De­le­gier­te be­stä­ti­gen po­li­tisch en­ga­gier­ten SIA

Delegiertenversammlung 2017 in Winterthur

Die Vergabe bleibt strategisches Themenfeld des Vereins, die Baukultur ist es erneut. Aussprache und Diskussion zum Projekt «Die Schweiz 2050», ein «getanzter» SIA und ein neues Gesicht im Vorstand.

Publikationsdatum
18-05-2017
Revision
18-05-2017

Die Delegiertenversammlung des SIA fand am 29. April in Winterthur statt. Drei Themen standen im Zent­rum – das vom SIA angeschobene Projekt «Die Schweiz 2050» (siehe E-Dossier), zweitens die Frage, welches die vorrangigen strategischen Themenfelder des SIA für die kommenden zwei Jahre sein sollen, sowie drittens die Bundesstrategie Baukultur. Für Baukultur als neues Themenfeld der Kulturpolitik hatte sich der SIA in intensiver Lobbyarbeit stark gemacht. Nina Mekacher vom Bundesamt für Kultur skizzierte nun für die Delegierten die Baukulturstrategie des Bundes, auch mit Blick auf das an­stehende europäische «Kulturerbejahr», an dem der SIA aktiv mitwirken möchte. 

Die für den Nachmittag angesetzte Information zum Projekt «Die Schweiz 2050. Lebensraum und Bauwerk» wurde auf Initiative der Delegierten auf den Vormittag vorgezogen. Zu wichtig erschien den angereisten SIA-Vertretern das Thema, als es der Gefahr auszusetzen, am Nachmittag unter dem Zeitdruck nachfolgender Traktanden nicht in Ruhe diskutiert zu werden. Mit diesem «Grand Projet» will der SIA in den kommenden vier Jahren ein gesamtheitliches Zukunftsbild des Gebäudeparks, der Infrastruktur und der Landschaften der Schweiz zur Jahrhundertmitte erarbeiten – auch als Grundlage für die Ausrichtung seiner Tätigkeiten im Bereich Normenschaffen, Weiterbildung und Vereinspolitik.

In den Wortbeiträgen zum Projekt zeigte sich, dass keiner der Delegierten das Projekt als solches infrage stellte, jedoch bestand bei manchen Erklärungsbedarf hinsichtlich des Prozesses – und der Frage, wie die Arbeitsergebnisse der beiden in der Initialphase be­auftragten Projektpartner, Reza Abhari und Hubert Klumpner (ETH Zürich Labore U-TT und LEC) einerseits sowie des ETH Studio Basel unter Leitung von Jacques Herzog und Pierre de Meuron andererseits, zusammengeführt werden sollen. 

Megatrends einbeziehen

Vor diesem Hintergrund fiel der Bericht von SIA-Präsident Stefan Cadosch zum Stand des Projekts ­betont selbstkritisch aus. So hätten sich Zusammenarbeit und Austausch der beiden ETH-Departemente als schwieriger erwiesen, als dies ursprünglich gedacht war. Einige Aspekte, z. B. Megatrends jenseits der engeren Forschungsaufgaben der Teams, seien zu wenig einbezogen worden. «Es gibt auch den Plan B einer reduzierten Projektvariante», schloss Stefan Cadosch seine Ausführungen. Doch werde er seine Energie lieber dafür verwenden, die uneingeschränkte Akzeptanz des Vorhabens bei Delegierten und Vorstand wiederherzustellen. Dem schloss sich Ariane Widmer Pham, Projektverantwortliche «Die Schweiz 2050», mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für das Projekt an. 

Michael Schmid regte eine ausserordentliche Delegiertenversammlung zu «Die Schweiz 2050» an. «Als Berufsgruppe unterstützen wir das Projekt, seine tatsächlichen Inhalte sind uns aber zu wenig transparent», erklärte Schmid. Er lobte aber das nachgereichte Projektdossier. Die französische Fassung des Dossiers habe die Delegierten erst am Vortrag der Versammlung erreicht, wodurch «nur wenig Zeit blieb, sich einen Überblick zu verschaffen», kritisierte seine Berufsgruppenkollegin Astrid Dettling.

