Sich dem Wan­del stel­len

Transformation der Planungs- und Bauwirtschaft

Die Zukunft hat längst begonnen – BIM ist dabei lediglich eine Vorstufe für weitaus tiefer greifende Veränderungen. Innovative Firmen in den USA und hierzulande machen heute schon vor, wie in Zukunft geplant und gebaut wird.

 

Publikationsdatum
24-05-2018
Revision
24-05-2018

Die Digitalisierung macht vieles möglich. Sie hat unser Leben in allen Bereichen verändert und wird es noch weit grundlegender tun. Das Internet der Dinge übernimmt immer mehr Funktionen, künstliche Intelligenz wird immer mehr menschliche Tätigkeiten ersetzen – vor allem die Verarbeitung von Wissen. Keine ­Frage, die rasch fortschreitende ­Digitalisierung stellt auch in der Bau- und Immobilienbranche viele Weichen neu, sie führt aber auch zu ­Unsicherheiten und heiklen Fragen.

Die Wertschöpfungskette digital verbinden

Geboten und notwendig wären entschiedene Schritte zu mehr Effizienz der Bauwirtschaft, die sich die Kritik gefallen lassen muss, mit veralteten Prozessen zu arbeiten. Die Digitalisierung, das heisst die Veränderungen von Prozessen, Objekten und Ereignissen, die mit zunehmender Nutzung digitaler ­Geräte einhergeht und eine grosse Datenmenge produziert, trifft auf eine Bauwirtschaft, deren Wertschöpfungskette von aufeinanderfolgenden Arbeits­phasen geprägt ist: strategische ­Planung, Vorstudie, Projektierung, Ausschreibung, Realisierung und Bewirtschaftung. Auch Erneuerung und Rückbau sind mit­zudenken.

Hinzu kommt: Diese Arbeitsschritte werden heute von unterschiedlichen Akteuren ausgeführt. In Zukunft soll disziplinübergreifen­der, vernetzter und dynamischer geplant und gebaut werden. Das bedingt einheitliche Datenformate, klare Funktionsbeschreibungen der eingesetzten Produkte sowie eine Bauwerksdokumentation, die auch in 20 Jahren beim ersten Umbau wieder genutzt werden kann. Datensicherheit, Verfügbarkeit und Daten­eigentum müssen vor diesem Hintergrund geregelt werden.

Viele werden darauf entgegnen: Ist nicht schon alles digital? Leider nein – für die Zukunft ist es jedoch zwingend, dass eine SIA-Norm von einem Programm gelesen und umgesetzt werden kann, also maschinenlesbar ist. Ein Beispiel aus der SIA-Norm 358 Geländer und Brüstungen: «Die Höhe wird von der begehbaren Fläche aus, bei Treppen von der Trittkante aus senkrecht bis zur Oberkante des Schutzelements gemessen. Bei Fenstern ist die Oberkante des festen unteren Rahmenteils massgebend.» Dieser Prosatext muss so umgewandelt werden, dass die Bauteile eindeutig definiert und die Masse in einer Tabelle lesbar sind. Der SIA hat sich auf diesen langen Weg gemacht.

BIM ist da – eine Methode zur Zusammenarbeit

Beim Planen und Bauen besteht die Herausforderung in der Zusammenarbeit und in der Fähigkeit, digitale Bauwerksmodelle zur Zusammen­arbeit zu nutzen und damit Infor­ma­tionen auf effiziente und aus­wertba­re Weise, ohne zusätzliche Absprachen, auszutauschen und zur Verfügung zu stellen. BIM deckt als Methode für die Bewältigung der Schnittstelle Planung – Realisierung 20 bis 30 % des gesamten Planungsprozesses ab. Sie ist bei den Planenden angekommen.

Das netzwerk_digital, eine Initiative von SIA, CRB, KBOB, IPB und Bauen digital Schweiz (www.netzwerk-digital.ch), ist die Koordinationsstelle für die digitale Transformation des Planungs-, Bau- und Immobilienwesens. Mit dem Merkblatt 2051 BIM hat der SIA eine Grundlage zur Anwendung der Methode bereitgestellt und leistet einen Beitrag zur Verständigung bei der Zusammenarbeit. Ziel ist es, vor dem Bau ein widerspruchfreies Gebäude virtuell zu erstellen – mit korrekten Massen und Mengenangaben für die einzelnen Bauphasen.

