Dia­log auf Au­gen­hö­he

Aus den Berufsgruppen: Berufsgruppe Ingenieure

Die SIA 101: Ingenieurbüros erhalten immer ­häufiger Aufträge, die eine Unterstützung des ­Bauherrn sowie fachliche Projektbegleitungen und -prüfungen beinhalten. Ergibt das Sinn?

Publikationsdatum
16-03-2017
Revision
16-03-2017

Bei der Abwicklung von Bau­ingenieuraufträgen sollte die Ausbildung und Erfahrung der beauftragten Fachpersonen die selbstständige Bearbeitung der Projektaufgabe ermöglichen. Eine fachliche Projektbegleitung bzw. Projektprüfung ist daher im Grundsatz nicht nötig, denn die fachliche Qualitätssicherung («Vier-Augen-Prin­zip») bei der Projektbearbeitung ist interne Sache des beauftragten Ingenieurbüros.

Personalmangel, zunehmende administrative und organisatorische Belastungen auf Seite der Auftraggebenden, immer komplexere Projekte, aber auch die Erkenntnisse aus Schadenfällen wecken jedoch mehr und mehr das Bedürfnis nach einer zusätzlichen, externen Projektunterstützung durch unabhängige, erfahrene Berufsleute. Es geht also um die praktische Umsetzung der SIA 101 Ordnung für Bauherrenleistungen, die sich derzeit in Entwicklung befindet. Diese Ordnung behandelt neben den Rechten und Pflichten des Bauherrn insbesondere die Rollen und die zweckmässige Einbindung der Bauherrenvertreter und Bauherrenunterstützer. Die Mandate der entsprechend beauftragten Ingenieure werden unterschiedlich bezeichnet, z. B. als «Prüfingenieurauftrag», «Sachverständigenauftrag», «Second Opinion» oder «Gutachten», sind aber nicht immer klar definiert und beschrieben. Diese unklare Situation führt neben unzweckmässig ausgestalteten Aufträgen leicht zu Missverständnissen unter den Projektbeteiligten.

Die Berufsgruppe Ingenieurbau des SIA (BGI) setzt sich deshalb dafür ein, dass klar abgegrenzte Grundformen für die Ausgestaltung fachlicher Projektbegleitungen bzw. Projektprüfungen im Sinn der SIA 101 bestimmt werden. Folgende Fragen sind dabei zu beantworten:

  • In welchen Fällen und in welcher Form ist eine fachliche Projekt­begleitung oder -prüfung zweck- und verhältnismässig?
  • Wer sollte damit beauftragt werden?
  • Wann sollte die Beauftragung der Projektbegleitung oder -prüfung erfolgen?
  • Was und in welcher Tiefe sollte fachlich begleitet oder geprüft werden?
  • Wie sollte die Projektbegleitung oder -prüfung ablaufen, und wie soll sie dokumentiert werden?

Vergessen wir bei der Beantwortung dieser Fragen nicht unsere Schweizer Planungskultur, in der jeder einzelne Mitarbeitende dank guter Ausbildung und Verbundenheit zu der ihm gestellten Aufgabe grosse eigene Verantwortung übernimmt.

Ist eine Projektbegleitung angebracht, so sollten Bauherren diese möglichst früh einsetzen, denn die Weichen werden bei der Wahl der Konzepte gestellt. Als Ingenieure sollten wir uns jedoch auch offen zeigen für einen kritischen Dialog unserer Lösungen mit Berufskolleginnen und -kollegen. Ein solcher Dialog bedeutet kein Misstrauen in unsere Arbeit! Im Gegenteil – auf Augenhöhe geführt ist er bereichernd und motivierend.
 

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