SIA: Bes­ser bau­en durch In­ter­dis­zi­pli­na­ri­tät

Die diesjährige Tagung der SIA-Berufsgruppe Architektur widmete sich interdisziplinären Planerleistungen für Infrastrukturbauten. Ein Roadtrip führte zu bemerkenswerten Beispielen zwischen Porrentruy und Bern.

Publikationsdatum
03-10-2015
Revision
05-11-2015
Barbara Stettler
Architektin EPFL SIA, Verantwortliche für die Berufsgruppe Architektur BGA beim SIA

Es ist eine Autobahn, die nicht nur eine Nummer, sondern auch einen Namen hat: die Transjurane – die 84 km lange Trasse windet sich von Boncourt über Delémont bis nach Biel durch die jurassischen Hügel. Nur einzelne Teilstücke des Bauwerks fehlen noch, bis das Schweizer Nationalstrassennetz 2016 endlich mit Frankreich verbunden sein wird. Doch nicht nur die Nähe zu Frankreich ist die Reise hierher wert. Im Rahmen eines Architekturwettbewerbs haben Techniker und Gestalter in enger Zusammenarbeit bauliche Elemente geschaffen, die nicht nur den technischen Anforderungen an eine Autobahn genügen; sie sind mehr als Funktionsbauwerke. Von Ingenieuren und Architekten im Team geplante Projekte bildeten den roten Faden des diesjährigen Berufsgruppentags der Berufsgruppe Architektur (BGA), der als grosse Rundfahrt organisiert war. Rund 100 Ingenieurinnen und Architekten waren der Einladung gefolgt.

Die Architekten Renato Salvi und Flora Ruchat-Roncati haben sich intensiv mit den Anforderungen an diese Verkehrsachse innerhalb der Landschaft auseinandergesetzt und eine einheitliche Architektursprache für das gesamte Bauwerk geschaffen. Daher weist die Transjurane mit ihren prägnanten Betonskulpturen für Lüftungsanlagen, sorgfältig gestalteten Unterführungen, Brückengeländern und Pfeilern eine ganz eigene Identität auf.

Landschaftsbezogenes Bauwerk Transjurane

In drei Bauetappen wurden über 30 Jahre hinweg Typologien entwickelt, die sich mal in die Landschaft integrieren, mal betont von ihr abheben, sich aber in jedem Fall unverwechselbar in die Wahrnehmung der Reisenden einprägen. In Renato Salvis Schilderungen des gemeinsamen Entwurfs- und Realisierungsprozesses kam seine Passion für die interdisziplinäre Arbeitsweise deutlich zum Ausdruck.

Technisch komplex und vielschichtig wurde es an der nächsten Etappe des Roadtrips, der von Graber Pulver Architekten aus Zürich geplanten Kehrichtverwertungsanlage Bern Forsthaus. Sie ist ein Meilenstein in der Energiepolitik der Schweiz, denn sie leistet einen wichtigen Beitrag zum Ausstieg aus der Atomenergie. Die Anlage besteht aus einer Kehrichtverwertungsanlage, einem Holzheizkraftwerk und einem Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk; sie produziert Strom, Wärme und Dampf für die Stadt Bern und deckt rund einen Drittel des städtischen Stromverbrauchs.

Die lineare Anordnung der Gebäude ist Abbild eines komplexen inneren Prozesses. Der Bau der Anlage stellte eine beeindruckende technische und logistische Herausforderung dar; teilweise waren 500 Fachkräfte zugleich auf der Baustelle beschäftigt. Neben der Planung des komplexen Innenlebens haben die Architekten Graber Pulver in Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern Walt + Galmarini eine beeindruckende Gebäudehülle umgesetzt.

Von der ersten Ideen an interdisziplinär

Eine besondere Qualität von Interdisziplinarität ist es, wenn Architekt und Bauingenieur wie im Fall der Penzel Valier AG zusammen ein Büro gründen und die Disziplinen von der ersten Idee an verbinden. Überzeugend zeigt dies die doppelgeschossige Dreifachturnhalle Weissenstein in Köniz mit ihren zwei Dreifachturnhallen. Raum und Statik spielten für den Architekten und den Ingenieur von Beginn an eine gleichberechtigte Rolle, was den fertigen Bau unübersehbar prägt.

Moderatorin Aita Flury brachte es am Ende der Veranstaltung im Podiumsgespräch mit Renato Salvi, Marco Graber und Christian Penzel auf den Punkt: Die jeweils andere Disziplin behindere nicht den Entwurfsprozess; vielmehr müsse man sie als Chance wahrnehmen, denn Architekten und Ingenieure hätten viel voneinander zu lernen. Eine gute Zusammenarbeit ist ein gemeinsamer Lernprozess, und eine einheitliche Planungssprache zu finden braucht Engagement und Offenheit von allen Seiten. Die Hochschulen stünden in der Pflicht, diese gegenseitige Neugierde schon in der Ausbildung zu wecken und zu fördern.


Berufsgruppe Architektur

Innerhalb unterschiedlicher Ressorts nehmen sich die Mitglieder der Berufsgruppe Architektur des SIA aktuellen Themen aus dem Berufsfeld an. Das Ressort Baukultur organisiert regelmässig Veranstaltungen wie den BGA-Tag.

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