«Ge­mein­sam et­was be­we­gen, das al­len dient»

Peter Dransfeld ist der neue SIA-Präsident. In seinem ersten Interview spricht er darüber, was ihn antreibt, was er im und mit dem SIA bewegen will und was seiner Meinung nach in den kommenden Jahren die grössten Herausforderungen für die Planerbranche sind.

Publikationsdatum
23-04-2021


SIA: Wer ist Peter Dransfeld?

Peter Dransfeld: Ein Architekt aus Leidenschaft. Ein Geschäftsführer eines selbst aufgebauten Architekturbüros. Ein Politiker. Ein geselliger Mensch – zweisprachig, lokal verwurzelt, aber offen für die Welt. Ein Sänger, Fasnächtler und Bergwanderer.


SIA: Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Beruf?

Peter Dransfeld: Als ich mich mit 16 Jahren für den Architektenberuf zu interessieren begann, faszinierte mich die Vorstellung, Gestaltung und Technik in Verbindung zu bringen. Das ist noch heute so – aber mit einer dritten Komponente: nämlich der Mitgestaltung des Zusammenlebens der Menschen.


SIA: Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe als SIA-Präsident?

Peter Dransfeld: Ich freue mich auf den Kontakt mit vielen spannenden Menschen, sowohl in der Geschäftsstelle als auch in den Sektionen in den verschiedenen Landesteilen und Sprachregionen. Und ich freue mich darauf, mehr Französisch zu sprechen, die Sprache meiner Kindheit. Mich reizt die Vorstellung, gemeinsam etwas zu bewegen, das uns allen dient. Und ich hoffe, mit einem gewissen organisatorischen und kommunikativen Geschick dazu beitragen zu können.


SIA: Was möchten Sie als Erstes im neuen Amt tun?

Peter Dransfeld: Ich wünsche mir, in den ersten Wochen mit allen Mitarbeitenden persönlich zu reden und in meinem ersten Amtsjahr alle Sektionen vor Ort zu besuchen. Im Weiteren möchte ich möglichst bald jede Berufsgruppe persönlich begrüssen und möglichst viele Vertreterinnen und Vertreter der Fachvereine, Fachräte und Kommissionen kennenlernen.


SIA: Was wollen Sie als SIA-Präsident erreichen?

Peter Dransfeld: Ich bin der Meinung, dass der SIA einen guten Job macht. Es gilt primär, auf der hervorragenden Arbeit aufzubauen, die mein Vorgänger Stefan Cadosch erarbeitet und gepflegt hat. Ich möchte den von ihm geprägten Geist der Offenheit und des Dialogs weiterführen. Und ich mache mich stark für einen SIA, der seine Basis und damit die Anliegen seiner Mitglieder ernst nimmt und sie engagiert unterstützt. Ich identifiziere mich in sehr hohem Mass mit den berufsethischen Werten des SIA, mit seiner Verantwortung und Verpflichtung für unsere gebaute Umwelt und gegenüber unserer Gesellschaft.


SIA: In welchen Bereichen sollte sich der SIA stärker engagieren?

Peter Dransfeld: Provokativ gesagt: Der SIA könnte weniger machen, das aber mit noch grösserer Intensität. Potenzial sehe ich in einer gewissen Vereinfachung oder Verschlankung der teilweise sehr komplexen Strukturen des SIA. Noch kenne ich diese Strukturen zu wenig. Ich halte es aber für möglich, dass Ressourcen frei werden, wenn wir einiges verschlanken, wenn wir vielleicht auch auf gewisse Aktivitäten verzichten, die zwar sinnvoll, aber nicht vordringlich sind. Potenzial sehe ich auch in einer stärkeren Einbindung unserer Mitglieder.


SIA: Was sind in den kommenden Jahren die grössten Herausforderungen für die Planungsbranche – und für den SIA?

