Zu­kunfts­pro­jekt «Die Schweiz 2050»

Zur Bedeutung und zu den Zielen des Forschungsprojekts «Die Schweiz 2050» – und weshalb der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein hier die Initiative ergriffen hat.

Publikationsdatum
19-04-2017
Revision
19-04-2017

In diesem Jahr wird der Gotthard-Basistunnel in Betrieb genommen. Eine Flachbahn durch die Alpen verbindet neu das Tessin mit dem Mittelland. 2019 wird dieses System mit dem Tunnel durch den Ceneri ergänzt – Inge­nieurskunst made in Switzerland, eine neue europäische Verbindung nimmt Gestalt an. Die zweite Strassenverbindung durch den Gotthard ist beschlossen, Cargo sous terrain in Diskussion. Zudem stehen grosse Energiewerke zur Disposition.

Das wachsende «Bauwerk Schweiz» ist mit seinen Gebäuden, Strassen- und Bahnnetzen, Kraftwerken, der gesamten Infrastruktur ein zentraler Pfeiler des Schweizer Wohlstands. Der heutige Wiederbeschaffungswert beträgt rund 2500 Mrd. Fr., die jährlichen Investitionen über 60 Mrd. Fr. Die Qualität dieser Infra­struktur gilt es für die Zukunft zu sichern und strategisch weiterzuentwickeln.

Die zentralen Anliegen einer ganzheitlichen Auseinandersetzung mit dem Raum Schweiz im Jahre 2050 lauten: Lebensqualität trotz Entwicklungsdruck, nachhaltige Nutzung und Gestaltung der Landschaft und des gebauten Lebensraums, Umweltschutz, effektive Energieversorgung und Mobilität.

Das Engagement des SIA

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA ist sich der Schlüsselrolle bewusst, die ihm bei der zukunftsfähigen Umgestaltung des Bauwerks und des Lebensraums Schweiz zukommt. Wir nehmen die Herausforderung an, bestehende Instrumente der Raumplanung weiterzuentwickeln und mit den Bedürfnissen der Gesellschaft von morgen abzustimmen. Der SIA hat deshalb die Initiative ergriffen, Schlüsselfragen formuliert, erste Mittel bereitgestellt, Partner zusammengebracht und im Sommer 2015 die Pilotphase eines der ambitio­niertesten Projekte seiner jüngeren Geschichte lanciert: «Die Schweiz 2050».

Um den komplexen Anforderungen zu entsprechen, ist neben der Geschäftsstelle und dem Projektteam der gesamte SIA mit Vorstand, Sektionen und Berufsgruppen, Fachvereinen und Fachverbänden ziel­orientiert in das Projekt eingebunden. Die Fachstellen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden sowie die Organisationen der Energiebranche, der Planungs- und der Bauwirtschaft sollen zu aktiven Partnern von «Die Schweiz 2050» werden.

Warum «Die Schweiz 2050»?

Ziel von «Die Schweiz 2050» ist ein attraktives, breit abgestütztes und realisierbares Gesamtbild der Schweiz zur Jahrhundertmitte – mit den folgenden Themen:

  • Lebensraum für mehr Menschen: aufzeigen, wie die Schweiz im Jahr 2050 Heimat von vielen zusätz­lichen Einwohnern werden kann.
  • Ganzheitliche Raumstrategie für die Schweiz in Europa: Zu diesem Zweck lassen wir datenbasierte Modelle und Szenarien für eine zukunftsfähige Entwicklung des Bauwerks und des Lebensraums erarbeiten. Im Zentrum der Betrachtung steht der Entwicklungsdruck auf das Territorium, auf die Umwelt, die Mobilität, den Gebäudepark, die Energieanlagen, die Siedlungsentwicklung und die In­frastruktur der Schweiz. Es gilt festzustellen, wie im Rahmen dieser Umgestaltung neue Lebensraumqualitäten erreicht und neue Identitäten gestiftet werden können.
  • Der Raum Schweiz in Forschung und Lehre: Es sollen praxisorientierte Ideen für die Raum- und Wirtschaftsentwicklung erarbeitet werden, die in die Aus­bil­dung der Studierenden einfliessen. Die Ergebnisse sollen auch Modellcharakter für andere Länder der Welt haben.

