Er­neue­rung eines Wahr­zei­chens: Wohn­sied­lung Le Lig­non, Genf

Die Satellitenstadt Le Lignon bei Genf war in die Jahre gekommen. Nun ist ein Teil der Grosssiedlung aus den 1960er-Jahren energetisch saniert worden. Die Eigentümerin hat eine Strategie gewählt, die Aufwand, Ökologie und Baukultur optimal kombiniert.

Date de publication
15-11-2018
Revision
15-11-2018

Zu Beginn der 1960er-Jahre herrschte in Genf akute Wohnungsnot. Als Lösung des Problems sah die Kantonsregierung die Errichtung von Grossüberbauun­gen und sogar von Satellitenstädten vor. Einer dieser Trabanten war die Cité ­ du Lignon, die für die Ansiedlung von 10 000 Personen konzipiert war; sie wurde zwischen 1963 und 1971 realisiert. Heute gilt die pionierhafte Architektur der Cité als Ikone für die inländische Baukunst der Nachkriegszeit. Auffallend an Le Lignon sind die kilometerlange Wohnzeile, die längste in der Schweiz, zwei Hochhäuser mit 26 bzw. 30 Etagen sowie eine sorgfältig konzipierte Landschaftsarchitektur. Eine Augenweide für sich bildet bis heute die filigrane Vorhangfassade. 

In energetischer Hinsicht war die vor fast 60 Jahren entworfene Gebäudesub­stanz freilich nur mehr bedingt vorzeigbar. Die Erneuerung der Gebäudehülle drängte sich auf, obwohl Le Lignon unter Denkmalschutz steht. Deshalb war eine sorgfältige Abwägung erforderlich zwischen den Eingriffen für eine energetische Verbesse­rung und dem Bewahren von kulturellen Werten. Aus Sicht der institutionellen Eigentümerschaft, darunter auch die Pensimo Gruppe, hatte die Sanierung zudem wirtschaftlich tragbar zu erfolgen.

Forschungsstudie als Grundlage

Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus der Eigentümervereinigung CCL und den Kantonsbehörden für Denkmalpflege ­respektive Energie, beauftragte das Laboratoire des Techniques et de la Sauve­garde de l’Architecture moderne (TSAM) der EPF Lausanne, Grundlagen für eine Erneuerungsstrategie zu erarbeiten. Das TSAM-Team schlug vier Optionen mit unterschiedlicher Eingriffstiefe vor. ­Die erste, ein Ersatz der Fassade, wurde verworfen, weil sie zu hohe Kosten verursacht hätte. Die übrigen drei Varianten wurden im Massstabsmodell 1 : 1 konstruiert und im Betrieb analysiert. Nach zweijähriger Testphase fiel die Wahl auf eine Kompromissvariante, die den unterschiedlichen Anforderungen gleichermassen gerecht werden konnte. Das Erneuerungsmodell sah vor, die bestehende Aussendämmung durch eine innenliegende Kunststoffdämmschicht zu ersetzen. Gleichzeitig hat man die Dichtungen bei den Fenstern und einzelne beschädigte Fassadenelemente ausgetauscht. Der rest­liche Aufwand beschränkte sich auf die Erneuerung der Dampfbremse und die Reinigung der unter Schutz gestellten Fassade.

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Wärmetechnisch wirksam war die zusätzliche Fensterschicht: Hinter die äusseren, einfach verglasten Scheiben hat man eine Zweifachverglasung und dazwischen Rafflamellenstoren eingesetzt. Damit verringert sich der Heiz­energiebedarf um etwa 40 %. Zwar wird der gesetzliche Neubauwert um das Zweieinhalbfache übertroffen, doch die Gesamtenergiebilanz fällt positiv aus, weil viel graue Energie eingespart werden konnte. Dies liegt daran, dass auf eine neue Fassade verzichtet worden ist.

30 % Energie einsparen

Für die Pensimo-Gruppe hat das Architekturbüro Jaccaud Spicher Architectes Associés das Konzeptmodell aus dem Forschungslabor weiterentwickelt. 16 Hauseingänge respektive eine Siedlungseinheit mit 452 Wohnungen sind in den letzten beiden Jahren entsprechend sanft erneuert worden. «Es galt, ein Optimum im Spannungsfeld der Erneuerungs­kosten, Energieeffizienz und denkmalpflegerische Anforderungen zu finden», bestätigt Egon Heinzmann von der Pen­simo Gruppe. Das Ausführungsprojekt be­inhaltete zusätzlich zur energetischen ­Sanierung die Erneuerung der Laubengänge, eine brandschutztechnische ­Ertüchtigung der Erschliessungswege sowie eine Erneuerung der Haustechnik­erschliessungen. Die Kosten für die Sanierung von Fassaden und Laubengängen belaufen sich auf rund 40 000 Franken pro Wohnung respektive 500 Franken pro Quadratmeter Hauptnutzfläche.

Dank der besseren Dämmung konnte der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser um rund 30 % reduziert werden. Eine zusätzliche Optimierung, 10 bis 15 % weniger Energie, verspricht sich die Pensimo Gruppe vom neu installierten System zur Heizungssteuerung, das sich vorausschauend auf Wetterdaten ­abstützt. Das Vorgehen der Pensimo Gruppe hat nun die übrigen Miteigen­tü­mer animiert; auch sie wollen ihre Anteile an der besonderen Siedlung Le Lignon in den kommenden Jahren erneuern.
 

Am Bau Beteiligte 
Bauherrschaft: Pensimo Gruppe Zürich
Architektur: Jaccaud Spicher Architectes Associés, Genf


Gebäude
Typ: Überbauung mit ca. 2800 Wohnungen (davon
Pensimo: 452 Wohneinheiten), Baujahr 1963–1971
Erneuerung: Gebäudehülle, Gebäudetechnik
Energiekennzahl: 73 kWh/m2 (vorher: 162 kWh/m2)
Bausumme: 18.1 Mio CHF (Sanierung Fassade und Laubengänge)
Bauzeit: Planung 2010–2017; Ausführung: 2017–2018 (18 Monate)


Der Artikel ist erschienen im Sonderheft «Immobilien und Energie», ein Projekt mit dem Immobilienberatungsunternehmen Wüest Partner und mit Unterstützung von Energie­Schweiz. Weitere Beiträge zum Thema haben wir in einem digitalen Dossier zusammengestellt.

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