«Ich möch­te ei­ne Brü­cke zu den an­de­ren Be­rufs­grup­pen schla­gen»

Wechsel an der Spitze

Marco Waldhauser, neuer Präsident der Berufsgruppe Technik, über die Herausforderungen der Digitalisierung, veränderte Berufsbilder und die Bedeutung der Teamarbeit.

Publikationsdatum
22-03-2018
Revision
23-03-2018

SIA: Marco, seit diesem Jahr bist du Präsident der Berufsgruppe Technik (BGT). Was hat dich bewogen, dieses Amt anzunehmen?
Marco Waldhauser: Das war ein Prozess. Ich bin seit fünf Jahren im Vorstand des SIA-Fachvereins SWKI, den ich auch zwei Jahre präsidierte. Schon während dieser beiden Jah­re war es mir ein grosses Anliegen, die Gebäudetechnik zu stärken – insbesondere, was die Wahrnehmung von aussen, die Nachwuchsförderung und die Zusammenarbeit mit den Architekten anbelangt. Ich habe den Eindruck, bei diesen Themen in der BGT etwas bewegen zu können. Daher habe ich zugesagt.

SIA: Die Baukonjunktur läuft immer noch gut, die Gebäudetechnikbranche boomt nach wie vor und ist in vielen Bereichen Vor­reiter, beispielsweise beim Thema BIM. Wie kommt das?
Marco Waldhauser: Das stimmt. Wir sind unter dauernd guter Auslastung. Wir Gebäudetechniker hatten schon früher zu wenig Nachwuchs, gleichzeitig hat sich die Situation verschärft, da die Komplexität, aber auch die energetischen Anforderungen an die Planung zugenommen haben. Wir Gebäudetechniker suchen daher nach Wegen, effizienter zu werden – und haben schnell die Vorteile in den neuen Planungsmethoden für uns entdeckt.

SIA: Und wie sieht es bei den Archi­tekten aus? Soll BIM allen ­Beteiligten einen Vorteil bringen, müssen ja alle mitziehen.
Marco Waldhauser: Zu Beginn waren die meisten Architekten eher skeptisch. Ich nehme aber wahr, dass das Thema in den letzten ein, zwei Jahren bei den Architekten de­finitiv Einzug gehalten hat. Der Wandel ist bei ihnen zwar später gekommen, aber er ist jetzt da.

SIA: Stichwort BIM: Ich habe den Eindruck, vielen Planern ist noch nicht klar, wie die neuen Planungs­methoden ihr Berufsbild ver­ändern werden. Siehst du das auch so?
Marco Waldhauser: Ja, das sage ich den Architekten auch immer: Ihr habt eigentlich eine Riesenchance, die ihr packen müsst, sonst geht sie vorbei. Wir im SIA halten die Idee des Architekten als Generalist hoch. Überall dort, wo die Digitalisierung in der Planung schon weiter vorangeschritten ist, hat der Architekt aber deutlich an Bedeutung verloren. Die Archi­tekten müssen die Digi­talisierung in der Schweiz aktiv mitgestalten, wenn sie nicht abgehängt werden wollen.

SIA: Die SIA-Auszeichnung Umsicht – Regards – Sguardi zeichnet explizit die Teamleistung aus. Was ist aus dem Architekten als ­Primus inter Pares geworden? Findet ein Paradigmenwechsel statt?
Marco Waldhauser: Sicherlich. Aber die Stärkung des Teamgedankens ist kein Widerspruch zum Generalisten­anspruch des Architekten. Auch ein Team braucht eine klare Führung, einen Kapitän. Dass das Planungsteam zunehmend als echtes Team wahrgenommen wird, ist jedoch absolut zu begrüssen.

SIA: Die zunehmende Technisierung der Gebäude stösst bei Architekten auf wachsende Kritik. Die BGT hat sich daher zusammen mit der Berufsgruppe Architektur im vergangenen Jahr im Rahmen der Tagung «Low-tech ⁄ No-tech» die Frage gestellt: Geht es nicht auch mit weniger Technik?
Marco Waldhauser: Als Gebäudetechnikinge­nieur bin ich fest davon überzeugt, dass wir es bei vielen Gebäuden mit der Technisierung tatsächlich übertrieben haben. Damit tun wir uns und den Nutzern keinen Gefallen. Wir müssen die Technik, die es braucht, so einfach wie möglich halten und so intelligent wie mög­lich einsetzen. Leider steht dieser Gedanke etwas im Widerspruch zu unseren LHO, die eine Honorierung nach der Bausumme vorsehen. Der Anreiz, mit ­möglichst wenig Technik zu bauen, ist aus Sicht der Honorierung gering. Daher sind die LHO in der heutigen Form zu hinterfragen. Hier bin ich als Präsident der SIA 108 gefordert, neue Wege zu gehen. Man könnte beispielsweise die Zielerreichung honorieren, statt den Einbau von mehr Technik zu belohnen.