Konkreten Nutzen und beruflichen Mehrwert soll das Projekt den 16 000 SIA-Mitgliedern bringen – es soll ihnen als Grundlage für die zukünftige Ausgestaltung des Normenwerks ­dienen, für die Vorausschau, das Weiterbildungsangebot und die Dienstleistungen des SIA, und nicht zuletzt soll es Kriterien und Argumente für ihr Handeln liefern. Ein wichtiges Anliegen ist – ganz in der Tradition des SIA – die Weiterentwickung der Interdisziplinarität, der Zusammenarbeit von Architektinnen und Ingenieuren mit Blick auf die Realisierung der notwendigen Projekte.

«Die Schweiz 2050» ist ein ambitioniertes Projekt. Es erfordert enge Zusammenarbeit und Koordination über alle Staatsebenen hinweg. Der Erfolg hängt davon ab, ob alle Beteiligten, inklusive Wirtschaft und Privatpersonen, auch bereit sind, die nötige Wertediskussion zu führen und in die Zukunft der Schweiz zu investieren.

Dynamischer Kompetenzcluster

Auf der Basis von Fallstudien und thematischen Modulen wird eine ganzheitliche, bebilderte Vision für die Raumstrategie der Schweiz 2050 entwickelt. «Die Schweiz 2050» versteht sich als dynamischer Kompetenzcluster, der flexibel und zielgerichtet verschiedenste Kompetenzen in einem Projekt vereint, den Dialog zwischen den planenden und bauenden Akteuren des Raums Schweiz fördert und sie in ihrer Verschiedenheit und Komplementarität zusammenführt. Im Verlauf des Prozesses sollen die Forschungsergebnisse progressiv konsolidiert und in regelmässigen Abständen öffentlich gemacht werden.

In der Initialphase arbeiten zwei Forschungsgruppen am Auftrag, mittels Fallstudien – sogenannter «Bohrungen» – erste Elemente einer Raumstrategie zu entwerfen. Seit September 2015 arbeiten die ETHZ-Institute Urban Think Tank (U-TT) und Laboratory for Energy Conversion (LEC) an der Entwicklung einer Plattform, die die für die Raumentwicklung notwendigen Informationen aufbereitet und ­auswertet. Parallel zu U-TT und D-MAVT/LEC arbeitet das ETH ­Studio Basel anhand der Bohrung Metropolitanraum Basel an der Problematik der Zersiedelung.

Eine Kernfrage lautet dabei: Wie kann man bei einem angenommenen schweizerischen Bevölkerungswachstum von 25 % (von 8 auf 10 Mio. Menschen) der Fragmentierung der Planung entgegenwirken? Die Berufsgruppe Umwelt des SIA (BGU) erhielt im Oktober 2015 den Auftrag zur Erarbeitung eines thematischen Moduls «Landschaft». Diese Zusammenarbeit dient als Pilotprojekt für den systematischen Einbezug der Berufsgruppen des SIA während der Projektphase. In TEC21 16/2016 folgt ein vertiefender Bericht über die schon laufenden Arbeiten.

Ein Projekt von nationaler Bedeutung

Die Projektlenkung liegt während der Initial- und der Projektphase beim SIA, vertreten durch den Vorstand und die Geschäftsstelle. Eine schlanke, bedürfnisgerechte Aufbauorganisation hat sich für die Initialphase seit dem Sommer 2015 konstituiert. Sie wird in der Projektphase progressiv ausgebaut, um eine effiziente Vernetzung der Forschungsgruppen sicherzustellen und die Einbindung von weiteren Projektpartnern zu ermöglichen. Für die Initialphase setzte sich die Projektlenkung aus einem Ausschuss und einer Leitung zusammen.

«Die Schweiz 2050» ist ein Projekt von nationaler Bedeutung, das weit über die Möglichkeiten des SIA hinausgeht. Seine Finanzierung lässt sich nur durch ein kollektives Engagement sicherstellen. Projektpartner können ihre Kompetenzen in ein visionäres Projekt einbringen, an dessen Gestaltung und Steuerung aktiv mitwirken, und sie erhalten Zugang zu den neuesten Forschungsergebnissen.

 

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