Ver­ga­be­ver­fah­ren un­ter der Lu­pe

Neue Reihe: Ordnungen praktisch

Zur Frage, ob ein Studienauftrag oder ein Wettbewerbsprogramm fair ist und mit den SIA-Vergabeordnungen in Einklang steht, bietet der SIA Auslobern eine Beratung sowie die Begutachtung des Programms an.

Publikationsdatum
19-05-2016
Revision
19-05-2016

Unter dem Stichwort «Ordnungen praktisch» soll in dieser Reihe fortan regelmässig ein Thema aus den Vergabeordnungen SIA 142, 143 und 144 behandelt werden. Den Auftakt macht der Art. 13.4 der Ordnungen SIA 142 und 143. Dort heisst es: «Der SIA bietet als Dienstleistung eine Beratung sowie die Begutachtung des Programms auf dessen Übereinstimmung mit der vorliegenden Ordnung an. Die Begutachtung soll im Programm vermerkt werden.» Diese Dienstleistung ist kostenlos, sie verlangt jedoch viel Einsatz vonseiten der Kommission SIA 142/143 für Wettbewerbe und Studienaufträge, der SIA-Geschäftsstelle und der Auftraggeber.

Wie sich dieser Einsatz im Einzelnen gestaltet, wer dabei involviert ist und ­warum es Zeit braucht, bis ein zufriedenstellendes Resultat vorliegt – das will ich hier beantworten.

Pro Jahr werden rund 120 Wettbewerbsprogramme auf ihre Übereinstimmung mit den Ordnungen SIA 142 und 143 begutachtet. Programme, die als konform zu den Ordnungen eingestuft werden, erhalten von uns den sogenannten «Stempel». Programme, die diesen Stempel auf der Titelseite führen, bieten hohe Rechtssicherheit, weisen in der Regel einen durchdachten Verfahrensablauf auf und dürfen als fair für alle Beteiligten gelten.

Die Begutachtung im Detail

Zu Beginn steht die Entscheidung des Auftraggebers, ein Verfahren übereinstimmend mit der Ordnung SIA 142 oder SIA 143 durchzuführen. Das Programm kann er dann an die E-Mail-Adresse: 142 [at] sia.ch (142[at]sia[dot]ch) senden und auf die Einhaltung der wichtigsten Punkte prüfen lassen; dazu gehört z. B. eine angemessen hohe Gesamtpreissumme sowie grösstmögliche Verfahrenstransparenz.

Der Ablauf der Begutachtung ist standardisiert und folgt den von der Kommission SIA 142/143 fest­gelegten Regeln:

Wir, ein Team von drei Begutachtern in der SIA-Geschäftsstelle, bestätigen den Empfang des Programms. Gegebenenfalls erbitten wir mit dem Empfangsschreiben weitere, noch fehlende Unterlagen, etwa Angaben zu den voraussichtlichen Baukosten. Nach einer ersten Sichtung des Programms verfassen wir ein «Feedback» und schicken alle Unterlagen an ein Kommissionsmitglied. Diese Mitglieder können auf umfangreiche Erfahrung im Wettbewerbswesen zurückgreifen. Sie kommen aus allen Regionen der Schweiz und verschiedenen Planersparten und repräsentieren sowohl die Teilnehmer- als auch die Auftraggeberseite. Sie arbeiten pro bono und ehrenamtlich.

Das Kommissionsmitglied beurteilt nun seinerseits die «Konformität» des Programms und bringt Ergänzungen und Korrekturen zum ersten Feedback an. Bei komplexen Problemen können auch zusätzliche Kommissionsmitglieder einbezogen werden. Dieses Vorgehen nennen wir das «Vier-Augen-Prinzip». Im Anschluss wird das erste Feedback überarbeitet und dem ­Organisator in Form eines aus­führlichen Zwischenberichts zu­geschickt. Dieser führt die wichtigsten anzupassenden Punkte auf. Vom Empfangsschreiben bis zum Verfassen des Zwischenberichts dauert der Prozess in der Regel rund zwei Wochen.

Der Organisator hat nun anhand des Zwischenberichts die Möglichkeit, das Programm entsprechend zu überarbeiten und erneut zur Begutachtung vorzulegen. Dieses aktualisierte Programm wird nochmals auf die angemahnten und zunächst nicht ordnungskonformen Punkte hin überprüft. Schliesslich teilen wir dem Organisator das Ergebnis der Begutachtung in Form eines «Konformitätsschreibens» mit. Im besten Fall schliesst die Begutachtung mit dem Stempel ab, im schlechtesten Fall konnte der Stempel zwar nicht vergeben, aber das Programm gesamthaft verbessert und aufgewertet werden.

Vom Empfangs- bis zum end­gültigen Konformitätsschreiben können bis zu drei Wochen vergehen. Aus unserer Sicht lohnt es sich auf jeden Fall, das Programm vor einer Verfahrensausschreibung begutachten zu lassen und dafür ausreichend Zeit einzuplanen.

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