Cuo­re: Ein Herz für Stu­di­en, Ar­chi­ve und For­schung

Die Triennale Mailand lässt tief in ihr Inneres blicken und macht bislang Verborgenes zugänglich. Cuore, Herz, heisst das Mitte Februar eingeweihte neue Centro Studi Archivi Ricerca, ein Zentrum für Studien, Archive und Forschung zur Geschichte der Triennale am Parco Sempione. 

Publikationsdatum
10-04-2024

Seit 1933 zeigt die Institution internationale Ausstellungen zu Themen von Architektur, Innenausstattung, Design und Kunst. Zuvor diente zehn Jahre lang der Palazzo Reale in Monza als Triennale-Schauraum.     

100 Jahre Triennale   

Das 100-Jahr-Jubiläum und der sich seit der Gründung dieses Ausstellungsformats stetig mehrende Archivschatz boten den Anlass, der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, hinter die Kulissen der Triennale zu schauen, Archivalien zu entdecken und zu erforschen.

Cuore – die Namensgebung verweist auf den vitalen Puls der Institution und der Künste unter ihrem Dach. Welch hohen Stellenwert die Triennaleleitung unter Präsident Stefano Boeri der Zugänglichkeit zu den archivierten Materialien zumisst, zeigt die privilegierte Position des Cuore an der Hauptachse des Gebäudes im Erdgeschoss. Mit dem Umbauprojekt verknüpft waren auch Massnahmen zur energetischen Ertüchtigung des Gebäudes. Umbau und Neugestaltung realisierte Luca Cipelletti, Studio AR.CH.IT aus Mailand.

Aufbruch in die digitale Ära

Der Umbau setzt ein bauliches Zeichen dafür, wie sich das Nutzungskonzept für Präsenzbibliotheken verjüngen und im digitalen Zeitalter fortschreiben lässt. Polyfunktionalität ist eine der Stellschrauben dieses Neuansatzes, d.h., die Triennale öffnet verschiedenen Nutzergruppen – Fachleuten, Studierenden, nicht berufsmässigen Design-Enthusiasten – ihr Herz und berücksichtigt diverse Erwartungen und Bedürfnisse. 

Eingerichtet wurden eine Fläche für Lesen und Stillarbeit sowie ein Bereich für Filmprojektionen, Gespräche, Vorträge, Dialoge. Präsentierfläche gibt es auch für Gast-Archive. Statt einem typischen Studierzentrum mit Labyrinthen aus Bücherregalen finden sich hier lichte Flächen und Räume.

Sehen, lesen, hören! 

So erlaubt die Gestaltung die freie Sicht auf die Gliederung des gesamten Raums mit rund 400 m2 Fläche. Auf den ersten Blick erkennbar wird die Ordnung des Bibliotheksbestands, der die Strömungen und Stilwechsel von den 1920er-Jahren bis heute vergegenwärtigt.

Gedruckte Werke, Modelle, Pläne und Zeichnungen, Plakate, eine LED-Wand für Filme – die getroffene Auswahl aus der rund 300’000 Materialien zählenden Sammlung animiert dazu, im Cuore das Gedächtnis und Kulturerbe der Institution mehrspurig zu erkunden.   

Viel Fläche bietet das modulare Regalsystem aus recyceltem Holz, das sich die Innenwand entlang zieht. Die markante Kennzeichnung der Sektoren Architektur, Design, Fotografie, Theater, Grafik, etc., lenkt das Auge auf das jeweilige Interessengebiet. Unter Glas reihen sich Prototypen international erfolgreicher Designobjekte. Mit dabei sind Entwürfe von Marco Zanuso (1916–2001) und Richard Sapper (1932–2015): der TV Algol (1964), das Radio Cubo (1964) und der Telefonapparat Grillo (1965). Das glatt geschliffene Holzmodell einer Nähmaschine (Marcello Nizzoli, 1957) gleicht einem kunstvollen Objekt.   

Erinnerungsinsel für den Blick in die Zukunft

In Vitrinen ausgebreitet finden sich Entwurfszeichnungen zum urbanen Wohnen, so ein kleines Apartment, das Gio Ponti für die VI. Triennale 1936 entwarf. Einen Wohnbereich, in dem ein Baum durch die Decke stösst, zeichnete Franco Albini 1940 für die VII. Triennale. Handzeichnungen von Raumideen und Prototypen der goldenen Ära italienischen Designs bilden eine Erinnerungsinsel, von der aus kritische Reflektionen über Methoden, Ziele und Aufgaben von Gestaltung damals und heute ihren Ausgangspunkt nehmen können. 

Spirale zurück

Eine Drehbewegung anderer Art setzt den räumlichen Schlussakzent im Cuore. Es handelt sich um die historische Wendeltreppe, die sich am Ende des Raums und dort im verglasten Treppenhaus nach oben windet. Die scala a spirale stammt vom Architekten des Gebäudes, Giovanni Muzio. Er entwarf 1933 das Triennale-Ausstellungshaus als Stahlbetonskelett mit Backsteinfassade und schuf so eine Landmarke unter den Mailänder Kulturbauten. Die innere Struktur des Baukörpers und die Beschränkung auf möglichst wenig Stützen, sollten, so Muzio, grosse Freiheit in der Unterteilung und flexiblen Nutzung des Innenraums ermöglichen. An dieses Prinzip dockt die Cuore-Planung mit der Devise «Back to Muzio» an.   

Vor allem die Kataloge der Triennale-Ausstellungen regen zu einem vergleichenden Betrachten an, um Stilwechsel von Home-Sweet-Home-Ideen oder frühe Zeichen der Neuorientierung hin zu umweltgerechtem Design und Kreislaufwirtschaft aufzuspüren.   

Mehr Licht 

Den Bezug auf die Baugeschichte verdeutlichen zudem die neuen Fenster der Seitenfassaden. Sie sind Rekonstruktionen der bauzeitlichen Fenster. Ebenso wurden jahrzehntelang verdeckte Oberlichter aus Glasbausteinen freigelegt. Angenehm fürs Auge flutet so viel Tageslicht den Raum. Ob jedoch die Jalousien ausreichen werden, um das Sonnenlicht zu dimmen, wird sich zeigen.

Geplant ist, die Weiterentwicklung der ursprünglichen Raumstruktur an anderer Stelle im Gebäude fortzusetzen. Die Aufwertung des historischen Bauwerks, die Verbesserung der Energieeffizienz und neue Funktionen von Räumlichkeiten werden als Ziele genannt. Cuore gibt den Takt dieser ambitionierten Planung vor, die Triennale zukunftsfähig zu machen und im neuen Licht erstrahlen zu lassen.

Cuore Centro Studi Archivi Ricerca


Öffnungszeiten
Di bis So 11 bis 20 Uhr, freier Eintritt

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