Patric Fischli-Boson, der der Berufsgruppe der Ingenieure vorsteht, wünschte, dass diese in die Bearbeitung des Projektes einbezogen werde. Präsident Stefan Cadosch zeigte Verständnis für das Anliegen, stellte jedoch fest: «Es ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt, das Gefäss so weit zu öffnen.» Derzeit gehe es nicht um inhaltliche, sondern um Fragen des zielorientierten Vorgehens. Schliesslich verständigte man sich darauf, statt einer ausserordent­lichen Delegierten-versammlung im Herbst einen Workshop zum Projekt durchzuführen. 

Keine weiteren Kosten für SIA

Dass die Finanzierung der weiteren Projektarbeit noch nicht abschliessend gesichert sei, gehe unter an­derem auf «Stabilo» zurück, das 2015/2016 umgesetzte Sparprogramm des Bundes. «Dieses Spar­paket hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht», bedauerte Cadosch. Die fehlende Finanzierung führte zu der Rückfrage von Alfredo Pergola aus der Berufsgruppe Architektur, ob «Die Schweiz 2050» im Jahr 2017 weitere finanzielle Verbindlichkeiten für den SIA bringen werde. Dies konnten Cadosch und SIA-Quästor Daniele Biaggi jedoch klar verneinen. 

Abschliessend äusserte Michael Schmid den Wunsch, dass an der Tagung der Berufsgruppen und Sektionen im Herbst eine Stunde über Projektstand, Finanzierung und Ergebnisse informiert werde und Zeit für Rückfragen und Diskussion zur Verfügung stehen solle. ­Stefan Cadosch sagte dieses Informations- und Diskussionsmodul zu, der Bericht zum Projekt wurde mit einer Gegenstimme genehmigt.

Vergabe bleibt strategisches Thema

Eine Ergänzung zur Position des Vorstands formulierten die Delegierten, als Stefan Cadosch am Nachmittag zu den strategischen Themenfeldern des Vereins informierte; im Sinn einer Bündelung der finanziellen und personellen Ressourcen trete der Vorstand für neu nur mehr drei Schwerpunkte der politischen und sachlichen Vereinsarbeit ein. Es sind Energie, Planungs- und Bauprozesse sowie – nach zweijähriger Pause – wieder die Planungs- und Baukultur (bislang: Baukultur) als Themen aufgenommen worden. An diesem Punkt stellte Geologe Simon Roth aus Winterthur den Antrag, «Vergabewesen» als viertes strategisches Themenfeld beizubehalten. «So lange die Ordnungen des SIA bei den Vergabestellen noch nicht wirklich etabliert sind, kommt der SIA nicht umhin, aktiv für die Ordnungen 142, 143 und die Leistungsofferte nach SIA 144 einzustehen», sagte Roth. 

Trotz einiger wohlwollender Kantone, die die Vergaberichtlinien des SIA unterstützten, «fällt es uns bei vielen Bauherren immer schwerer, die Nutzung der entsprechenden Ordnungen auch durchzusetzen», beklagte Christina Zoumboulakis, Präsidentin der Sektion Waadt. Hartwig Stämpfle, neuer Präsident der Sektion Zürich, pflichtete ihr bei: «Seitens der Kantonsregierung wurde uns kommuniziert, das wir mit den Honoraren gemäss der SIA-Ordnungen unter Beschuss kommen werden.» Diese würden zu hohe Kosten verursachen. Vergabe sei somit ein essenzielles Thema. Nach diesen «Plädoyers» wurde der Antrag, «Vergabe» als viertes prioritäres Themenfeld der SIA-Arbeit zu benennen, bei nur einer Gegenstimme und fünf Enthaltungen angenommen. 

