In­ter­na­tio­na­les Fas­sa­den­sym­po­si­um

An der internationalen Konferenz «Fassade 2012», die Ende November 2012 in Luzern stattfand, wurden neue Projekte, Entwicklungen und Technologien rund um die Gebäudehülle vorgestellt.

Publikationsdatum
06-02-2013
Revision
25-10-2015

Befassten sich Architekten früher noch weitgehend selbst mit der Gebäudehülle, so werden dafür heute Fachplaner engagiert, die aus der Vielzahl an technischen Möglichkeiten eine sinnvolle Konstruktion entwickeln. In Europa haben sich mittlerweile an mehreren Hochschulen Fassadenstudiengänge etabliert. Der Interessenverband European Facade Network (EFN) ist eine Plattform für den Erfahrungsaustausch innerhalb dieses noch relativ jungen Zweigs des Bauingenieurwesens. Dazu dient neben der Website ein jährlich stattfindendes Fassadensymposium, das 2012 vom Kompetenzzentrum Fassaden- und Metallbau der Hochschule Luzern (CCFM) und der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold (D) zusammen mit der Schweizerischen Zentrale für Fenster und Fassade (SZFF) veranstaltet wurde.

Raffinierte Perforationen
Auf grosses Interesse stiess die Präsentation von Stacy Eisenberg vom Atelier Jean Nouvel Paris, die Einblick in aktuelle Grossprojekte des Büros gab, darunter die Kuppel des Louvre International in Abu Dhabi. Dieser riesige Diskus mit variablen Perforationen auf der unteren und der oberen Seite lässt je nach Sonnenstand direktes oder diffuses Licht durch. Der Betrachter wähnt Willkür hinter der Anordnung der Löcher, aber die gesamte Struktur besteht aus denselben Sternfiguren, die x-fach neben- und übereinander angeordnet sind. In Zonen mit erhöhtem Tageslichtbedarf sind die Lichttunnel dichter nebeneinander platziert. Eisenberg betonte, wie wichtig es sei, die Fachspezialisten früh einzubinden. Die anschliessende Frage eines Zuhörers nach dem ökologischen Sinn solcher Projekte erwiderte Eisenberg mit dem Hinweis, dass Jean Nouvel keine aktive Rolle in der Suche nach energiesparenden Baukonzepten einnimmt, sondern seine Bauten den geltenden Normen und Vorschriften anpasst – eine ehrliche Antwort, die nicht verleugnet, dass opulente Hochbauten meist keine Wegweiser für Bauökologie sind.

«Form follows environment»
Dass sie dies aber durchaus sein könnten, zeigte der Vortrag von Philipp Müller, Wicona AG Mägenwil. Er modifizierte darin den Ausdruck «form follows function» zu «form follows environment». Die konsequente Anpassung der Gebäudeform an die Standortbedingungen beeindruckte und zeigte, dass auch grosse Gebäude im hohen Norden nahezu autark funktionieren können, ohne Komfort und modernen Ausdruck zu schmälern. Müller demonstrierte dies anhand des Bürogebäudes «Powerhouse One» in Trondheim. Das Architekturteam Snøhetta aus Oslo formte das Gebäude zusammen mit Fachleuten aus den Bereichen Gebäudehülle, Energie und Umwelt in mehreren Schritten. Das Schrägdach wurde um 26° gegen Süden geneigt und komplett mit Photovoltaikpaneelen belegt. Dieses Kraftwerk mit 2400m2 Fläche wird ergänzt durch hochwärmedämmende Holzkastenelemente in den Fassaden. Den komfortablen Tageslichteintrag sichert die pixelartige Anordnung von opaken und transparenten Fassadensegmenten. Das Projekt zeigt, dass das Ziel «nearly zero energy buildings» auch bei Grossprojekten zur Realität werden kann.

Aus der Vergangenheit lernen
Man darf Andrea Compagno, Fassadenberater aus Zürich, als Urgestein der europäischen Fassadenszene bezeichnen. Sein 1995 erschienenes Buch «Intelligente Glasfassaden» (nicht mehr erhältlich) war wichtiges Hilfsmittel und In­spirationsquelle für das Bauen mit Glas. In seinem Vortrag forderte er, auf Erfahrungswerte bestehender Bauten und Konstruktionen zurückzugreifen. Er demonstrierte dies anhand einer Zweiten-Haut-Fassade. Der grosse Vorteil dieser Konstruktionsart ist die windgeschützte Platzierung der Sonnenstoren im Fassadenzwischenraum. Die dadurch entstehenden Nachteile wie hohe Erstellungs- und Wartungskosten, Überhitzung, Verschmutzung im Zwischenraum, aufwendiger Brandschutz etc. wurden zwar nach und nach erkannt, aber vielfach nicht behoben. Erst mit der Weiterentwicklung zur Closed-Cavity-Fassade (CCF) liessen sie sich eliminieren. Bei dieser Technik wird der Fassadenzwischenraum komplett vom Aussen- und Innenklima abgeschottet. Den kontrollierten Austausch des Luftpolsters übernimmt ein Kompressor, der alle Elemente über dünne Schläuche mit vorkonditionierter, trockener Luft versorgt. Der Energieaufwand zur Aufbereitung der Luft ist dabei äusserst gering und wiegt die erwähnten Nachteile von natürlich belüfteten Systemen bei weitem auf. Man müsse die Vergangenheit immer selbstkritisch im Blick behalten, mahnte Compagno. Nur so liessen sich das Wiederholen von Fehlern minimieren und nachhaltige Innovation realisieren.

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