Na­tur­stein statt Be­ton

Ufersanierung Aare Eichholz–Dählhölzli, Bern

Eine neue Brücke über die Aare beim Campingplatz Eichholz? Wer sich bei einem winterlichen Spaziergang schon auf einen erfrischenden Sprung in den Fluss im Sommer gefreut hatte, wird enttäuscht sein: Die Behelfsbrücke stand nur im Winterhalbjahr und diente einem anderen Zweck: Als Baubrücke ermöglichte sie den Zugang zum rechten Aare-Ufer.

Publikationsdatum
26-06-2023

Beidseits der Flussschleife schützte bisher Beton die Böschungen vor einem Angriff – einer ungewollten Seitenerosion. Da der Beton Schäden aufwies, setzte das Tiefbauamt des Kantons Bern (TBA) auf eine Erneuerung des Uferschutzes. Eine neuerliche Betonierung weiter Strecken der Böschungen kommt bei einem naturnahen Fluss wie der Aare aus ökologischen – und auch ästhetischen – Gründen heute nicht mehr infrage. Vielmehr soll das Ufer wieder Lebensraum für Fauna und Flora bieten.

Ein bewährtes Verfahren stellt der Bau eines Blocksatzes dar: Bagger gestalten mit tonnenschweren Natursteinen, aus Stabilitätsgründen möglichst ineinander verkeilt, eine Böschung. Diese Wasserbausteine – hier kamen frostsichere Kalkblöcke zum Einsatz – müssen tief genug unter die Flusssohle hinabreichen und gegen ein Einsinken auf Filterschichten ­– speziell körnige Kiesgemische – verlegt werden.

Im Ufer verbleiben Hohlräume zwischen den Blöcken, die sich für eine Bepflanzung eignen und Tieren Schutz und Lebensraum bieten. Im oberen Teil der Böschung, an dem die Kraft des Wassers nicht mehr ganz so stark ist, ergänzen ingenieurbiologische Massnahmen, etwa Rutenbündel, sogenannte Faschinen, und Bepflanzung den Schutz.

Doch auch für den Menschen bietet ein solcher Uferverbau Vorteile: Neben einem bedeutend natürlicheren Anblick ist der Fluss selbst wieder besser zugänglich. Je nach Böschungsneigung, lädt ein Blocksatz zum Erklettern und Erforschen ein. Wer es gemütlicher bevorzugt, kann sich nun über breite Treppe aus Steinquadern dem Wasser nähern – die Schwimmerinnen und Schwimmer wird es freuen.

Bei einem Plausch am Flussufer könnte fast in Vergessenheit geraten, dass der Uferverbau in erster Linie eine Schutzfunktion hat: Ohne ihn wären die Tage der Fusswege entlang der Aare und auch der Ver- und Entsorgungsleitungen, die unter ihnen liegen, gezählt. Vor allem bei Hochwasser würde der Fluss die Böschungen erodieren und sein Bett weiter ausdehnen. Diese Gefahr ist nun bis zu einem HQ100 gebannt. 600m3/s fliessen dann die Aare hinunter.

Abschnittsweise entstanden sogar breitere Fusswege: Linksufrig nahm die Gemeinde Köniz, rechtsseitig die Stadt Bern die Instandsetzungsmassnahmen des TBA zum Anlass, die Uferwege auf drei Meter Breite auszubauen, was Fussgängern und Unterhaltsfahrzeugen zugute kommt.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, wovon sich auch über 250 Besucher am Tag der offenen Baustelle im Januar bei Projektleiterin Silvia Hunkeler vom Oberingenieurkreis II überzeugen konnten. Knapp drei Millionen Franken inkl. MWST. veranschlagten die Ingenieure der Holinger AG, um das Projekt zum Erfolg zu führen. Etwa 700 000 CHF waren allein für die Baustellenerschliessung vorgesehen – und diese waren noch speziell: Neben der Hilfsbrücke brauchte es diverse Baupisten. Die Zufahrt zur Baustelle selbst musste über ein Wohngebiet mit Schulen erfolgen.

Zur Optimierung der Sicherheit arbeiteten die Bauherrschaften zusammen mit Schul- und Elternrat und einer Begleitgruppe ein Zufahrtskonzept aus. Während bestimmter Zeiten, etwa des Schulwegs der Kinder, erfolgten keine Anlieferungen, die Anzahl der Fahrten pro Stunde war, wie auch das Tempo (20 km/h), beschränkt.

Auch die Sicherheit der Baustelle selbst ist im Wasserbau ein grosses Thema. Die beste Jahreszeit für die Umsetzung flussbaulicher Massnahmen ist im Winter, da dann die Wassertiefen und die Hochwassergefahr geringer ausfallen. Grosse Teile der Niederschläge sind dann im Gebirge als Schnee und Eis gebunden. Der milde Winter vereitelte dies aber: Im Dezember 2022 musste die Baustelle gesperrt werden, da sich ein Hochwasser den Weg nach Bern suchte. Und auch sonst waren die Wasserstände der Aare recht hoch, was die Arbeiten erschwerte, so Bauleiter Fabian Nellen.

Mit einem provisorisch geschütteten Damm aus Kies kann der Baggerfahrer sein «Operationsgebiet» zwar absichern, je höher aber das Wasser fliesst, desto aufwendiger wird dies. Vor allem an den Flussaussenkurven – hier bilden sich aufgrund von Auskolkungen die tiefsten Stellen – gingen die Bagger an ihre Grenzen.

Nach achtmonatiger Bauzeit – die öffentliche Mitwirkung begann im Februar 2019 – ist das Projekt im April 2023 gelungen und einem Sprung in die Aare steht nichts mehr entgegen – allerdings vom Ufer aus, denn die Hilfsbrücke ist bereits wieder abgebaut.

Weitere Informationen zur Baustelle sowie Fotos finden Sie hier.