Wie sieht die Planung der nahen Zukunft aus?

Bauten werden mit BIM virtuell erstellt. Geprüft, funktionsfähig und von der Bauherrschaft abgesegnet kommen sie zum SIA, der diese Daten in einem Normenraum darauf prüft, ob die Normen wie behindertengerechtes Bauen, der Energie­effizienzpfad und die Tragwerksnormen eingehalten sind. Automatisch wird eine Prüfliste erstellt. Nach der Überarbeitung wird der Baubewilligungsbehörde ein Link auf das Projekt zugestellt. Sie prüft das Projekt auf Einhaltung der recht­lichen Vorgaben wie Ausnützungsziffer, Grenzabstände, GEAK etc.

Bei der Ausschreibung erhält der Küchenbauer ebenfalls einen Link. Er stellt sein Angebot ­zusammen und übermittelt den Aufwand und die Materialkosten an die Bauherrschaft. Nach der Auftragserteilung geht die gewünschte Küche in die computergesteuerte Produktion und wird termingerecht auf die Baustelle geliefert – versehen mit einem Chip, der beim Ausfall einer Funktion oder nach einer bestimmten Gebrauchsdauer selbstständig den Monteur benachrichtigt. Mit Blick auf den zukünftigen Bauprozess ist zu beachten, dass die Technologie des 3-D-Drucks auf dem Sprung in die Praxis ist.

Was kommt danach?

Mit Sicherheit eine rasche Veränderung der Planungs- und Bauprozesse mit mancher Herausforderung. Die bisherigen Bauprozesse müssen mit digitalen Technologien zu­sammengeführt werden. Vorfabrikation, digitale Fabrikation und Just-in-Time-Logistik werden Bauzeiten deutlich verkürzen. Roboter bauen selbstständig Brücken, 3-D-Drucker fertigen Gebäudeteile. Im Vormarsch ist algorithmenbasierte Planungssoftware, die nicht nur Prozesse substituiert, sondern auch das Normenwerk integriert. Die US-Firma Aditazz Inc. ist vermutlich das weltweit am weitesten entwickelte Unternehmen für algorithmenbasierte Gesamtplanung. Damit gewinnt sie effizient Ausschreibungen.

Die stärkste Veränderung im Immobilienbereich erfolgte in der Vermarktung von Miet- und Kauf­objekten. Von den meisten äusseren Merkmalen wie Grundriss, Raumgefühl, Materialien und Lichteinfall kann man sich dank der Technologie ein umfassendes Bild machen, ohne vor Ort präsent zu sein. Zukunftsweisende Beispiele zeigen die bei­den Zürcher Start-ups Archilyse (www.archilyse.com) und Archilogic (www.archilogic.com).

Ein Fazit

Die Bau- und Immobilienbranche muss sich rasch mit der Digitalisierung anfreunden. BIM bildet erste Gehversuche ab, aber noch keine originär neuen Prozesse – es ist alter Wein in neuen Schläuchen. ­Autonomes Planen lässt wohl wenig Spielraum für regionale Interessen. Die Digitalisierung generiert ein ­globalisiertes Normenwerk und ­verdrängt das SIA-Normenwerk. Es kommt zu Veränderungen der Berufsbilder von Ingenieurinnen und Architekten. Aber diese Entwicklung generiert auch neue Geschäftsmodelle.

Der SIA wird sich diesen Herausforderungen als Berufsverband annehmen und darüber wachen, dass die Kultur des Bauens auch in Zukunft zu einer hoch­wertigen Baukultur – die «specialità della casa Svizzera» – führen wird. Entscheidend bleiben aber die Kundenbedürfnisse, der Nutzen und die Sicherheit. Wer beim Blick in die Zukunft zum Ergebnis kommt, dass an der heutigen Situation etwas geändert werden muss, der darf den stetigen Wandel nicht bekämpfen, sondern muss ihn als Chance nutzen. Es gilt, die Zukunft anzugehen, bevor sie da ist.
 

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