Ein Stan­dort für die Mo­bi­litäts­di­ver­sität

Der Arc Lémanique zwischen Lausanne und Genf boomt. Mit einer beispielhaften Siedlung trägt die Stadt Morges dazu bei, die Nachfrage nach neuem Wohnraum nachhaltig und mit umweltfreundlicher Mobilität zu stillen.

Date de publication
21-05-2021

Zwischen 1950 und 2019 hat sich die ­Be­völkerungszahl im Siedlungsgebiet zwischen Lausanne und Genf von knapp 600 000 auf 1.3 Millionen mehr als verdoppelt. Zum Vergleich: Gemittelt über die ­ganze Schweiz wuchs die Bevölkerung im gleichen Zeitraum nur halb so schnell wie am Genfersee. Die neu Hinzugezogenen benötigen ein Logis – und lassen die Verkehrsströme anschwellen: «Generell nimmt die Mobilität rascher zu als die Bevölkerungszahl», weiss Julien Lovey, Mobilitätsexperte für 2000-Watt-Areale. Die Stadt Morges am Genfersee will der Nachfrage nach Wohnraum deshalb mit möglichst umweltverträglichen Verkehrsformen begegnen und gab grünes Licht für eine beispielhafte Neubausiedlung: Nördlich des historischen Zentrums gelegen, soll die schon bald bezugsbereite Adresse vom Bahnhof zu Fuss in zehn Minuten erreichbar sein.

Ein Dinosaurier in Sichtweite

Anders als der Name «Églantine» vermuten lässt, handelt es sich beim 90 000 m2 grossen Areal nicht um eine idyllische Brache mit Heckenrosen, sondern um eine bis vor Kurzem landwirtschaftlich genutzte Fläche, die von locker bebauten Wohnquartieren mit altem Baumbestand umgeben ist. Am südöstlichen Rand wölbt sich das ­markante Dach einer Eislaufbahn in die Höhe, das an den Rücken eines Dinosau­riers erinnert. Auf 40 000 m2 Gesamtgeschossfläche sollen hier schon bald ungefähr 470 Woh­nungen in zwölf Neubauten ein Zuhause für 900 Personen bieten. «Die ersten Bewohner werden dieses Frühjahr einziehen, die letzten im Sommer nächstes Jahr», so Louise Wernert, Projektverantwortliche bei Lo­singer Marazzi, der für die Entwicklung und Realisierung des neuen Quartiers zuständigen Immobilienentwicklerin und Totalunternehmerin.

Wenn sich Gütesiegel ergänzen

Für Entwickler und die Standortgemeinde stand von Anfang an fest: ­Es soll ein nachhaltiges Quartier werden mit qualitativ hochwertiger Verdichtung, aber dank grosszügigen Grünflächen dennoch weitläufig, gut vernetzt und sparsam im Energieverbrauch. Die Gebäude selbst erfüllen die Kriterien für das Label «Minergie-Eco», und das gesamte Quartier soll die Zertifizierung «2000-Watt-Areal» erhalten. «Unter anderem bedeutet dies, dass neben der Betriebsenergie auch die graue Energie für die Erstellung des ganzen ­Areals und die induzierte Mobilität ­berücksichtigt werden», erklärt Louise Wernert.

Zu den weiteren spezifischen Anforderungen an ein 2000-Watt-Areal ge­hören eine Begrenzung der Treibhausgasemissionen und Möglichkeiten für soziale Begegnungen. «Mit Blick auf einen möglichst tiefen CO2-Ausstoss wird die Elektromobiliät in der neuen Siedlung gross geschrieben», führt Mobilitätsplaner Lovey aus. Grundsätzlich können sämtliche Parkplätze elektrokompatibel eingerichtet werden, wobei der Ausbau der Nachfrage folgen soll, bestätigt Louise Wernert. Dass es für alle reichen wird, ist vorgesorgt: Dank einer intelligenten Stromversorgung im Quartier reicht die Kapazität für alle Parkplätze.

Die Nachfrage nach E-Mobilität wird auch von aussen bestärkt: So hält die nur 10 km entfernte Stadt Lausanne in ihrer Energiestrategie fest, ab 2030 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zu dulden. Deshalb dürften Stellplätze mit Elektroladestation in der gesamten Agglomeration in der Gunst der Bevölkerung ­steigen.

Teilen und reduzieren

In der Siedlung «Églantine» verfügen jedoch bloss 80 % der Wohnungen über einen eigenen Parkplatz. Das steht für ein Bekenntnis zur nachhaltigen Mobilität und zum Langsamverkehr. Das Innere der Siedlung ist weitgehend verkehrsbefreit, mit Ausnahme von Zufahrten für Rettungs- und Sicherheitsdienste. Im Gegenzug sind etwa 1200 Velostellplätze vorgesehen, etliche ebenfalls mit einer Elektroladestation. «Wir möchten im Weiteren mehrere Reparaturposten zur Selbstbedienung einrichten», ergänzt Louise Wernert. Auch Sharing-Angebote – Autos und Velos – werden zur Verfügung stehen. Angedacht ist zudem ein Leihsystem für Elektro-Trottinettes sowie gemeinsame Paketboxen, um den Lieferverkehr in und um das neue Quartier zu minimieren.

«Wir haben viele Ideen, um diese nachhaltige Adresse fussgänger- und velofreundlich zu gestalten», bringt es Louise Wernert auf den Punkt. «Letztlich werden es aber die Bewohnerinnen und Bewohner sein, die den Ort mit Leben füllen und mit ihrer Nachfrage entscheiden, welche der vielfältigen Mobilitätsangebote Bestand ­haben werden.»

Quartier Églantine, Morges VD

 

Nutzung: Wohnen, ca 500 Wohneinheiten

 

Eigentümer/Bauherrschaft: unter anderen Vaudoise Assurances, La Mobilière, J. Safra Sarasin, Retraites Populaires, Stadt Morges

 

Entwicklerin/Totalunternehmerin: Losinger Marazzi

 

Architektur: Ferrari Architectes; Itten + Brechbühl Architekten und Generalplaner; Magizan atelier d’architecture et d’urbanisme; Tribu Architecture; Wilmotte & Associés Architectes

 

Mobilitätsexpertise 2000-Watt-Areal: Citec Ingénieurs Conseils

 

Realisierung: 2019–2022 (Nutzungsplan: 2017)

 

Kosten: 260 Mio CHF

 

Nutzfläche: 44 000 m2

 

Anzahl Parkplätze: ca. 400

 

Weitere Mobilitätsangebote: Carsharing, Mietvelos

 

Wärme: Energienetz aus Erdwärme, ­Abwasser und Gas (für Spitzenlast)

 

Strom: Photovoltaik, Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)

Mit Unterstützung von energieschweiz und Wüest Partner sind bei espazium – Der Verlag für Baukultur folgende Sonderhefte erschienen:

Nr. 1/2018 «Immobilien und Energie: Strategien im Gebäudebestand – Kompass für institutionelle Investoren»

Nr. 2/2019 «Immobilien und Energie: Strategien der Vernetzung»


Nr. 3/2020 «Immobilien und Energie: Strategien der Transformation»


Nr. 4/2021 «Immobilien und Energie: Mit Elektromobilität auf gemeinsamen Pfaden»

 

Die Artikel sind im E-Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

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