Bruno Giacometti (1907–2012)
Mit dem aus dem Bergell stammenden Architekten und Kunstmäzen Bruno Giacometti ist der letzte bedeutende Schweizer Architekt der frühen Moderne verstorben. Der jüngste Sohn des Malers Giovanni Giacometti betrachtete sich selbst explizit nicht als Künstler. Seine Architektur war im besten Sinne funktional.
Bruno Giacometti ist der jüngste Bruder des Künstlers Alberto (1901–1966), des Bildhauers und Möbelgestalters Diego (1902–1985) und der früh verstorbenen Schwester Ottilia (1904–1937). Bereits in seiner Jugend war Bruno von Kunst umgeben. Der Maler Cuno Amiet war ein Freund des Hauses, Augusto Giacometti ein entfernter Cousin, und Ferdinand Hodler war der Brunos Patenonkel. Doch für Bruno war klar, dass er etwas «Nützliches» für die Menschen machen wollte und so studierte er am damaligen Polytechnikum in Zürich bei Karl Moser und Otto Salvisberg zwischen 1926 und 1930 Architektur.
Funktionales Bauen
Als Mitarbeiter im Architekturbüro von Karl Egender war er unter anderem in Zürich an der Errichtung des Hallenstadions (1938/39) und an der Landesausstellung beteiligt (1939). Gerade als er sich selbstständig machen wollte, brach der Zweite Weltkrieg aus. Ein 2. Platz beim Wettbewerb für die Erweiterung der Kantonsschule Chur (1939) verhiess zwar einen erfolgreichen Start, doch ermöglichten ihm die über 1000 Diensttage, nur wenige Bauten zu realisieren.
Bruno Giacometti darf im besten Sinne als Funktionalist bezeichnet werden. Er vertrat eine moderne Architektur, die dem Menschen diente und nicht den formalen Ausdruckswillen des Architekten als Ausgangspunkt für das Entwurfskonzept nahm. Der schlichte Bau des Schweizerpavillons für die Biennale in Venedig (1952) ist eine dienende Architektur, die unprätentiöse und elegante Räume schafft, um Malerei und Skulptur auszustellen.
Kaum ein Architekt seiner Generation war derart international und kulturell breit vernetzt. Diese kulturelle Tiefe seines Wesens widerspiegelt sich in seinem Werk in der Unvoreingenommenheit der Lösungsfindung. «Fassadenarchitektur», wie Giacometti es nannte, lehnte er ab. Seine Bauwerke reagieren auf die jeweilige Situation und die Bedürfnisse ihrer Benutzer, ohne regionalistisch zu sein. Die Gebäude sind aus Schnitt und Grundriss entwickelt und innenräumlich differenziert. Modelle benötigte er nur für Präsentationen.
Persönliches Vermächtnis
So wie sich Bruno Giacometti bei seinen Bauten in den Dienst der späteren Benutzer stellte, kümmerte er sich nach dem Tod seines Vaters und seiner Brüder Alberto und Diego um deren Nachlässe. Zu seinen wichtigsten Leistungen als Mäzen zählt sein jahrzehntelanger Einsatz für den Nachlass Albertos und die Alberto Giacometti-Stiftung. 2006 konnte Bruno Giacometti zusammen mit seiner Frau Odette aus dem Pariser Nachlass Albertos der Alberto Giacometti-Stiftung in Zürich 75 Originalgipse und 15 Bronzeplastiken vermachen.
Bruno Giacometti stand sowohl mit seinen Werken als Architekt, wie auch als Person weniger im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Ihm ging es vielmehr darum, spezifische Lösungen zu entwickeln und nicht um die eigene Profilierung. Vor über zehn Jahren darauf angesprochen, dass es doch an der Zeit wäre, sein architektonisches Werk genauer zu erforschen und auch auszustellen, wehrte er sich vehement dagegen, wie seine Geschwister als Künstler behandelt zu werden. Er sei Architekt, der Räume für Menschen entwerfe, und wolle sich nicht profilieren. Etliche zeitgenössische Architekten könnten viel von Bruno Giacometti lernen.