Ein ­Kin­der­gar­ten als Re-Use-­Pio­nier­um­bau

In Zürich-­Wollishofen wird Wohnraum temporär zu einem Kindergarten für das Quartier umgebaut. Das Projekt dient als Versuchsvorhaben für ein Re-Use von Bau­teilen. Wiederverwendet werden Stahlträger, Küchen- sowie Sanitärelemente und sogar Brandschutztüren.

Date de publication
10-05-2023

Die Primarschule Manegg im Zürcher Quartier Wollishofen hat ein Platzproblem. Die Anlage aus den 1930er-Jahren lässt keine Erweiterung zu. Und auch die Raumsuche in der nahen Umgebung verlief ergebnislos. Angefragte Eigentümer:innen von leer stehenden Büroräumen sagten ab, weil sie Lärmklagen der übrigen Mieterschaft befürchten. Eine Lösung fand sich trotzdem wenige Hundert Meter vom Schulstandort Manegg entfernt: im stadteigenen Werkhof an der Mööslistrasse. Die Mietwohnungen im Obergeschoss werden nun zu einem Kindergarten mit Betreuung und Mittagstisch umgenutzt. Die Stadt sieht eine temporäre Umnutzung für maximal 15 Jahre vor.

Das Umbauprojekt gilt als Pilotversuch für Netto-Null: Man wollte erste Erfahrungen mit der Wiederverwendung von Bauteilen sammeln. «Der Auftrag war, so viele Re-Use-Bauteile im Innen- und Aussenraum wie möglich einzubauen», sagt Anna Dreykluft, Fachspezialistin umweltgerechtes Bauen beim Amt für Hochbauten.

Geprüft wurde, was sich aus den früheren Wohnungen vor Ort wiederverwenden liess. Fündig wurde man in den Nasszellen: Die Lavabos und Toilettenschüsseln wurden sorgfältig demontiert, aufgefrischt und wieder installiert. Um sie weiterhin zu benutzen, mussten die Bauverantwortlichen auch an die Bedürfnisse der künftigen Benutzer denken: Schemel sollen den kleinen Kindern das Händewaschen erleichtern.

Breit angelegte Bauteilejagd

Die Bauteilejagd ist eine besondere Angelegenheit: Die Suche nach wiederverwendbaren Bauteilen erfolgt jeweils parallel zur Gesamtplanung. Fündig wird man generell bei rückgebauten Gebäuden. «Wir durchsuchten aber auch stadteigene Immobilien nach verfügbaren Bauteilen», so Dreykluft. Für den Kindergarten wurden folgende Bauteile akquiriert:

  • Die Stahlträger für die Unterzüge stammen aus einem Provisorium ausserhalb der Stadt. Deren Wiederverwendung erzeugt einen überdurchschnittlich hohen CO2-Einspareffekt, weil die Stahlherstellung sehr energieintensiv ist.
  • Die Brandschutztüren waren zuvor in der städtischen Schulanlage Lavater installiert; aufgrund von Instandsetzungsarbeiten wurden sie dort ersetzt.
  • Die Überdachung der neu installierten Aussentreppe besteht aus einer Holzpergola, die ursprünglich als Mock-Up für ein neues Wohngebäude in Zürich diente.

Die Jagd geht weiter

Das Jagen beinhaltet auch Dokumentationsarbeit: Externe Re-Use-Spezialist:innen prüfen jedes potenziell verfügbare Bauteil visuell und tragen Informationen zu Herkunft, Qualität und Sicherheit in einem Bauteilepass zusammen. Aus diesem Pass entnehmen die Architekt:innen, wie wiederverwendbare Bauteile in das Umbaukonzept zu integrieren, konstruktiv zu befestigen oder Schnittstellen zu definieren sind.

Obwohl das Projekt noch in Ausführung ist, leiten Dreykluft und ihr Team bereits wertvolle Erkenntnisse daraus ab. «Der Aufwand in der Projektierung steigt, für die Bauherrschaft ebenso wie für Planer:innen und Fachspezialist:innen.» Im Gegenzug sinken die Materialkosten teilweise um bis zu 40 %. Zudem verschieben sich die Leistungsphasen, weil einzelne Bauteile verfügbar sind, lange bevor architektonische Details bestimmt sind. Und: Es fehlen Lagerstätten, um die erjagten Re-Use-Bauteile zentral zu sammeln. Das zirkuläre Bauen ist auf solche Dienstleistungen jedoch angewiesen.

Wie gross der Effekt auf das Klima ist, lässt sich bisher nur abschätzen. «Mit dem gewählten Re-Use-Anteil sparen wir mehr als 30 % der Treibhausgasemissionen ein, die sonst durch neue Bauteile indirekt verursacht worden wären», sagt Dreykluft. Insgesamt könne die zirkuläre Umnutzung zum Kindergarten im Vergleich zu einem konventionellen Umbau etwa die Hälfte der indirekten CO2-Emissionen reduzieren. Die Jagd nach wiederverwendbaren Bauteilen zahlt sich also in Bezug auf weniger Treibhausgase aus. Ab dem Schuljahr 2023/2024 ist der besondere Kindergarten bezugsbereit.

Kindergarten Mööslistrasse, Zürich

 

Nutzung
Bildung

 

Realisierung
2022–2023

 

Kosten
1.9 Mio. Franken

 

Bauherrschaft
Stadt Zürich

 

Eigentümervertretung
Immobilien Stadt Zürich

 

Bauherrenvertretung
Amt für Hochbauten

 

Architektur
Bischof Föhn Architekten, Zürich

 

Planung Re-Use
Zirkular GmbH, Zürich

 

Tragwerksplanung
Ingenieurbureau Heierli AG, Zürich

 

HLKS
Haerter + Partner AG, Zürich

 

Elektroplanung
Schmidiger + Rosasco AG, Zürich

 

Bauphysik
aik, Architektur + Ingenieur Kollektiv, Zürich

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Netto null bis 2040Wie die Stadt Zürich klimaschonend bauen will».

Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem E-Dossier «Bauen für Netto Null».

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