug Platz für zwei bis vier weitere Mitarbeiter. Ausserdem kann die ostseitig liegenden Holzlaube oder das Dachgeschoss zusätzlich ausgebaut und genutzt werden. Massimo Laffranchi ergänzt: «Die Geschichte und die Bausubstanz widerspiegeln im Kern unsere Interessen im Umgang mit bestehenden Bauwerken.» Die Ingenieure begrüssten insgesamt auch die Nähe zum bisherigen Bürostandort und den repräsenta­tiven Charakter des Gebäudes. 

Der neue Firmensitz von Fürst Laffranchi Ingenieure ist ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht zuletzt auch der positiven Publizität des Ingenieurbüros zunutze kommen kann.

Literaturhinweis

Fachwerk 2015, das Magazin der Denkmalpflege des Kantons Bern

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH

Architekt
BFR LAB Architekten

Denkmalpflege
Kantonale Denkmalpflege

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