SIA: Du bist Unternehmer. Wie sieht es mit dem Fachkräftenachwuchs aus? Findet ihr genügend qualifizierte Fachleute?
Marco Waldhauser: Ich möchte nicht immer klagen, dass wir keinen Nachwuchs finden. Wir sind in dieser Branche sehr gut ausgelastet und haben die Anforderungen, die an uns gestellt wurden, dennoch immer gut erfüllt. Aber klar: Fachkräfte zu finden ist in ­unserer Branche aufwendig, und wir können nicht immer jede Stelle so besetzen, wie wir uns das wünschen. Wichtig ist, dass wir auch selber ausbilden. Wir haben beispielsweise immer fünf bis sechs Lernende bei uns in ­Ausbildung.

SIA: Auch der Beruf des Zeichners wird sich ändern.
Marco Waldhauser: Das ist so. Die Jungen sind massiv schneller in den digitalen Methoden und wollen heute nicht mehr anders arbeiten. Wir müssen daher in deren Ausbildung investieren. Aber klar: Wir brauchen auch gut ausgebildete Ingenieure – und von denen gibt es wirklich zu wenige.

SIA: Ist der Arbeitnehmer heute fordernder, was die Anstellungsbedingungen angeht?
Marco Waldhauser: Absolut. Ich muss heute als Arbeitgeber attraktiv sein, sonst geht das nicht mehr. Mit dem Lohn allein kann ich heute niemanden mehr locken. Der muss zwar stimmen, aber es zählen vermehrt andere Werte: Möglichkeit zur Teilzeitarbeit, Arbeitsklima und nicht zuletzt tolle Projekte.

SIA: Wo siehst du die grössten Herausforderungen für die Gebäude­technikbranche in den nächsten fünf Jahren?
Marco Waldhauser: Die Digitalisierung wird uns sicher weiter beschäftigen. Die Umstellung fordert die Büros enorm: Am Anfang ist der Mehraufwand gross, was für kleinere Büros schnell kritisch werden kann. Auch für diejenigen, die die neuen Methoden bereits heute erfolgreich implementiert haben, werden neue Erwartungen und Anforderungen seitens Bauherren, Nutzer oder anderer Planer kommen, die es zu integrieren gilt. Auf der technischen oder energetischen Ebene erwarte ich aber keine Riesensprünge in nächster Zeit. Da sind wir auf hohem Ni­veau und arbeiten schon jetzt oft im Bereich des Finetunings.

SIA: Welche Schwerpunkte willst du mit der BGT in den nächsten ein, zwei Jahren bearbeiten?
Marco Waldhauser: Ein Schwerpunkt wird sicher die Stärkung der Wahrnehmung der Technikbranche sein. Im Frühjahr werden wir in einem Workshop klären, welche weite­ren Schwerpunkte wir setzen wollen. Wir möchten uns klare Ziele setzen und dann schauen, ob wir richtig aufgestellt sind, um diese Ziele zu erreichen. Wir haben Glück, dass wir gute Fachvereine in der BGT haben, mit denen wir eng zusammenarbei­ten werden. Ich möchte auch eine Brücke schlagen zu den anderen Berufsgruppen. Das ist mir ein Riesenanliegen.

SIA: Du bist auch gerade zum Präsidenten der Kommission SIA 108 gewählt worden und zudem Mit­glied der Kommission SIA 142/143. Warum ist es für dich wichtig, dich dort zu engagieren?
Marco Waldhauser: Ein gutes Vergabewesen und eine faire Honorierung bilden das Fundament unserer Arbeit. In der SIA 108 bin ich schon lang dabei. Hier kann man direkt an der Ausgestaltung unserer Arbeitsinstrumente mitarbeiten. Bei der letzten Revision war mir die Integration der Fachkoordination ein grosses Anliegen. Die SIA 108 soll zukünftig so ausgestaltet werden, dass wir Gebäudetechnikingenieure uns so entfalten können, wie es für die Zukunft notwendig ist.
Bei der SIA 142/143: In der Phase der Wettbewerbe geht es auch energetisch gesehen um die grossen Entscheide. Bei der Auswahl des Siegerprojekts spielt zwar die Gebäudetechnik nur eine untergeordnete Rolle. Dessen muss man sich bewusst sein. Mein grosses Anliegen ist, dass die Gebäudetechniker vermehrt in den Wettbewerbsphasen einbezogen werden. Sowohl in der Erarbeitung als auch als Fachexperten und Jurymitglieder für die Beurteilung. Hier ist noch einiges zu tun.

SIA: Dein Vorgänger im Amt war Jobst Willers, der zwölf Jahre die Arbeit der BGT prägte. Du hast ihn ja in deiner Zeit als BG-Ratsmitglied erlebt. Ein paar Worte zu Willers?
Marco Waldhauser: In den fünf, sechs Jahren, die ich im Berufsgruppenrat gewesen bin, habe ich ihn als verbindend wahrgenommen. Jobst Willers ist ein Ermöglicher. Eine seiner grossen Fähigkeiten war es, Projekte, die an ihn herangetragen wurden, unkompliziert und pragmatisch möglich zu machen.
 

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