SIA: Den Er­leb­nis­raum Stadt ver­ste­hen

Form-Kurs «Architektur und Psychologie»: Werden die gängigen Qualitätsansprüche an die Gestaltung städtischer Räume emotionalen Kriterien wie dem Wunsch nach Sicherheit, Aneignung und Identifikation gerecht?

Publikationsdatum
26-03-2015
Revision
05-11-2015

Wie beeinflusst der Charakter einer Stadt, ihre Räume, Bauwerke und Bilder, das Erleben des Menschen? Die in Städten wirksamen Interaktionsprozesse zwischen Mensch und Raum sind das Ergebnis komplexer Kopplungen zwischen menschlicher Wahrnehmung, subjektivem Raumerleben und seiner Aneignung und Nutzung. Das ist das Thema des Form-Kurses «Architektur und Psychologie». Es geht zunächst um das ­Erkennen räumlicher Grundbedürfnisse: Sicherheit spüren, Bewegung erleben, Ruhe finden, räumliche Orientierung und Kontrolle haben, das Gefühl der Zugehörigkeit und die Möglichkeit der Aneignung gehören so selbstverständlich zu unseren alltäglichen raumbezogenen Bedürfnissen, dass sie uns kaum bewusst sind.

Räume aus der Perspektive des Nutzers zu lesen, heisst, sie als Erfahrungs- und Erlebnisorte zu erkennen, als Träger von Emotionen, Stimmungen und Identität. Orte ­entwickeln sich zu unseren Lieblingsplätzen, andere meiden wir, weil sie uns nicht behagen. Wann empfinden wir bauliche Dichte als belebend, wann erdrückt sie uns 

Jenseits des unmittelbaren Erlebens dienen Stadträume auch als Projektionsfläche unserer sozialen Identität. Man ist zum Beispiel cool, wenn man in «Zürich West» wohnt. Es entstehen Trendquartiere, City Brandings, In-Places. Das Gebaute muss also eine Identität schaffen, die die Leute anzieht. Es geht dabei um die affektive Besetzung von Raum. Menschen erleben mithilfe räumlicher Verortung eine Stärkung ihrer Identität. «Heimat», verstanden als selbstbestimmte ­Lebensraumgestaltung, feiert ein Comeback.

Urban Gardening, das Säen und Ernten im benachbarten Stadtraum, neue Genossenschaftsbauten, die wie beim Zürcher Hunziker-Areal «mehr als wohnen» und damit die Umsetzung des eigenen Lebensentwurfs versprechen, zeugen vom Wunsch nach räumlicher Selbstbestimmung. Verbirgt sich hinter solchen Trends letztlich eine Sehnsucht nach Heimat 

Gängige Planungsmethoden leiten aus den Daseinsfunktionen des Menschen gestalterische Massnahmen ab, werden damit aber psychologischen Gesichtspunkten nicht unbedingt gerecht. Denn die Ak­zeptanz städtischer Räume beruht nicht alleine auf dem einmal determinierten Verhalten eines allgemein gedachten Nutzers. Vielmehr wird die Raumwirklichkeit in einer dynamischen Interaktion individuell konstituiert.

Stadtplanung sollte deshalb weniger von Raumfunktionen als Ausdruck eines Zustandes ausgehen als vielmehr von Aktivität und Aktivitätsmustern. Das legt es nahe, einen Zonenplan zu entwickeln, der die psychologischen, sozialen und atmosphärischen Nar­rationen des Raumes erfasst. Es besteht grosser Nachholbedarf in unserem Wissen über die psychodynamische Wirkung von Räumen. Der Kurs «Architektur und Psychologie» ist als erster Baustein gedacht, diese Lücke zu füllen.

Form-Kurs «Architektur und Psychologie» in Zusammenarbeit mit Immo-Bildung Wüest & Partner AG; Referenten u.a. Martina Guhl, Dipl. Arch. ETH/MSc; Prof. Dr. Georg Franck, TU Wien, und weitere.
8.5., 29.5., 12.6. und 26.6.2015 (vier Termine, nachmittags) in Zürich
Anmeldung: www.sia.ch/form/ap01-15

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