Fran­zö­si­scher Pa­vil­lon an der Ar­chi­tek­tur­bi­en­na­le Ve­ne­dig

Aus den Satelliten Städte machen

Publikationsdatum
03-09-2012
Revision
25-08-2015

Der Beitrag Frankreichs ist einem Thema gewidmet, das heuer in zahlreichen anderen Länderpavillons – etwa im belgischen oder US-amerikanischen – zur Diskussion gestellt wird: Wie macht man aus einem Haufen disparater Bauten eine menschenfreundliche Stadt? Als Studienobjekt dient ein Gebiet, das geradezu exemplarisch die hehren Absichten und die krassen Fehler des Nachkriegsstädtebaus durchdekliniert: die Grands Ensembles im Osten der französischen Hauptstadt. Die riesigen Gebäudekomplexe mit Sozialwohnungen, die entlang der Pariser Ausfallstrassen aus dem Boden gestampft wurden, sind hauptsächlich als Schlafstädte konzipiert. Die Grünräume sind undefiniert, die Infrastruktur mangelhaft und das Wegnetz für den Langsamverkehr ungenügend. Die von Schnellstrassen und Eisenbahn zerstückelte, mit Einkaufszentren und Gewerbezonen durchsetzte Landschaft wäre zwar reizvoll, kann in dieser Form aber kaum genutzt werden. Solche Phänomene sorgen nicht nur in Frankreich für Ratlosigkeit: Abgesehen von den sozialen Spannungen, mit denen die Grands Ensembles in den letzten Jahren für Schlagzeilen gesorgt haben, beruhen sie auf der gleichen architektonischen Haltung wie viele Siedlungen und Agglomerationen in ganz Europa.

Die im französischen Pavillon vorgestellten Lösungsvorschläge entsprechen denn auch Ideen, die im architektonischen und städtebaulichen Diskurs zurzeit stark präsent sind: die Vernetzung und punktuelle Ergänzung des Bestehenden, die gezielte Verdichtung der bebauten Zonen und die Pflege des Landschaftsraumes, der Ausbau des Wegnetztes, die strategische Implementierung der notwendigen Infrastruktur, die Schaffung von lokalen Zentren und die Nutzung der Grünflächen als Erholungsraum und für die lokale Lebensmittelproduktion. Ausgangspunkt der Projekte bildet die Überzeugung, dass jede Situation aufgrund ihrer bestehenden Qualitäten verbessert und jede noch so desolate Überbauung zu einer Identität stiftenden Nachbarschaft aufgewertet werden kann. Es geht also nicht mehr wie in früheren Jahren darum, ein abstraktes urbanistisches Ideal zu realisieren; das Ziel ist vielmehr, basierend auf einer Analyse des gegebenen Kontextes dessen Stärken weiter zu entwickeln – unter Einbezug der lokalen Bevölkerung, die damit auch in die Verantwortung genommen wird. Das Ergebnis wird so spezifisch sein wie die jeweilige Ausgangslage. Insofern kann der französische Beitrag tatsächlich als Städtebaulaboratorium des 21. Jahrhunderts betrachtet werden, wie es der Kurator postuliert. Unabhängig davon, ob sich der Wille und die Mittel finden werden, um die Vorschläge zu realisieren: Aus den Ansätzen kann man lernen.

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