«Stabilo» bremst Baukultur

Ebenfalls wurde die Baukultur nach zweijähriger Pause für 2017/18 erneut als strategisches Themenfeld des SIA benannt – vor allem, weil die diesbezügliche Lobbyarbeit des SIA einen unerwarteten Rückschlag erlitten hat: Nachdem Ende 2015 der Bund einen 500 000-Franken-Etat für die Initialphase aktiver Bau­kultur-Arbeit unter dem Dach des Bundesamts für Kultur gesprochen hatte, waren die Mittel im Zuge des erwähnten Sparprogramms «Stabilo» umgehend wieder gestrichen worden. Weiteres Engagement bis zur endgültigen Etablierung dieses Themenfelds scheint daher geboten. 

Die Berufsgruppe Umwelt im SIA steuerte zur DV 2017 zwei bedeutsame Personalien und das «Positionspapier Landschaft» bei. Evelyn Coleman Brantschen aus dem Wallis (vgl. TEC21 Nr. 17/2017) tritt die Nachfolge von Fritz Zollinger an, der die Geschicke der Berufsgruppe 17 Jahre lang mit sicherer Hand lenkte (vgl. TEC21 Nr. 12/2017) und dabei eine nach vielen Seiten vernetzte Berufsgruppenarbeit aufbaute. Wer Fritz Zollinger kennt, konnte ahnen, dass er nicht einfach auf die Bühne treten und Adieu sagen würde; vielmehr stand er nach der Mittagspause im hautengen Dress auf der Bühne und tanzte, begleitet von einem Alphornbläser, den SIA; dabei jonglierte er mit Reifen, Ball und Kegel, wobei ausgerechnet der schwere, nur von geübten Artisten beherrschte Kegel die SIA-Geschäftsstelle symbolisierte.

Den Höhepunkt bildete die virtuose Jonglage mit einer Fahne, die die Berufsgruppen und Sektionen des Vereins symbolisiert. Besser hätte man die Arbeit des SIA, das stetige Austarieren der oft divergierenden Interessen und Anliegen nicht szenisch umsetzen können. Es war die erste Amtshandlung von Zollingers Nachfolgerin Evelyn Coleman Brantschen, das von der Berufsgruppe erarbeitete Positionspapier Landschaft vorzustellen. Es soll auch dazu beitragen, die anderen Disziplinen im SIA für die Facetten des Themas Landschaft zu sensibilisieren. Das Positionspapier wurde einstimmig angenommen. 

Eine weitere Personalie betrifft den Vorstand: Nathalie Rossetti tritt nach zehn Jahren aus dem SIA-Vorstand zurück, um sich wieder ganz auf ihre Arbeit als Architek­tin zu konzentrieren. Stefan Cadosch würdigte die «charmante, offene und konsensorientierte Art» der gebürtigen Neapolitanerin. Aufge­wach­­sen im Tessin und in Zürich lebend und arbeitend, habe Rossetti für den SIA «eine wichtige Brücke ins Tessin gebildet», erklärte Ca­dosch. Ros­setti, ab sofort Ehrenmitglied, bleibt der Arbeit des SIA eng verbunden. Ihre Nachfolge tritt der Tessiner Bauingenieur FH und Architekt ETH Simone Tocchetti an; den Inhaber eines Architektur- und Ingenieurbüros in Zürich und Lugano stellen wir in Kürze vor. Last, but not least bestätigten die Delegierten – neben den bisherigen Vorstandsmitgliedern – auch Stefan Cadosch einstimmig für vier weitere Jahre in seinem Amt, was dieser sichtlich gerührt zur Kenntnis nahm. 

Gegen Ende der Versammlung wurde es noch einmal politisch: Vizepräsident Adrian Altenburger appellierte an die Delegierten, mit Blick auf die Volksabstimmung vom 21. Mai für eine Unterstützung der Energiestrategie 2050 des Bundes zu votieren und das vorgelegte Mass­nahmenpaket zu unterstützen. Sein Antrag wurde von den Delegierten einstimmig angenommen, sie stehen also geschlossen hinter der Energiestrategie 2050 des Bundes.

 

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