Peter Dransfeld: Inhaltlich sehe ich die grössten Herausforderungen in den Grenzen des Wachstums. Wir haben seit der Gründung des SIA immer grösser, höher, weiter und schneller gebaut. Nun haben wir erkannt, dass wir mehr Qualität statt Quantität brauchen. Wir müssen Ressourcen schonen und die Verschandelung unserer Siedlungen und Landschaften stoppen. Wir Planerinnen und Planer sind in der Lage, diesen Wandel zu voll­ziehen. Im Übrigen sehe ich auch ausserhalb der inhaltlichen Fragen grosse Herausforderungen. Das Vergabewesen zum Beispiel ist unzulänglich, insbesondere in seiner praktischen Umsetzung. Vor diesem Hintergrund ist der SIA gefordert bei der Bereitstellung praxisgerechter Normen und Ordnungen. Er muss gute Verfahren verteidigen und darf nicht davor zurückschrecken, unsaubere zu rügen. Auch dann nicht, wenn dahinter prominente Namen, gut vernetzte Akteurinnen oder Akteure oder einflussreiche Behörden stehen.


SIA: Themen wie die Digitalisierung, erneuerbare Energien und Baukultur beschäftigen den SIA und die Baubranche ebenfalls sehr.

Peter Dransfeld: Ja, das sind wichtige Themen. Ich bin überzeugt, dass wir bei der Digitalisierung mit offenem und nüchternem Blick die Vorteile abwägen und das Gute nutzen können, was uns letztlich auf dem Weg zu einer besser gebauten Umwelt weiterbringt.
Mit den erneuerbaren Energien habe ich mich als Architekt bereits leidenschaftlich beschäftigt, als man dafür noch ausgelacht wurde. Ich freue mich, dass das Thema nun auch in der Baupraxis angekommen ist. Die Baukultur schliess­lich ist ein zentrales Thema für den SIA: Sowohl die Kultur des ge­­bauten Erbes als auch die Kultur dessen, was wir neu bauen. Der SIA kann kaum Baukultur schaffen, er kann und soll aber möglich machen, dass sie geschaffen und erhalten werden kann.


SIA: Sie sind politisch sehr aktiv, als Planer sind Sie da eher eine Ausnahme. Warum sind nicht mehr Planende politisch aktiv?

Peter Dransfeld: Eine interessante Frage. Das kann ich Ihnen leider auch nicht beantworten. Aber ich würde es begrüssen, wenn mehr Ingenieure und Architektinnen in der Politik wären. Sie haben sehr viel mit der Gestaltung unseres Zusammen­lebens und unserer Umwelt zu tun, genauso wie die Politik. Der persönliche Austausch mit politischen Verantwortungsträgerinnen und -trägern, den auch mein Vorgänger gepflegt hat, spielt eine entscheidende Rolle. Dabei ist es wichtig, in der Sprache zu kommunizieren und in den Prozessen zu handeln, die den politischen Betrieb prägen.


SIA: Sie führen ein Architekturbüro, sind als Fraktionspräsident im Grossen Rat des Kantons Thurgau – und jetzt auch noch SIA-Präsident. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Peter Dransfeld: Ich habe mich seit jeher ausserhalb meines Berufs in verschiedenen Aufgaben engagiert. Wenn ich eine neue grosse Aufgabe angegangen bin, habe ich aber auch immer eine abgegeben. Deshalb habe ich meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen mitgeteilt, dass ich als Fraktionspräsident zurücktreten werde. Aber ich bleibe natürlich ein politisch denkender und interessierter Mensch.


SIA: Erzählen Sie von einem Misserfolg, bei dem Sie etwas gelernt haben.

Peter Dransfeld: Sehr viel gelernt habe ich aus einer gewissen Selbstüberschätzung beim Bau eines sehr innovativen Gebäudes, das ich mittlerweile selbst bewohne. Es ist am Ende gut herausgekommen, hat mich aber zeitweise fast übermenschliche Kräfte gekostet.
 

SIA: Zum Schluss: Beenden Sie bitte den folgenden Satz: Der SIA ist …

Peter Dransfeld: … ein Verband, der seine 16 000 Mitglieder vertritt und sie darin unterstützt, unsere gebaute Umwelt besser zu machen.

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