Un­ter­grund­spei­cher oh­ne De­fi­zit­ga­ran­tie

Dezentrale Energiesysteme

Energienetze für Areale puffern Wärmeüberschüsse häufig mit einem Erdwärmespeicher ab. Ein reibungsloser Betrieb dieser Systeme ist oft nur mit einem sorgfältigen Monitoring zu erreichen.

Publikationsdatum
26-02-2015
Revision
06-10-2015

Anergienetze verknüpfen Energiequellen, zum Beispiel ein Bürohaus als ­Abwärmelieferant, und Energiesenken, zum Beispiel ein Wohnhaus als Wärme­bezüger, weshalb sie zur Heizung und Kühlung von Gebäuden eingesetzt ­werden können (vgl. Glossar). Nach Bedarf dient ein Erdwärmespeicher dazu, die Energiebilanz im ­thermischen Versorgungsnetz zeitlich auszugleichen.1

Damit jedoch der Untergrundspeicher mittelfristig selbst weder unterkühlt noch zu sehr erwärmt wird, muss die Bilanz aus Wärmezufuhr und Wärmeentzug im ­Jahresverlauf ebenfalls ausgeglichen sein. Wird zu ­wenig Wärme gespeichert, ist der Heizbedarf nicht ­immer gedeckt. Bei zu viel gespeicherter Wärme ist der Freecooling-Kühlbetrieb im Spätsommer nicht ­garantiert. 

Das Szenario mit unausgeglichener Speicherbilanz konnte bei der Wärmeversorgung im Areal Suurstoffi, Rotkreuz (vgl. TEC21 48/2011) beobachtet werden; das in Etappen realisierte Anergienetz wird von der Hochschule Luzern wissenschaftlich begleitet und überwacht. Im ersten Ausbauschritt waren insbesondere die Nutzflächen, die Abwärme zur Weiterverwendung im Areal liefern sollen, noch nicht vollumfänglich erstellt. Zudem konnten von den insgesamt geplanten 9500m2 Solardachflächen zunächst nur 3500m2 auf jenen Gebäuden installiert werden, die in der ersten Bauetappe errichtet wurden.

Die damit erzeugte und ins Wärmenetz gelieferte Energiemenge reichte nicht aus, um den Wärmebezug übers Jahr zu kompensieren: Der Energiehaushalt geriet in Schieflage. Der Erd­wärmespeicher kühlte ab, und die Temperaturen im Arealnetz fielen in der Folge unter 8 °C (Abb). Um dennoch eine sichere Versorgung mit Heizenergie zu garantieren, wurde die fehlende Energie mit einer zusätzlichen Holzheizungsanlage kompensiert. 

Flexibles Vernetzungskonzept

Zwar hat die etappierte Arealentwicklung zur temporären Unterdeckung geführt, grundsätzlich aber hat sich das Versorgungskonzept bewährt: Das Anergienetz selbst musste nicht verändert werden, weil sich eine solche Vernetzungsvariante jeweils flexibel mit Verbrauchern und Quellen erweitern lässt. Im Vollausbau soll auf die Notheizung wieder verzichtet werden ­können, weil dann genügend Abwärme vorhanden sein wird. Dies bestätigen aktualisierte Simulationen und Resultate des bisherigen Energiemonitorings.

Im Vollausbau wird das Suurstoffi-Anergienetz eine rund 165 000m2 grosse Energiebezugsfläche versorgen und nach Bedarf Kälte und Wärme zwischen den Gebäuden mit unterschiedlicher Nutzung wie Wohnen, Schule, Gewerbe und Dienstleistung austauschen. Die Wärme aus Raumkühlung und Prozesskühlung gelangt als überschüssige Energie ins Netz und wird bei Bedarf in den Erdwärmespeicher abgeführt.

Ebenfalls zugeführt wird Quellenergie aus der hybriden Solar­anlage, die als Wärme und Elektrizität zur Verfügung steht. Der Erdwärmespeicher erlaubt insofern eine zeitlich verschobene Wärmerückgewinnung zwischen den unterschiedlich genutzten Gebäuden; das Anergie­netz erhöht die Energieeffizienz im Gesamtsystem. 

Das Anergienetz-Beispiel Suurstoffi zeigt, wie robust und flexibel die thermische Arealvernetzung aufzubauen ist. Die Auslegung auf einen bestimmten Planungsstand genügt nicht (vgl. «Nutzungsgrenzen im Untergrund»), denn die Energiebilanz kann in solchen Arealen aufgrund von Nutzungsänderungen oder des Einsatzes technisch verbesserter Komponenten stetig ändern.

