Ein neu­er Blick auf die Sied­lung Ha­len

Editorial von Tracés 12/2015

Publikationsdatum
01-07-2015
Revision
25-08-2015

In Tracés 12/2015, für das Bruno Marchand und Frédéric Frank verantwortlich zeichnen, geht es um hybride Bauformen, wobei ein fachkundiger historischer Ansatz mit einem fundierten Überblick verbunden wird. Trotz der Unterschiede haben beide Ansätze denselben Ausgangspunkt: die in den 1960er-Jahren im Berner Umland realisierte Siedlung Halen von Atelier 5. 

Warum führt auch heute noch kein Weg an diesem Beispiel vorbei, wenn man versucht, das schweizerische Modell des konzentrierten Individualwohnungsbaus zu verstehen? Die «Halen» ist in jeder Hinsicht ein Erfolg. Sie hat nichts von ihrer ursprünglichen Frische verloren, und es ist ihr gelungen, das von Stadtplanern so gerühmte kostbare Gleichgewicht zwischen den Generationen aufrecht zu erhalten. Das Geheimnis ihres Erfolges liegt nicht nur in ihrer Form, sondern auch in der gemeinschaftlichen Organisation: Es gibt zwar eine Eigentümerversammlung, doch diese handelt eher gemäss einer Bienenstock- denn einer Immobilienlogik. 

Letztlich geht es bei diesem historischen Projekt um eine neue Definition der altbekannten Dichotomie aus kollektivem und individuellem Wohnen. Nach der «Halen» entwickeln sich die Kategorien weiter. Da gibt es zum einen das kollektive oder individuelle Wohnen mit gemeinschaftlicher Dominante, zum andern das kollektive oder individuelle Wohnen, das von der Logik des Marktes regiert wird. Die «Halen» gehört zur ersten Kategorie, doch der überwiegende Teil dessen, was heutzutage in der Schweiz gebaut wird, fällt unter die zweite. Besteht überhaupt Hoffnung, dass irgendwann einmal dieses erfolgreiche Modell vorherrschend wird  

Erst kürzlich wurde in Lausanne im Quartier Sous-Gare vom Büro CCHE ein Komplex realisiert, der von einer der grossen Genfer Immobilienfirmen vermarktet wird und der zeigt, dass durchaus Anlass zur Hoffnung besteht und man genau dort überrascht werden kann, wo man es am wenigsten erwartet hätte. Auffallend sind nicht so sehr die drei kompakten Wohnblocks an der Metrolinie M2, sondern vielmehr die Öffnung durch das einladende Inselchen, die durch sie geformt wird. Dieser Standardentwurf zeichnet sich dadurch aus, dass er eine Fussgängerachse ermöglicht, welche die Avenue Dapples und die Rue Voltaire verbindet und die zudem in einen grosszügig angelegten Garten führt. Bisher verunzieren diesen kleinen Park mit seinen hundertjährigen Bäumen keinerlei Verbotsschilder, die den Zugang zum Spielplatz reglementieren, wo man mit Vergnügen Kinder beim Spielen hört. Man könnte diese Höflichkeit den «Geist von Halen» nennen.

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