Tsu­yo­shi Ta­ne: «Ar­chäo­lo­gie der Zu­kunft»

Die Museen in Basel sind zurzeit noch nicht von Schliessungen betroffen. Besonders in Zeiten von vorrangig digitalem Erleben ist es ein Gewinn, einer Auseinandersetzung mit Dingen und Geschichten nachzuspüren, die in Form von gelungener Architektur greifbar wird. 

Publikationsdatum
11-11-2020

Es ist eine schöne Abwechslung, dass ein vergleichsweise junger Architekt im Mittelpunkt des Interesses steht. Tsuyoshi Tane, Jahrgang 1979, studierte in Hokkaido und Kopenhagen. Seit 2017 führt er sein Atelier in Paris. Nach Stationen in Tokio und São Paulo ist sein bisheriges Schaffen jetzt im Schweizerischen Architekturmuseum in Basel (S AM) in epischer Breite ausgestellt. Als Einstimmung lenken im ersten Raum Assemblagen von Fundstücken das Interesse der Besucher auf die erzählerische Qualität von Material. Im weiteren Ausstellungsverlauf dokumentieren Unmengen von kopierten Abbildungen zu Analogien oder kulturellen Zusammenhängen die formalen und inhaltlichen Überlegungen, die das Team zu den einzelnen Projekten angestellt hat. In kleinen Regalen stehen Materialstudien, die vom umgekehrten Tannenzapfen und seltsamen Moosen bis zu feinsten Holzarbeiten reichen. Um einen Ort zu studieren, versuchen die Architektinnen und Architekten, dessen Geschichte, seine kulturellen Zusammenhänge aufzuspüren, zu umkreisen und in eine neue Form zu überführen.

Das poetische Durcheinander ist beim näheren Studium überzeugend und über das jeweilige Thema hinaus anregend. Die haptische und zugleich spielerische Art des Vorgehens nennt Tsuyoshi Tane «Archäologie der Zukunft». Und nicht selten wird das Ergebnis der kreativen Prozesses verwirklicht, wie Modelle und Filmsequenzen zeigen. In einem eigenen Raum können die Besuchenden zu jedem Projekt eine Zeitung mit den wichtigsten Plänen und Daten durchblättern. Darunter findet sich übrigens auch eine kleine Arbeit in der Schweiz: die Kapelle Balthus in Rossinière. Beeindruckend sind auch Projekte anderer Grössenordnung, wie zum Beispiel das Stadion im Shibuya, Tokio, das mit grösster Selbstverständlichkeit unter einem grünen Hügel verschwindet. Der Entwurf hat zum Ziel, das Olympiagelände von 1964 in die städtische Umgebung einzubeziehen und als einen zeitgenössischen Ort neu zu beleben. Die angegebene Projektdauer von 2018 bis 2027 wirft ein Licht auf die Herangehensweise der Architekten.

Die einfachen Mittel, mit denen die Ausstellung aufgebaut ist, machen die begehbare Wunderkammer nahbar und sympathisch. Es gibt ein Begleitprogramm, in dem auch ein Vortrag von Tsuyoshi Tane angekündigt ist. Bereits im Vorfeld ist ein Katalog erschienen, in dem die architektonische Idee des Ateliers sowie seine 17 Hauptwerke aus konzeptioneller und praktischer Sicht erläutert werden.


bis 28. Februar 2021
S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Basel
www.sam-basel.org

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