Hybride Solaranlagen und Luftkühler bieten zusätzliche Flexibilität: Sie können die Wärmelieferung ins System erhöhen, ohne dabei die Strom­produktion der hybriden Solarmodule zu unterbinden, oder Wärme aus dem System entziehen, wenn das Stromnetz unterlastet ist. Ebenso erlauben Wärme­pumpen, allfällige Stromüberschüsse in thermische Energie umzuwandeln und den Wärmespeichern wie Warmwasserboilern bzw. der thermisch aktiven Baustruktur zur Verfügung zu stellen. 

Gezielte Speicherbewirtschaftung

Der Erdwärmespeicher ist auch bei einem weiteren Pilotprojekt unverzichtbarer Teil der Arealvernetzung: Das Anergienetz auf dem Campus Hönggerberg der ETH Zürich, das seit sechs Jahren kontinuierlich erweitert wird, besitzt drei Speicherfelder im Untergrund (vgl. Glossar). Der Aufbau dieses thermischen Netzes ist so gewählt, dass es adaptier- und erweiterungsfähig ist: Verbraucher und Erzeuger sind durch eine Ringleitung miteinander verbunden.

Aktuell sind drei dezentrale Unterstationen und drei Erd­wärmespeicher zum Ausgleich der Energieströme an dieser Versorgungsmasche angeschlossen.2 Von jedem Anschlusspunkt kann die Energie in zwei Richtungen fliessen; zwei parallel geführte, voneinander unabhängige und ­bidirektionale Leitungsringe erlauben, den Wärmeträger Wasser mit jeweils unterschiedlicher Temperatur durch das Versorgungsnetz zu führen. 

Die Erkenntnisse aus dem Pilotbetrieb sind vielversprechend: Die Wärmerückgewinnung zwischen den unterschiedlich genutzten Forschungsgebäuden erreicht eine hohe Effizienz, weil sich die unterschiedlich warmen Energieströme im jeweiligen Leitungsring nicht miteinander vermischen. Zudem können die drei Erdwärmespeicher flexibel bewirtschaftet werden: Unabhängig von ihrer Position lassen sie sich dank der zweigeteilten Netzmasche laden oder entladen und können unterschiedliche Speichertemperaturniveaus aufweisen. 

Der Massenstrom in der Ringleitung selbst wird einzig durch die dezentralen, bei den einzelnen Verbrauchern und/oder Lieferanten installierten Förderpumpen angetrieben. Die Fliessrichtung stellt sich aufgrund des schwankenden, dezentralen Bedarfs ein; das Netz wird als «ungerichtet», ohne vorgegebene Fliessrichtung, bezeichnet. Der hydraulische Betrieb solcher Netze wird daher komplexer.

Aufgabe der Forschung ist es, diese Mechanismen und weitere Fragen zur Hydraulik und Fliessrichtung der Energieströme in einem thermisch vernetzten Ring sowie in einem Versorgungsnetz mit einer oder mehreren Maschen zu untersuchen. Ziel dabei ist nicht nur die Weiterentwicklung robuster und ­flexibel funktionierender Wärmenetze, sondern auch das Finden von Synergien zwischen thermischen und elektrischen Netzvarianten (vgl. Kasten unten: «Der Wärme-Strom-Knoten»).

Vermaschte Wärmenetze bieten dafür eine einfache Anknüpfungsvariante und integrieren heute schon Technologien zur flexiblen und hybriden Energieerzeugung von Wärme respektive Strom. Unter anderem bietet sich dadurch die Option, überschüssigen Strom in Wärme umzuwandeln und so das elektrische Netz zu entlasten.
 


Der Wärme-Strom-Knoten

Smart Grid ist das Stromnetz der Zukunft, um die Versorgung auf eine dezentrale und erneuerbare Stromproduktion auszurichten. Der nächste Schritt sind dezentrale Energiesysteme, die verschiedene Energieformen miteinander verbinden (Multi-Energy Grid) und der Bereitstellung, Umwandlung, Speicherung und Verteilung der unterschiedlichen Energieströme dienen. Das Multi-Energy Grid ist ein technologieoffenes Infrastrukturkonzept für Quartiere und Areale. Wie sich thermische, elektrische und mit Gas gespeiste Netze miteinander verknoten lassen, wird im Rahmen der koordinierten Energieforschung des Bundes untersucht. Am Swiss Competence Center for Energy Research, Future Energy Efficient Buildings & Districts baut die Hochschule Luzern ein Labor für die Knotenforschung «NODES» mit massstäblichem, einmaschigem Multi- Energy Grid auf: Experimentell und mithilfe von Simulationsmodellen sollen Erkenntnisse über Aufbau, Technologie und Wirtschaftlichkeit erweiterter thermischer Versorgungsnetze gewonnen werden.

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