«Es ist wich­tig, dass sich der SIA im Par­la­ment ein­bringt»

SIA-Mitglieder in der Politik

Der eine startet in seine dritte Legislatur, der andere ist ein Neuling auf der nationalen Politbühne: Beat Flach (Grünliberale, AG) und Kurt Egger (Grüne, TG) vertreten den SIA in den nächsten vier Jahren im ­Nationalrat.

Publikationsdatum
05-12-2019

SIA: Kurt Egger, herzliche Gratulation zu Ihrer Wahl in den Nationalrat. Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie das Bundeshaus zum ersten Mal als Nationalrat betreten?

Kurt Egger: Auf die Arbeit in der Fraktion. Die neuen Natio­nalrätinnen und Nationalräte der Grünen stammen aus verschie­denen Branchen: Wir sind Energiefachleute, Unternehmer, Landwirte, Soziologen oder Finanz­spezialis­ten – das Spektrum ist breit.

SIA: Beat Flach, Sie haben bereits acht Jahre Erfahrung in der Grossen Kammer. Was hat Sie dazu motiviert, erneut zu kandidieren?

Beat Flach: Die Arbeit als Nationalrat macht mir immer noch einen Riesenspass! Ausserdem habe ich viele angefangene Projekte, etwa die zweite Revisionsetappe des Raumplanungsgesetzes (RPG2) oder die Revision des Bauvertragsrechts, die ich in der nächsten Legislatur vorantreiben werde.

SIA: Wenn Sie Ihrem neuen Kollegen Kurt Egger einen Rat geben könnten: Welcher wäre das?

Beat Flach: Er sollte Mut zur Lücke haben. Damit meine ich, nicht jede Einladung annehmen und nicht jede Veranstaltung besuchen. Ich erhalte pro Tag ein Kilo Post und rund hundert E-­Mails – Newsletter und Cc-E-Mails nicht eingerechnet. Ohne Priori­täten zu setzen geht es nicht.

Kurt Egger: So viel Post? Ich bin beeindruckt.

SIA: Abgesehen von der Briefflut, wovor haben Sie am meisten Respekt in Ihrer neuen Funktion, Herr Egger?

Kurt Egger: Ich trage Verantwortung als einer von sechs Nationalrätinnen und Nationalräten, die den Thurgau in Bern vertreten. Als Grüner spüre ich auch die hohen Erwartungen der Wählerinnen und Wähler. Der Druck ist durch die «grüne Welle» grösser geworden. Wir müssen Resultate liefern.

SIA: Herr Flach, Sie sind als Rhein­matrose in Ihr Berufsleben gestartet. Heute arbeiten Sie als Jurist beim SIA, wenn Sie nicht im Nationalratssaal sitzen. Welche Gemeinsamkeiten haben diese drei Tätig­keiten?

Beat Flach: Am wichtigsten ist es, offen zu bleiben und flexibel zu reagieren. Als Rheinmatrose wusste ich oft nicht, welche Ladung ich bei der nächsten Fahrt an welchen Hafen transportieren würde. Als Jurist und als Parlamentarier komme ich mit Themen in Berührung, von denen ich noch nie gehört habe.

SIA: Herr Egger, Sie sind unter anderem Vizepräsident der SIA-Sektion Thurgau, Mitinhaber einer Umwelt- und Energieberatungsfirma, Präsident der Grünen Thurgau und jetzt noch Nationalrat. Wie viele Stunden hat Ihr Tag?

Kurt Egger (lacht): 24, als ich das letzte Mal gezählt habe. Ich bin sehr gut organisiert in meinem Unternehmen, das Mandat als Kantonsrat gebe ich ab. Ich denke, ich bin gut vorbereitet. Wie hoch ist dein Pensum beim SIA, Beat?

Beat Flach: 50 bis 70 Prozent. Die Arbeitsbelastung als Nationalrat hängt auch von den Kommis­sionen ab, in denen man Mitglied ist. In manchen Kommissionen wälze ich 20 cm hohe Papierstapel, in anderen beschränkt sich der Aufwand auf das Lesen von ­Berichten.

SIA: Die Planerberufe sind im Vergleich zu anderen Branchen auf der poli­tischen Ebene untervertreten. Wie wollen Sie den Anliegen Ihres Berufsstands mehr Gehör verschaffen?

Beat Flach: Früher waren wir acht SIA-Mitglieder im Parlament. Nun sind wir noch zu dritt – wir zwei im Nationalrat und Olivier Français (FDP, VD) im Ständerat. Aber es fehlen nicht nur Ingenieure und Architekten, sondern auch Unternehmer aus anderen Branchen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Kenntnisse der Planerbranche gefragt sind und ich so auch Gehör finde bei den anderen Fraktionen.

Kurt Egger: Es ist wichtig, dass sich der SIA im Parlament einbringt. Der SIA und seine Mit­glieder gelten zu Recht als vertrauenswürdig und hochprofessionell.

SIA: Wo sehen Sie die Gründe für die fehlenden SIA-Mitglieder im Parlament?

Beat Flach: Es liegt sicher nicht an mangelndem Interesse oder Engagement. Aber ein Planungsbüro zu führen und gleichzeitig ein Mandat im National- oder Ständerat zu haben, das ist schwierig.

Kurt Egger: Dafür bin ich ein gutes Beispiel. Ich war immer sehr an Politik interessiert, aber meine Firma stand an erster Stelle. Deshalb bin ich so spät in die Politik eingestiegen.

Beat Flach: Wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich viele SIA-Mitglieder auf lokaler, regionaler oder kantonaler Ebene in der Politik engagieren.

SIA: Welche Ziele haben Sie sich für die neue Legislatur in Bern gesetzt?

Kurt Egger: Die Energie­politik ist ein grosser Brocken. Hier denke ich in erster Linie an das CO2-Gesetz. Die Schweiz muss zudem bei den Gebäudesanierungen und den erneuerbaren Ener­gien zulegen.

Beat Flach: Bei den Umweltfragen und der Raumplanung werden wir hoffentlich gute Lösungen finden. Weitere heisse Eisen sind die Altersvorsorge und die Kampfjetbeschaffung. Sehr am Herzen liegt mir die Ehe für alle – da sind wir auf gutem Weg.

SIA: Der SIA engagiert sich gemäss seiner Vision für einen «zukunftsfähigen und nachhaltig gestalteten Lebensraum von hoher Qualität». Wo wird das neue, «grünere» Parlament diesbezüglich in vier Jahren stehen?

Beat Flach: Wir sind noch lang nicht nachhaltig unterwegs, vor allem bei grossen Infrastrukturprojekten. Wir müssen uns vermutlich wieder neu über die Bedeutung von Nachhaltigkeit verständigen und zusammen mit Kantonen, Städten und Regionen unsere Ziele definieren. Aber vier Jahre werden dafür nicht reichen.

Kurt Egger: Ich bin optimis­tischer. In der Energie- und Klimapolitik und bei der Raum­planung werden wir vorwärts­kommen. Das hat für mich Priorität – dafür bin ich gewählt worden.

SIA: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Myriam Barsuglia, Vereinspolitik, Verantwortliche Public Affairs, myriam.barsuglia [at] sia.ch,
und Verena Felber, Medien / Redaktion,
verena.felber [at] sia.ch

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