SIA: Thinktank für das Ver­ga­be­we­sen

Der Fachrat Vergabe (FRV) des SIA

Vor einem Jahr wurde der Fachrat Vergabe aus der Taufe gehoben. Er soll Ideenschmiede sein, um den vielfältigen Problemen rund um den Vergabeprozess zu begegnen. Eine Zwischenbilanz.

Publikationsdatum
03-10-2015
Revision
05-11-2015

Die professionelle Vergabe von Planeraufträgen liegt im ureigenen Interesse aller SIA-Mitglieder. Nicht wenige beobachten eine erodierende Wertschätzung der Planerleistungen und in der Folge eine immer tristere Honorierung dieser Art von Leistungen. Noch profitieren wir von einer soliden Baukonjunktur, und die Zuversicht überwiegt. Um im Fall einer konjunkturellen Eintrübung nicht auf dem falschen Fuss erwischt zu werden, hat der SIA-Vorstand beschlossen, das Vergabewesen beizeiten zu stärken: An der Delegiertenversammlung im Mai 2015 wurde dessen strategische Bedeutung festgelegt.

Die Auflösung des Normen- und Ordnungsausschusses (NOA) zum einen und die Notwendigkeit griffiger Unterstützung zum anderen führten im vergangenen Jahr zur Lancierung des Fachrats Vergabe (FRV). Dieser soll nach den Vorbildern der Fachräte Energie oder Raumplanung dem Vorstand mit Expertise zur Seite stehen: Der Rat berät und unterstützt diesen bei Fragen zum Vergabewesen und zeichnet für eine kohärente Umsetzung der SIA-Vergabepolitik verantwortlich.

Das Präsidium wurde dem erfahrenen Lausanner Architekten und Vorstandsmitglied Eric Frei anvertraut. Seitens der Geschäftsstelle wird er von mir unterstützt. Der Fachrat wird prominent ergänzt durch SIA-Präsident Stefan Cadosch, die Kommissionen SIA 142/143 und SIA 144 mit ihren Vorsitzenden Rudolf Vogt und Giuliano Anastasi, den Leiter des SIA-Geschäftsbereichs Normen Markus Friedli, den Präsidenten der ZO Erich Offermann sowie die Vertreter der Berufsgruppen Andreas Wilhelm, Simon Roth, Peter Vonesch und Peter Zwick. Juristisch begleitet wird das Organ durch den SIA-Rechtsberater Daniele Graber. Vorgesehen ist zudem, nach Bedarf Vertreter von Drittorganisationen zu den Sitzungen einzuladen.

Der Fachrat Vergabe versteht sich als unabhängiger Thinktank und trifft sich quartalsweise. In den ersten Sitzungen wurde das Pflichtenheft definiert, das schon am 23. Januar vom Vorstand verabschiedet worden ist. In diesem ist der zentrale Gedanke verankert, wonach der FRV ein strategisches Gremium ist, das dem Vorstand bei Vergabethemen beratend zur Seite steht. Das operative Geschäft wird von der Geschäftsstelle sichergestellt und untersteht der Geschäftsleitung.

In den weiteren Treffen lag der Fokus auf der Ausarbeitung eines Masterdokuments, in dem die zentralen Probleme aus Sicht der Planer in der Bauindustrie adressiert werden. Gegen zwanzig Themenkreise werden darin aufgelistet − angefangen von der ungenügenden Marktdurchdringung der SIA-Vergabeordnungen über die Unprofessionalität vieler Wettbewerbsorganisatoren bis hin zum fehlenden Wissen, was die Meinung der SIA-Mitglieder gegenüber Vergabeverfahren betrifft. In der Juni-Sitzung gab der Vorstand grünes Licht für diese Stossrichtung und befürwortete die weitere Ausarbeitung konkreter Massnahmen, um den drängendsten Problemen die Stirn zu bieten.

Romandie als Vorreiter

Die im August 2013 veröffentlichte Vergabeordnung SIA 144 für Ingenieur- und Architekturleistungen, in der die leistungsorientierte Beschaffung organisiert wird, ergänzt die im Wettbewerbswesen erfolgreiche SIA 142. Die Debatten im Fachrat und an den flankierenden Anlässen haben gezeigt, dass der SIA weniger als Polizist auftreten sollte, sondern vielmehr zum kompetenten Beratungsgremium für Vergabestellen reifen muss.

Zuständige Vertreter von Behörden in Vergabeverfahren, so der Eindruck, sind fachlich nicht selten überfordert, u. a. mit den juristischen Regulatorien. Deshalb erstaunt es nicht, dass sie gerade bei anspruchsvollen Bauaufgaben oft falsche oder unökonomische Vergabeverfahren wählen. Ein professionelles Kompetenzzentrum als Anlaufstelle für Behörden und aufgeklärte private Bauherren könnte die notwendige Unterstützung bieten. Als gute Beispiele haben die Commission des concours et des appels d’offres (CCAO) vom Kanton Genf und die waadtländische Beobachtungstelle für öffentliches Beschaffungswesen (OVMP) diesen Weg bereits vorgespurt: Sie agieren seit Jahren erfolgreich, indem sie sich auf die Themen Sensibilisierung, Ausbildung und Unterstützung fokussieren.

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